Dieser Beitrag ist unter dem Titel „HOAI 202X“ im Deutschen Architektenblatt 07.2022 erschienen.
Von Ronny Herholz, Volker Schnepel und Martin Falenski
Seit der letzten HOAI-Novelle 2013 sind nahezu zehn Jahre vergangen. Die HOAI 2021 stellte im Wesentlichen nur eine Anpassung an das Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 dar, mit dem die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze abgeschafft wurde. Eine zeitgemäße Honorarordnung muss Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Daher ist eine inhaltliche Überarbeitung der Vorschriften notwendig, gleichwohl keine Selbstverständlichkeit. Dank des Einsatzes der Planerorganisationen, nicht zuletzt dem gemeinsamen Auftreten von AHO, BAK und BIngK, ist es aber gelungen, die Politik davon zu überzeugen, eine Novellierung der HOAI in den Koalitionsvertrag aufzunehmen.
Bei dem anstehenden Diskussionsprozess mit den zuständigen Bundesministerien, den Bundesländern, den kommunalen Spitzenverbänden und weiteren Akteuren ist es von zentraler Bedeutung, dass der Berufsstand geschlossen auftritt. Zu diesem Zweck haben etwa 200 Vertreterinnen und Vertreter aller Planerorganisationen seit Juni 2021 intensiv an Vorschlägen für eine novellierte HOAI gearbeitet.
Überarbeitung und Harmonisierung der Leistungsbilder
Es erfolgte eine Überarbeitung und Modernisierung der Grundleistungen in allen Leistungsbildern, die Harmonisierung zwischen den Leistungsbildern der Objektplanung einerseits und mit den Fachplanungen der Tragwerksplanung und der Technischen Ausrüstung andererseits. Auch im Bereich der Flächenplanung erfolgte eine Harmonisierung.
Neues Leistungsbild
Vorgeschlagen wird ein neues Leistungsbild „Städtebaulicher Entwurf“.
Allgemeine Vorschriften
Die Allgemeinen Vorschriften wurden überarbeitet und einige wesentliche Vorschläge aufgenommen, so zum Beispiel, dass zur Verdeutlichung und Beschreibung gesellschaftlich relevanter Bauherrenaufgaben, zur Ermittlung der projektspezifischen Zielvorstellungen, der Vorgaben und Bedingungen, Leistungen als Besondere Leistungen zu vereinbaren sind.
Weiterhin soll aufgenommen werden, dass die Honorarwerte der HOAI eine angemessene Honorierung der Grundleistungen gewährleisten. Es soll nur noch zwischen „Neubau“ und „Bauen im Bestand“ unterschieden werden, zudem wird die Trennung zwischen Grundleistungen und Besonderen Leistungen verdeutlicht.
Zur Nachhaltigkeit und zu BIM sollen Definitionen und Bewertungskriterien sowie Regelungen zu Bauzeitverlängerungen und zur zeitlichen Trennung bei der Ausführung aufgenommen werden. Als Grundlage der Kostenermittlung gilt die DIN 276 in der Fassung von 2018.
Dynamisierung flächenbezogener Honorartafeln
Da die Flächenplanungen Grundstücksflächen als Abrechnungsgrundlage haben, erhöhen sich diese Honorare nicht mit den Baupreissteigerungen. Es wird daher eine Regelung vorgeschlagen, die eine jährliche Dynamisierung der flächenbezogenen Honorartafeln vorsieht.
Kostenermittlung
Für die Kostenermittlung wird ein zweistufiges Modell vorgeschlagen, das für die Leistungsphasen 1 bis 5 die fortgeschriebene Kostenberechnung und für die Leistungsphasen 6 bis 9 die Kostenfeststellung vorsieht.
Honorarwertermittlung
Vorgeschlagen wird auch ein neues Modell zur Honorarwertermittlung. Der Honorarwert ergibt sich aus objektiven Bewertungsmerkmalen, die durch leistungsbildspezifische Bewertungskriterien untersetzt werden. Die Bewertung erfolgt wie bisher von sehr geringen Anforderungen in fünf Stufen bis zu sehr hohen Anforderungen. Neben den bereits bestehenden Bewertungsmerkmalen werden drei neue Bewertungsmerkmale vorgeschlagen:
- Nachhaltigkeit
- Digitalisierung der Planung (BIM)
- Projektorganisation
Alle Bewertungsmerkmale enthalten Bewertungskriterien zur Berücksichtigung von Anforderungen für das Bauen im Bestand.
Wie geht es weiter?
Angesichts der Erfahrungen aus der Novelle zur HOAI 2013 ist davon auszugehen, dass sich der Novellierungsprozess bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 hinziehen wird. Um das Verfahren zu erleichtern, haben die Planerorganisationen bereits im Mai/Juni 2022 ihre Vorschläge bei den Ministerien eingereicht. Der weitere Zeitplan könnte sich voraussichtlich wie folgt gestalten:
- Mitte 2022 bis Mitte 2023: Erstellung eines Fachgutachtens durch das Bundesbauministerium inklusive Diskussionsprozess mit den maßgeblichen Beteiligten (Vertreter des Berufsstandes, Bundesländer, kommunale Spitzenverbände, weitere Auftraggeber wie zum Beispiel Deutsche Bahn),
darauf aufbauend: - Mitte 2023 bis Mitte 2024: Erstellung eines Wirtschaftsgutachtens zur Ermittlung adäquater Honorare durch das Bundeswirtschaftsministerium,
- Mitte 2024 bis Mitte 2025: Verordnungsgebungsverfahren unter der Beteiligung der Bundesländer mit abschließender Verabschiedung im Bundesrat.
Diese kommenden Schritte werden durch die Planerorganisationen und ihre engagierten ehrenamtlichen Gremien und Arbeitsgruppen aktiv begleitet.
Am 23. Juni 2022 fand auf Einladung von Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium ein erster Austausch zur HOAI-Novellierung unter Beteiligung der Bundesarchitektenkammer und weiterer Planerorganisationen statt. Die inhaltliche Arbeit soll im September beginnen.
Ronny Herholz ist Geschäftsführer des AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung), Dr. Volker Schnepel ist stellvertretender Bundesgeschäftsführer der BAK, Martin Falenski ist Hauptgeschäftsführer der Bundesingenieurkammer (BIngK)
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Die HOAI ist tot.
Sie hatte zwei Haupt-Zwecke:
1. den Architekten und Ingenieuren ein auskömmliches Honorar für ihre jeweiligen Grundleistungen zu sichern und
2. einen Preiswettbewerb unter Architekten bzw. Ingenieuren zu vermeiden und durch die Regulierung des Honorars einen Qualitätswettbewerb zu fördern.
Spätestens seit dem Urteil des EuGH werden diese beiden Zwecke nicht mehr erfüllt.
Und das ist gut so.
Denn so sind wir Architekten und Ingenieure gezwungen, uns mit denjenigen Fragen zu befassen, welche die HOAI nie beantworten konnte:
Was genau sind die Ergebnisse, die zu den Grundleistungen gehören? Welche Form und welche Qualitäten können diese Ergebnisse haben – und mit welchem Aufwand lassen sie sich erzielen? Und schließlich: zu welchem Preis können wir diese unsere Ergebnisse am Markt anbieten?
Früher galt: das Projekt definierte das Honorar, und das Honorar anhand unserer kalkulatorischen Stundensätze den maximalen Aufwand, den wir in dieses Projekt einbringen durften.
Seit 2019 gilt: das Projekt erfordert von uns, die nötigen Teil-Ergebnisse in Art, Umfang und Qualität zu definieren. Daraus müssen wir den Aufwand ableiten, den wir für diese Ergebnisse haben werden. Und aus diesem Aufwand erfolgt das Honorar, das wir anbieten können. Dazu braucht es keine Honorartabellen, Honorarsätze oder dergleichen. Wir müssen uns mit den Ergebnissen und dem Aufwand dafür auseinandersetzen.
Nun ja, wer auch immer die HOAI getötet hat – Nietsche war’s diesmal nicht -, obwohl auch die HOAI von vielen Architekten in nahezu apotheotischer Manier in den Himmel gehoben wurde und wohl immer noch würde, wenn Sie denn aktuell angemessene Honorare ausweisen würde.
Schon lange vor der HOAI21, die mit Wegfall jeglicher Verbindlichkeit, mit Ausnahme derer, die vertraglich vereinbar wird, faktisch nur noch ein Poesiealbum für fromme Wünsche geworden ist, reichten die damals noch preisregelhaften Honorare unter den Bedingungen eines durch Fachkräftemangel modifizierten Arbeitsmarktes und entsprechenden Personenkostendrucks auf die Büros längst nicht mehr für eine auskömmliche, geschweige denn eine angemessene Leistungsabrechnung aus.
Wir haben daher lange schon aufwandsbezogen kalkuliert und erst danach die HOAI bzw. RifT bemüht und unseren tatsächlichen wirtschaftlichen Bedarf nach den Möglichkeiten der HOAI-Systematik zusammenargumentiert und plausibilisiert. Diese Freiheit ergab sich ohnehin, da die Anrechenbaren Kosten der übergroßen Mehrheit unserer Projekte oberhalb des höchsten Tabellenwertes angesiedelt, und unsere Honorare damit frei verhandelbar waren.
Das aber haben viele unserer Berufskolleginnen und -kollegen nicht gelernt und sich oft sogar gesträubt, es zu lernen. Aber zur langjährigen erfolgreichen Führung eines Architekturbüros gehören eben nicht nur baukünstlerische Gestaltungsfähigkeit und ingenieurtechnisches Verständnis, sondern auch völlig profane, aber professionelle Betriebswirtschaft. – Ob mit oder ohne HOAI – ohne letztere geht kein Erfolg auf lange Sicht.
Dennoch kann und sollte ein möglichst zügig verfasstes und in Kraft gesetztes, grundlegend erneuertes, gut gemachtes Regelwerk, das inhaltlich und wirtschaftlich den aktuellen Erfordernissen und Entwicklungen aller Bereiche unserer Dienstleistungssparte entspricht, einen Konsolidierungsprozess verkürzen, in dem ein für Architektinnen und Architekten gleichermaßen wie für Baufrauen und Bauherren risikovoller und sogar ruinöser Unterbietungswettbewerb stattfindet, in dem die Protagonisten mitunter erst am Ende mehrerer Jahre merken, dass sie einen schweren Fehler begangen haben.
Sollte eine neue HOAI die defacto Sedesvakanz eines sinnvollen und auskömmliche Honorare sichernden Regelwerkes in den wesentlichsten Hinsichten beenden. Dann vergesse ich Nietzsche – zumindest seinen wohl meist zitierten Satz. Darunter aber mache ich’s nicht und dann hat Roland Rupsch recht.