DABonline | Deutsches Architektenblatt
Menü schließen

Rubriken

Services

Menü schließen

Rubriken

Services

Zurück
[ Forschungsprojekt ]

Smart Cities für Mobilität, Partizipation und Nachhaltigkeit

Die Digitalisierung eröffnet der Stadtentwicklung neue Möglichkeiten. Wie ein breit angelegtes Förderprogramm zeigt, finden sich die viel diskutierten Smart Cities auch in ländlichen Räumen

Das Foto gibt Überblick über eine Smarte City
Zahlreiche Perspektiven: Je nach Bedarf bieten intelligente Lösungen Kommunen vielfältige Möglichkeiten für die Stadtentwicklung.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Smarte Lösungen für Stadt und Land“ im Deutschen Architektenblatt 07.2023 erschienen.

Von Marion Goldmann

Das digitale Zeitalter eröffnet der Stadtentwicklung neue Möglichkeiten. Wie ein breit angelegtes Förderprogramm zeigt, finden sich die viel diskutierten Smart Cities besonders auch in ländlichen Regionen wieder.

Smart Cities werden erst durch die Digitalisierung mit all ihren Vor- und Nachteilen möglich gemacht. Zu den wesentlichen Nachteilen zählen diverse Dystopien der Kontrolle. Nicht zuletzt deshalb subsumieren viele Menschen auch unter einer Smart City das Bild einer automatisierten und kontrollierten Stadt. International mag es dafür Beispiele geben, in Europa verfolgt man jedoch ein anderes Ziel.

Europäische Smart City

„In der europäischen Smart City stehen die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt, Kontrolle soll es nicht geben. Das ist ein fundamentales Abgrenzungsmerkmal“, sagt Vilim Brezina, wissenschaftlicher Projektleiter im Referat RS 5 „Digitale Stadt, Risikovorsorge und Verkehr“ beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Vilim Brezina gehört dem Smart-City-Team des Referats an, das sich vorrangig mit den Fördervorhaben „Modellprojekte Smart Cities“ beschäftigt. Sein Forschungsschwerpunkt sind planungsrechtliche, ökonomische und sozialwissenschaftliche Fragen im Bereich Digitalisierung und Smart City.

Geförderte Modellprojekte Smart Cities

Das Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“ wurde 2019 aufgelegt und vom jetzigen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) weitergeführt. In nunmehr 73 Modellprojekten werden kommunale, fachübergreifende und raumbezogene Smart-City-Strategien und deren Umsetzung gefördert. Das Smart-City-Team des BBSR analysiert dabei Forschungsbedarfe, initiiert und begleitet die Umsetzung von Studien, unterstützt die Kommunen fachlich bei der Strategieentwicklung und der Umsetzung von Maßnahmen und evaluiert die Wirkung der Ergebnisse.

Modellprojekte in Großstädten und Kleinstädten

Die 73 Modellprojekte widmen sich daher dem breiten Spektrum einer integrierten Stadtentwicklung – von Gesundheit und Sicherheit, Mobilität und Infrastruktur, Energie und Umwelt über Bildung und Kultur, Städtebau und Stadtplanung bis hin zu Wirtschaft, Handel und Tourismus.

Was bei dem Förderprogramm darüber hinaus von Bedeutung ist, ist die Vielfalt der ausgewählten Städte und Gemeinden – sie spiegeln die gesamte deutsche kommunale Landschaft wider. Vertreten sind zwar auch große Städte wie Hamburg, Berlin und München, doch kleine und mittlere Städte sowie ländliche Regionen und interkommunale Verbünde bilden deutlich die Mehrheit.

„Diese differenzierte Auswahl ist wichtig. Schließlich sollen möglichst alle Problemfelder abgebildet werden, die sich im Kontext der integrierten Stadtentwicklung und der Digitalisierung stellen“, erläutert Charlotte Räuchle, die sich im Smart-City-Team schwerpunktmäßig mit sozialwissenschaftlichen Fragen der digitalen urbanen Transformation und der digitalen Daseinsvorsorge beschäftigt.

Smarte und gerechte Mobilität

Die Bedeutung der breiten und differenzierten Auswahl der Modellprojekte zeigt ein Beispiel aus dem Handlungsfeld Mobilität und Digitalisierung. „Nicht nur, aber gerade in Metropolregionen bestehen enge Verflechtungen, schließlich machen Pendler nicht an der Stadtgrenze halt. Diese gilt es durch Maßnahmen wie interkommunale Kooperationen durch die Digitalisierung besser zu organisieren“, erklärt Charlotte Räuchle.

Dabei wird auch untersucht, inwieweit sich Mobilität nachhaltiger, gemeinwohlorientierter und sozial gerechter durch digitale Lösungen gestalten lässt und welche Ansätze tatsächlich auch realisiert werden können. Im Fokus steht außerdem die Teilhabe der Bürger, wobei erforscht wird, inwiefern die Digitalisierung Lösungen für Probleme in der Stadtentwicklung bieten kann. Dieses Vorgehen wird nicht nur bei der Mobilität angewandt, sondern erstreckt sich über alle Handlungsfelder.

Das Foto zeigt, wie Städteplaner eine Smarte City konzipieren.
Idealer Ablauf: Arbeitsschritte zur Erstellung einer Strategie und Umsetzung der Projekte

Energiesysteme, Telemedizin oder Apps

Im Rahmen des Förderprogramms „Modellprojekte Smart City“ werden mehrere Hundert Einzelmaßnahmen gefördert. Das Spektrum reicht von intelligenter Vernetzung von verschiedenen Energiesystemen über Mobilitäts-Apps bis hin zu virtuellen 3D-Modellen von Städten. Getestet werden auch Telemedizinräume oder intelligente Lichtmasten zur Vermeidung von Lichtverschmutzung.

„Die Maßnahmen umfassen also sowohl sehr kleinteilige als auch komplexe Lösungen“, verdeutlicht Charlotte Räuchle das Förderprinzip. Letztendlich probieren die Kommunen in den 73 Modellprojekten stellvertretend für alle aus, welche Lösungen sich bewähren und welche auch nicht.

Smart City Wissensspeicher

Diese experimentelle Phase dauert noch bis 2030 an. Im Ergebnis werden Smart-City-Lösungen für alle Kommunen bereitstehen, die auch Empfehlungen enthalten, wie diese eingeführt beziehungsweise skaliert werden können. Erste Handlungsempfehlungen, verschiedene Publikationen und ein im Aufbau befindlicher Wissensspeicher bieten jedoch bereits jetzt allen Interessierten erste Grundlagen und Unterstützung dabei, wie man sich dem Thema nähern kann (siehe Infokasten am Ende). Der Smart-City-Wissensspeicher ist ganz neu veröffentlicht worden. Darin sind bis jetzt 568 Einzelmaßnahmen enthalten, die entweder umgesetzt oder in Planung sind. Diese Vielfalt macht vor allem auch deutlich, was Kommunen unter Smart City verstehen.

Smart City im Prinzip ein Städtebauprogramm

„Das Smart-City-Projekt ist im Grunde ein Stadtentwicklungsprogramm, wobei Städtebau und Stadtplanung im Mittelpunkt stehen und die Digitalisierung den Rahmen bildet“, sagt Vilim Brezina, der selbst Stadtplaner ist. Stadtplaner seien auch viele der Smart-City-Manager der Modellprojekte. Dieser Fall setzt allerdings voraus, dass das Thema innerhalb der jeweiligen kommunalen Struktur auch im Bereich der Stadtentwicklung oder der Stadtplanung angesiedelt ist.

Intelligente Verkehrsplanung

Ein Beispiel für die Verknüpfung der Smart-City-Idee mit der Stadtplanung sei die Mobilität, erläutert Charlotte Räuchle: „Hier wird viel diskutiert, inwieweit sich mithilfe einer intelligenten Verkehrsplanung Parkplätze einsparen lassen. Die Frage ist, ob Menschen auf das Auto verzichten würden, wenn sie wüssten, wie sich verschiedene Verkehrsmittel miteinander kombinieren lassen.“ Würde das funktionieren, könnten die eingesparten Parkflächen stadträumlich anders genutzt werden.

Virtuelles Stadtmodell als digitaler Zwilling

Als anderes Beispiel nennt Vilim Brezina den digitalen Zwilling, also ein virtuelles Modell der Stadt. „In einer Studie, die wir betreuen, werden gerade die Potenziale erforscht, wie sich digitale Zwillinge auf kommunaler Ebene in die Stadtentwicklung einbinden lassen und inwiefern sie auch im Rahmen der Stadtplanung einen Mehrwert generieren können. Beispielsweise durch eine vereinfachte Bauleit- und Baugenehmigungsplanung im Modellprojekt Kirchheim (bei München).“

Der digitale Zwilling eröffnet aber auch die Möglichkeit digitaler Teilhabeformate. So entwickelt Hamburg gemeinsam mit Leipzig und München im Rahmen des Verbundprojekts „CUT – Connected Urban Twins“ einen digitalen Zwilling, der den Bürgern eine Vorstellung davon vermittelt, wie sich räumliche Veränderungen, zum Beispiel ein neues Gebäude, auf das Stadtbild auswirken.

Digitale Verwaltungsprozesse nötig

Die Realisierung dieser und zahlreicher weiterer Ideen erfordert im Umkehrschluss digitalisierte Verwaltungsprozesse. „Diese sind jedoch nicht Gegenstand der Smart-City-Projekte“, betont Vilim Brezina. Es handele sich dabei um zwei Entwicklungsstränge, die natürlich ineinandergreifen müssten. „Die Zusammenführung dieser beiden Welten fordert auch die Stadtplaner komplett neu heraus. Gleichzeitig macht es das aber auch sehr spannend.“

Aufbau von Datenplattformen und Netzwerken

Symbolisiert man den aktuellen Stand der Entwicklungen smarter Systeme und Lösungen anhand einer Zeitschiene, so bauen die Kommunen gerade erst die Infrastruktur dafür auf. Dazu gehören unter anderem Datenplattformen und technische Netzwerke, die zum Beispiel die Verknüpfung von Sensoren für verschiedenste Anwendungen, wieetwa eine intelligente Stadtbeleuchtung, ermöglichen.

Im Modellprojekt „5 für Südwestfalen“ haben sich fünf Kommunen zusammengeschlossen, um eine urbane Datenplattform zu entwickeln. Damit sollen die Chancen für diesen ländlichen Raum mit seinen vielen Dörfern, Klein- und Mittelstädten ausgelotet werden. Das Vorhaben fand in der Region viel Anklang, sodass sich seit dem Start 2019 weitere 14 sogenannte Mitmachkommunen angeschlossen haben. Geschätzt werden daran besonders auch die durch den Zusammenschluss bedingten niedrigeren Kosten. Einzeln könnten die Kommunen den Aufwand nicht bewältigen.

Digitalisierung allein löst keine Probleme

Zugleich bestätigt das Projekt, dass die Digitalisierung Synergiepotenziale der Skalierung bietet. Im Endeffekt muss aber jede Kommune ihre Stadtentwicklungsziele selbst definieren und prüfen, welche Ressourcen ihr dafür zur Verfügung stehen. In diesem Kontext mahnt Charlotte Räuchle: „Die Digitalisierung löst nicht die großen Probleme unserer Gesellschaft. Sie kann nur einen Beitrag dazu leisten, Verbesserungen herbeizuführen. Das dürfen wir nicht vergessen.“

 


Keine verbindliche Smart-City-Definition

Aufgrund der zahlreichen Akteure und des relativ neuen Themas gibt es noch kein gemeinsames Verständnis zu der genauen Abgrenzung des Begriffs. Die im Rahmen des Forschungsvorhabens „Die digitale Stadt gestalten“ des BBSR entwickelte Definition dient Kommunen als Empfehlung. Sie lautet: „Smart City steht als Synonym für eine Kommune, die digitale Ansätze nutzt, um die Transformation zur ökonomischen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung zu bewältigen.“


Smart City nicht rechtsverbindlich ­geregelt

Zurzeit existieren zwei Leitlinien, die als unverbindliche Rahmenwerke gelten.

Europa: Die „Leipzig Charta für eine nachhaltige Stadtentwicklung“ von 2007 dient als grundlegendes Dokument zur Verankerung von Handlungsansätzen für eine integrierte, gesamtstädtische Stadtentwicklung in der europäischen Stadt auch im Kontext der Smart City als handlungsleitender Rahmen. Ihre Fortschreibung von 2020 („Neue Leipzig-Charta“) greift darüber hinaus auch das Thema der digitalen Transformation auf, um mit ihrer Hilfe eine gemeinwohlorientierte, nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung zu unterstützen.

Deutschland: Die „Smart City Charta“ wurde 2017 verabschiedet und schafft einen politisch-normativen Rahmen für die Digitalisierung deutscher Kommunen. Sie geht über das technologische Verständnis von Smart City hinaus und behandelt Fragen des Gemeinwohls, digitaler Gerechtigkeit und digitaler Teilhabe. Das Dokument bildet auch den konzeptionellen Rahmen für das seit 2019 laufende Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“.


<<< Jump Mark: smart-studien >>>

Smart City: Studien, Downloads, Modellprojekte

Wer sich intensiver mit Smart Cities beschäftigen möchte, findet auf der Homepage des BBSR eine Auswahl verschiedener Publikationen. Hier sind auch die im Rahmen des Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“ entwickelten Begleitstudien zugänglich (auf der Seite herunterscrollen).

Der Smart-City-Wissensspeicher informiert rund um die Modellprojekte und wird fortlaufend weiterentwickelt. ­Wesentlicher Baustein ist eine Datenbank, die das Auffinden von sämtlichen Maßnahmen der Modellprojekte über verschiedene Filter ermöglicht.

Einen Überblick über zwölf Smart-City-Anwendungsfelder bietet die Publikation „Cyber-physische Systeme im öffentlichen Raum: Ein exploratives Mapping“.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Sie wollen schon gehen?

Bleiben Sie informiert mit dem DABnewsletter und lesen Sie alle zwei Wochen das Wichtigste aus Architektur, Bautechnik und Baurecht.

Wir nutzen die von Ihnen angegebenen Daten sowie Ihre E-Mail Adresse, um Ihnen die von Ihnen ausgewählten Newsletter zuzusenden. Dies setzt Ihre Einwilligung voraus, die wir über eine Bestätigungs-E-Mail noch einmal abfragen. Sie können den Bezug des Newsletters jederzeit unter dem Abmeldelink im Newsletter kostenfrei abbestellen. Nähere Angaben zum Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten und zu Ihren Rechten finden Sie hier.
Anzeige