
Das Projekt „Schichtsalat“ hat den diesjährigen Joanes-Preis gewonnen.
Henny Krätzschmar, Ludwig Schwarz/TU Dresden/ JOANES Stiftung
Die Aufgabenstellung forderte eine Eier legende Wollmilchsau: skalierbarer Prototyp für genossenschaftliches Wohnen über einer Supermarktfiliale, Gemeinschaft, Nachverdichtung mit hoher Qualität, Verbindung von Einkaufen und Wohnen, Flexibilität, Umweltverträglichkeit – und günstig soll das Gebäude in Bau und Betrieb natürlich auch sein. Damit formuliert der Joanes-Preis das Ziel seiner zugrunde liegenden Stiftung aus: bezahlbares Wohnen zu fördern.
Die Arbeit der Studierenden begann im Oktober 2024, begleitet von fünf Vorträgen. Dann wählte die Jury im Juni die vier vielversprechendsten Entwürfe aus. So weit habe ich den Prozess und die Entwürfe in meiner vorangegangenen Kolumne beschrieben. Es folgte für den Joanes-Preis ein zweistufiges Werkstattverfahren, in dem die Entwürfe mit Expert:innen geschärft wurden, dann eine zweite Jurysitzung im September. Bei der Preisverleihung am 4. November im Aedes Architektur Forum wurden die besten Arbeiten gekürt – an der Spitze: „Schichtsalat“.

Präsentation der Projekte bei der Preisverleihung bei Aedes am 4. November.
Erik-Jan Ouwerkerk
„Schichtsalat“ punktet spielerisch und flexibel
Mit „Schichtsalat“ gewannen Henny Krätzschmar und Ludwig Schwarz von der TU Dresden den Joanes-Preis. Der Entwurf vereint die breit gefächerten Anforderungen des Wettbewerbs scheinbar spielerisch: Wohnzeile und Remise auf einem Gewerbesockel rahmen eine Gartenterrasse, die Treffpunkt für die bewohner:innen ist. Gekonnt wird räumlich abgewogen, wo Gemeinschaft und wo Privatheit ihren Platz hat.
Die Wohnungen sind verschachtelt organisiert, flexibel von ein bis vier Zimmern, mit der Möglichkeit, in überhohen Räumen eine zusätzliche Decke einzuziehen. Diese Option zum Selbstausbau verleiht dem Projekt eine genossenschaftliche Offenheit: Räume wachsen mit ihren Nutzer:innen.
Die Rückseite mit dem Gartenhof über dem Supermarkt.
Henny Krätzschmar, Ludwig Schwarz/TU Dresden/ JOANES Stiftung
Die Jury: „eine besondere Form der Öffentlichkeit“
Die Remise an der Bahnseite zum S-Bahnhof Tempelhof dient als Lärmschutz und öffnet als Gegenüber der Wohnzeile Raum für gemeinschaftliche Nutzungen – „eine besondere Form der Öffentlichkeit“ urteilt die Joanes-Preis-Jury. Die Räume der Remise sind flexibel nutzbar, als Werkstätten, Ateliers oder Orte für gemeinschaftliche Aktivitäten und vermischen damit Wohnen, Arbeiten und soziale Interaktion. Es entsteht ein klar definierter Treffpunkt für die Bewohner:innen, der „ein wünschenswertes Maß an sozialer Kontrolle“ ermöglicht und die Nachbarschaft in einem ausgewogenen Maß stärkt.
Mit der Überarbeitung wurde „alles richtig gemacht“, wie ein Jurymitglied betonte: Die Erschließung der Wohnungen ist das verbindende Element. Eine nun prominentere Treppe führt von der Straße hinauf zum gemeinschaftlichen Garten auf dem Supermarktdach. Der Supermarkt bekommt mehr Sichtbarkeit. Konstruktive Details entwickelte das Team weiter und zeigte auf, wie die Geschossteilung je nach Bedarf angepasst werden kann. So wird „Schichtsalat“ beim Joanes-Preis zu einem realen Prototyp für genossenschaftliches Wohnen über einem Supermarkt.
Schritte zur Realisierung
Der Joanes-Preis hat das Thema des bezahlbaren genossenschaftlichen Wohnens an 63 Hochschulen gebracht. Das ist bereits ein großer Erfolg. Aber wie geht es weiter? Der Vorstand der Joanes-Stiftung, Sebastian Bührig hält fest: „Gemeinsam mit unserer Partnerin der bbg setzen wir uns mit aller Kraft dafür ein, den Entwurf ‚Schichtsalat‘ zu realisieren.“
weberbrunner architekten, wird das Gewinnerteam auf dem weiteren Weg unterstützen. Die Studierenden sollen während des gesamten Prozesses beteiligt sein, so Bührig: „Um die Idee tatsächlich zu verwirklichen, stehen wir im Austausch mit deutschen Supermarktketten und tragen das Vorhaben zudem in die Stadtpolitik.“ Am 21. November wurde der Joanes-Preis im Roten Rathaus zum Berliner Stiftungstag vorgestellt. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegener hatte seinen Besuch angekündigt.

„Das Besondere an Genossenschaften ist, dass ihr oberstes Ziel nicht die Erwirtschaftung von Profit, sondern die Förderung ihrer Mitglieder ist“, sagte Barbara König, Geschäftsführerin vom Genossenschaftsforum e.V. bei der Preisverleihung im Gespräch. Auf dem Podium (v. l. n. r.): Lorenz Hahnheiser, Jens Kahl, Kerstin Kirsch und Barbara König
Erik-Jan Ouwerkerk
Warum der Joanes-Preis Wohnen genossenschaftlich angeht
Zukunftsweisender Wohnungsbau muss auf die akute Wohnungsnot in angespannten städtischen Wohnungsmärkten reagieren, die für große Bevölkerungsgruppen prekär geworden ist. Der Joanes-Preis geht mit der Prämisse ins Rennen, das traditionsreiche genossenschaftliche Modell sei die Antwort für zukunftsweisenden Wohnungsbau. Warum?
Barbara König, Geschäftsführerin des Berliner Genossenschaftsforums und Gast bei der Verleihung des Joanes-Preises, sieht die Kraft des genossenschaftlichen Gedankens in seiner Nutzerorientierung und seinem Fokus auf Nachhaltigkeit und Gemeinschaft – im Gegensatz zum reinen Profitstreben: Das Besondere an Genossenschaften sei, „dass ihr oberstes Ziel nicht die Erwirtschaftung von Profit, sondern die Förderung ihrer Mitglieder ist.“ Im Fall von Wohnungsgenossenschaften sei der Hauptzweck die Versorgung mit günstigem, sicherem und sozial verantwortbarem Wohnraum. „Das gelingt, weil Wohnungsgenossenschaften auf Dauer angelegt sind und so wirtschaften, dass das gemeinschaftliche Vermögen langfristig gesichert ist.“
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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