Dieser Text beruht wesentlich auf Publikationen der Stadt München, die Sie hier finden
Der eigene Hund macht keinen Lärm, er bellt nur“, bemerkte Kurt Tucholsky, und weiter: „Lärm ist das Geräusch der anderen.“ Lärm, insbesondere Verkehrslärm, stellt laut einer Umfrage des Bundesumweltamtes eines der gravierendsten Umweltprobleme unserer Zeit dar. Auch am Mittleren Ring in München mit bis zu 150.000 Kraftfahrzeugen in einzelnen Abschnitten. Trotz der hohen Verkehrsbelastung ist er in vielen Teilen auch Wohnort von meist alteingesessenen Münchnern. Obwohl sie der ständigen Lärmbelastung ausgesetzt sind, fühlen sich die Bewohner mit ihrem Quartier verbunden oder finden nichts anderes. Dies belegt die geringe Fluktuation in Stadtvierteln wie Giesing, Ramersdorf, Bogenhausen oder Neuhausen.
Für den Unterhalt von Bundesstraßen, in deren Kategorie auch der Mittlere Ring fällt, ist die Stadt mit ihren eigenen Finanzmitteln zuständig. Eine Maßnahme gegen Verkehrslärm ist das Verlegen von „Flüsterasphalt“, woran in München bereits an einigen Abschnitten gearbeitet wird. Im Wohnungsbau helfen experimentelle Ansätze, Wohnungen nachhaltig zu verbessern oder neue sinnvoll entstehen zu lassen. Kontrollierte Lüftungsanlagen, Lärmschutzgläser und schallabsorbierende Elemente werten Altbauten auf, vorhandene Freiflächen werden durch Lärmschutzbebauungen zu nutzbaren Grünräumen, neu entstehende Wohnungen tragen zur Durchmischung bei. Durchdachte Grundrisse orientieren sich dabei überwiegend zur ruhigen Hofseite, während die Fassaden zum Ring hin ein urbanes Gesicht zeigen.
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30 Millionen für das Wohnen am Ring
„Wohnen am Ring“ heißt das Förderprogramm der Landeshauptstadt München zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität am Mittleren Ring. Das Programm wurde im Jahr 2001 erstmals aufgelegt und gerade zum zweiten Mal bis 2022 verlängert. Mehr als 30 Millionen Euro sind bisher geflossen; Insgesamt wurden rund 975 Wohnungen gefördert und über 1.000 weitere Wohnungen schallberuhigt. Ziel ist es, möglichst große Lärmschutzeffekte an geeigneten Abschnitten des Mittleren Rings zu erzielen.
In den Stadtteilen, die durch Verkehr und Gewerbe belastet sind, leben häufig am Wohnungsmarkt benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit bei Umweltqualität und umweltbezogener Gesundheit wird in Deutschland in zahlreichen Studien untersucht. Die Armutsbevölkerung ist meist weniger in der Lage, sich vor den Folgen der Umweltbelastungen zu schützen. In den Gebäuden am Mittleren Ring konzentrieren sich oft Haushalte in schwierigen Lebenslagen. Mit Unterstützung des Förderprogramms können die Umweltbelastungen auch für diesen Bewohnerkreis reduziert werden. Durch den Einsatz von Städtebauförderungsmitteln wurden in den Sanierungsgebieten zahlreiche Wohnungen lärmberuhigt – häufig im Verbund mit Wohnungsbauförderungsmitteln und Mitteln aus dem Lärmschutzprogramm. Durch den zum Mittleren Ring orientierten Baulückenschluss konnten neue Wohnungen gebaut werden. Einerseits bedeutet dies für die Mieter mehr Lebensqualität, andererseits für den Eigentümer eine nachhaltige Investition in den Werterhalt seiner Immobilie.
Im Münchener Osten zwischen Ramersdorf und Berg am Laim wurde verdichtet. Zillerplus Architekten gewannen dort einen städtebaulichen Wettbewerb. Die frühere Maikäfersiedlung wurde nach und nach ersetzt. Den Auftakt der neuen Bebauung bildet ein parallel zum stark belasteten Mittleren Ring angeordnetes Wohn- und Geschäftshaus mit angegliedertem Turm. Neben Läden und den Büros der Hausverwaltung finden in diesem Ensemble 58 Sozialwohnungen Platz. Die überwiegend geschlossene Bebauung entlang der verkehrsreichen Straßen sollte – wie so oft im sozialen Wohnungsbau – den Häusern dahinter als Lärmschutz dienen. Die Kombination verschiedener Formen wie Atrium-, Maisonettwohnung oder Zentralgrundriss in horizontaler Schichtung ermöglicht soziale Mischung bei gleichzeitigem Lärmschutz. Die durchgesteckten Maisonettes und Atriumwohnungen holen das Licht von der Südseite an der Straße und die Luft von der ruhigen Hofseite im Norden in die Räume. Entlang der Straße bieten Loggien im ersten und zweiten Geschoss mehr Wohnqualität. Sie sind durch eine zu öffnende Einfachverglasung geschützt. Dies funktioniert an der Stelle wesentlich besser als ein offener Balkon.
Lückenschluss in Ramersdorf
Im Münchner Stadtteil Ramersdorf liegt die Wohnanlage der GWG München an der Zornedinger Straße. Früher standen auf dem Grundstück drei Gebäude aus den 1960er-Jahren. Da die Anlage zum Innsbrucker Ring hin offen war, drang der Verkehrslärm ungehindert hindurch. Die Lärmbelastung war hoch, die Freiflächen zwischen den Häuserzeilen wurden kaum genutzt. Ziel der 2007 begonnenen Planung für ein neues Gesamtkonzept der Anlage war es, die Lärmemissionen zu reduzieren und durch Neubau und Aufstockung neuen Wohnraum zu schaffen. Heute stehen zwischen den drei Gebäudezeilen des Bestandes drei neue fünfgeschossige Gebäudekomplexe als Lückenschluss zum Innsbrucker Ring. Gleich einer Lärmschutzwand bewahren sie die alten Bestandsbauten vor dem eindringenden Verkehrslärm.
Sie zeigen: Die nachträgliche Aufwertung von ehemals stark belasteten Wohngebieten ist durchaus möglich. Auch der Bestand muss nicht immer grundsätzlich in Frage gestellt werden. Behutsame Erneuerung zeigt die preisgekrönte Wohnanlage der Münchner Architekten Felix + Jonas. Nach Modernisierung, Aufstockung und Neubau umfasst die Wohnanlage insgesamt 147 Mieteinheiten. Die Schließung des Zeilenbaus aus den Sechzigern durch zusätzliche Riegel verbessert die Wohnqualität im Quartier spürbar.
Grundrisse mit durchgesteckten Wohnungen und die Anordnung von Fluren und Nebenräumen zur verkehrsbelasteten Straße hin kennzeichnen die Neubauten. Individual- und Wohnräume liegen zu den beruhigten Innenhöfen. Schmale Fensteröffnungen prägen das Erscheinungsbild zum Mittleren Ring. Sie lassen die Fassaden zur Straße trotz des Verkehrslärms nicht abweisend in Erscheinung treten, sondern auch von dort als Wohnbau. Durch die Anordnung der fünfgeschossigen Neubauten ist in der gesamten Anlage der Lärm erheblich reduziert worden. Mieter konnten bleiben und bestehenden Hausgemeinschaften sich halten. Neben der einkommensorientierten Förderung kam auch hier das Förderprogramm „Wohnen am Ring“ zum Tragen. Das Projekt wurde mit dem Bauherrenpreis Modernisierung und dem Ehrenpreis der Stadt München ausgezeichnet.
Ein weiteres Beispiel am Innsbrucker Ring ist ein Wettbewerb aus dem Jahr 2013, aus dem 03 Architekten als Sieger hervorgingen. Das Projekt ist derzeit im Bau. Der Struktur der Siedlung und der Stadt folgend, schließt der Entwurf die Ecksituation mit durchgehender Traufhöhe. Er bietet den nötigen Schallschutz für die Wohnnutzung und das dahinter liegende Quartier. Das Gebäude wurde in eine zweite Haut gehüllt. Großzügige verglaste Einschnitte markieren die Eingänge zu den Nutzungen. In den Wohngeschossen erzeugt der Wechsel von verglasten und blechverkleideten Flächen ein abstraktes Bild zur viel befahrenen Kreuzung. Die Fassaden dahinter sind herkömmliche Putzfassaden. Die verschiebbaren Lochblechelemente zeigen nachts eine sich stetig ändernde Ansicht, die neben dem Sonnenschutz auch die notwendige Privatheit für die Bewohner herstellt. Die umlaufende zweite Schicht mit Balkon und Laubengangbereichen lässt das Gebäude offen und großzügig wirken.
Ruhe in der Ex-Kaserne
Von den Berliner Architekten Leon Wohlhage stammt die Planung für den Umbau der ehemaligen Funkkaserne im Münchner Norden zum Wohnen. 420 Wohnungen bilden den Auftakt; zum großen Teil sind es geförderte Mietwohnungen und Studentenwohnungen. Dazu kommen eine Kindertagesstätte, Pflegewohnungen und ein Familienzentrum. Ruhiges Wohnen trotz lauter Straße wurde durch innere Organisation und Lärmschutzwände zum Frankfurter Ring erreicht. Die zu ihm gelegenen etwas abgerückten Bauteile erschließt ein an der Außenwand verlaufender Gang. Er dient gleichzeitig als Lärmpuffer. Zu den Seitenstraßen sind nur Nebenräume angeordnet. Das Wohnen orientiert sich zum begrünten ruhigen Hof. Gestalterisch begnügt sich auch die Straßenseite nicht damit, Rückseite zu sein. Erkerartige Vorsprünge geben der dahinterliegenden Erschließung Räumlichkeit und bieten auch dem schnell Vorbeifahrenden ein unverwechselbares Bild. Die besonders gestalteten Schallschutzwände fügen sich in zurückhaltender Transparenz in die Zwischenräume ein.
Cordula Rau ist Architektin, Kuratorin und Publizistin in München.
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