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Zurück Nachwuchs-Kolumne #274

Sh*tscapes: gute Landschaftsarchitektur gegen Planungsfehler

Was uns ohne qualifizierte Landschaftsarchitektur droht, zeigt das Buch Sh*tscapes an 100 Beispielen. Ein Appell an jene, die bei diesem Fachgebiet sparen wollen.

Von: Luisa Richter-Wolf
Luisa Richter-Wolf schreibt über Landschaftsarchitektur an den Unis, im Beruf...

08.10.20256 Min. 1 Kommentar schreiben
Tauben auf vertrockneten Grasmatten

Bei mangelhaft geplanter Bewässerung vertrocknen frisch verlegte Rasenmatten schon nach kurzer Zeit.
Vladimir Guculak

In einer vorigen Kolumne habe ich über die geplanten Sparmaßnahmen des Berliner Senats berichtet und welche negativen Auswirkungen, dies auf den Studiengang der Landschaftsarchitektur an der TU Berlin haben würde. Die Auswirkungen auf unsere Städte habe ich dabei noch nicht erwähnt: dass uns nämlich Sh*tscapes drohen.

In dieser Kolumne wende ich mich an alle Entscheidungsträger:innen, die an der Landschaftsarchitektur sparen wollen: Ich möchte Ihnen hier ein paar Beispiele präsentieren, wie unsere Welt aussieht, wenn es an Fachwissen und Forschung in der Objektplanung der Landschaftsarchitektur mangelt. Hierfür stelle ich das Buch Sh*tscapes vor. Die Autoren Vladimir Guculak und Paul Bourel haben darin Fallstudien von Fehlplanung in London dokumentiert und als „Atlas des Versagens“ verewigt.

Urbane Umgebung kartiert, fotografiert, dokumentiert

Die beiden Sh*tscapes-Autoren Vladimir Guculak und Paul Bourel sind Gründer des Landschaftsarchitekturbüros studio gb in London. Mit ihrem forschungsorientierten Büro beobachten die beiden akribisch ihre urbane Umgebung – kartieren, fotografieren und dokumentieren sie. Die Planer vereinen Handwerk, Forschung, Engagement und ökologisch nachhaltige Lösungen in ihrer Arbeit, um Orte der Ruhe, Widerstandsfähigkeit und Solidarität zu schaffen.

In Vorwort von Sh*tscapes begründen sie ihre Dokumentation mit der gesellschaftlichen Forderung und der klimatischen Notwendigkeit nach funktionierenden urbanen Freiräumen. Weltweit soll der Ausbau von grüner Infrastruktur in Städten gefördert werden – eigentlich. Es ist allgemein bekannt, dass es Menschen in einer grüneren Umgebung auch gesundheitlich besser geht. „Wir wollen sozial gerechte, barrierefreie und ökologisch bewusste Räume in unseren Städten und fordern diese ein“, so die Autoren.

Der unterschätzte Faktor Zeit

Mit verschiedensten Städtebauprogrammen, verkehrsberuhigten Stadtvierteln, der Finanzierung von Baumpflanzungen und der Verpflichtung zum Erhalt der Biodiversität versucht die Politik zwar, auf regionaler, nationaler und auch globaler Ebene diesen Forderungen gerecht zu werden. Doch Vladimir Guculak und Paul Bourel ist aufgefallen, dass immer wieder die gleichen Fehler in der Umsetzung passieren, die dann eben zu Sh*tscapes führen.

Dies führen die Autoren auf eine nicht vorhandene Fehlerkultur zurück: So brüsten Entscheider:innen sich gerne mit Bildern einer Fertigstellung. Doch anders als in der Architektur ist die Landschaftsarchitektur eine zeitbasierte Disziplin. Wirkung – damit auch beeindruckendes Wachstum – stellt sich in der Regel erst nach langer Zeit ein. In der Ausbildung wird kaum vermittelt wie sich Projekte und Materialien im Laufe der Zeit verändern, kritisieren die Autoren.

Sh*tscapes zeigt die 100 häufigsten Fehler im öffentlichen Raum

Guculak und Bourel zeigen auf, welche Baukonstruktionen dazu neigen, durch starke Benutzung oder Witterung an ästhetischem und funktionalem Wert zu verlieren. In Ihrem Buch „Sh*tscapes“ haben sie die 100 häufigsten Probleme an Elementen im öffentlichen Freiraum festgehalten. Das Buch kann als Checkliste dienen, um an typischen Fehlern der Pflasterung, Einfassungen, Entwässerung, Stadtmöbeln und Baumpflanzungen zu lernen. Hier ein paar Beispiele.

Schräg verbauter Schachtdeckel

Beispiel Schachtabdeckungen: Ist ein Deckel nicht korrekt in das Muster eingeplant, bricht das Pflaster schon bald.
Vladimir Guculak

Pflasterung und Entwässerung

Durch das Zuschneiden entstehen Schwachstellen in den Steinen, die dann irgendwann zerbrechen. Daher ist es wichtig, Einbauten im Vorfeld in das Pflastermuster zu integrieren. Das Buch Sh*tscapes zeigt in einer Zeichnung, wie durch ein anderes Pflastermuster der dokumentierte Fehler hätte verhindert werden können.

Die Sh*tscapes-Autoren empfehlen bei Pflasterarbeiten, möglichst wenig Schnitte der Steine und einfache Verlegemuster zu verwenden. Zudem führen sie Beispiele an, wo der Untergrund nicht auf die zukünftige Nutzung angepasst wurde und so durch schweren Verkehr die Pflasterung uneben wird.

Schachtabdeckungen

Aufbauend auf das Kapitel der Pflasterung und Entwässerung zeigt das Buch Sh*tscapes Beispiele, wo Schachtdeckel nicht in das Pflastermuster eingeplant wurden und so das Pflaster über die Zeit bricht. Auch zeigen sie ein Beispiel, in dem sich der Schacht in einer Beetfläche befindet, was weder für die Pflanzen noch für die Arbeiten im Schacht hilfreich ist.

Möblierung im Straßenraum

In diesem Kapitel zeigen die Autoren Beispiele von Sh*tscapes in Form von

  • Stadtmöbeln, die mit Müll vollgestopft werden;
  • Rasen vor Bänken, der tot getreten wird;
  • ungünstig platzierte Bänke, auf die sich Menschen ungern setzen, weil sie neben einer großen Straße stehen; oder
  • seltsame Bankmodelle auf denen man unangenehm sitzt – was deshalb also niemand tut.
Sitzbank direkt an einer Straße

Möblierung im Straßenraum: Wer sollte sich hier bitteschön freiwillig hinsetzen wollen?
Vladimir Guculak

Straßenbäume

Auch Baumscheiben müssen in das Pflastermuster eingeplant werden. Häufig sind Baumscheiben viel zu klein, weshalb die Bäume kaum anwachsen und schnell sterben. Sie heben die umliegenden Pflastersteine an und sorgen so für Sh*tscapes in Gestalt unebener Wege (Foto unten) oder richten aufgrund von zu wenig Wurzelraum in ihrer Umgebung andere Schäden an.

Pflanzungen

In diesem Kapitel stellt Sh*tscapes verschiedene Beispiele von ausgewaschener oder zu wenig Erde im Staudenbeet vor, weshalb die Pflanzen absterben. Zudem thematisieren sie die Pflege von Hecken, die im öffentlichen Raum zu wünschen lässt. Das führt etwa dazu, dass solche Hecken größer werden als ursprünglich im Entwurf geplant.

Der Blick geht auch auf Trampelpfade, die oft durch Pflanzungen führen. Selbst wenn ein Entwurf vermeintlich eine Lösung durch ein Beet gefunden hat, um die Wege zu lenken, werden Abkürzungen genommen und es entstehen unschöne, leer getrampelte Ecken und Wege.

Ecken und Kanten

Im letzten Kapitel befasst sich Sh*tscapes mit Einfassungen und Mauerkanten. Diese brechen schnell ab, wenn sie zu spitz geplant sind. Einfassungen werden, bei fehlender Verankerung im Boden durch die Zeit und regelmäßiges Betreten verschoben.

Winzige Baumscheibe, deren Rand sich anhebt

Straßenbäume: Sind Baumscheiben viel zu klein, können Bäume kaum anwachsen und heben die umliegende Pflasterung oder den Asphalt an.
Vladimir Guculak

Gute Landschaftsarchitektur statt Sh*tscapes

Viele dieser in London gesuchten Beispiele finden sich auch in deutschen Städten, wie zum Beispiel Berlin. Liebe Entscheidungsträger:innen, ich möchte aus dem Vorwort zitieren: „Sh*tscapes plädiert dafür, aus unseren Fehlern zu lernen.“ Es ist noch nicht zu spät.

Sie können noch dazu beitragen, dass weder Berlin noch unsere bundesweiten öffentlichen Freiräume zu Sh*tscapes  – oder auf gut Deutsch: Scheißlandschaften – werden. Fördern Sie Forschung für öffentliche Freiräume, Bildung und Ausbildung, damit wir in Zukunft klimaangepasste, grüne und vor allem qualitativ hochwertige Freiräume haben!

 

Vladimir Guculak, Paul Bourel:
Sh*tscapes
100 Mistakes in Landscape Architecture

Jovis, 2025
104 Seiten, 100 s/w Abb.
Englisch
Broschur/E-Book, 26,- €


Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.

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1 Gedanke zu „Sh*tscapes: gute Landschaftsarchitektur gegen Planungsfehler

  1. Danke für diesen Impuls und die Vorstellung des Buchs. Ist es nicht interessant, dass Negativ-Beispiele eher unser Interesse wecken als positive Anreize? Wir erkennen leicht, was wir ablehnen – aber wir tun uns oft schwer damit, zu zeigen, was wir stattdessen wollen. Das ist ja auch riskant, denn damit könnte man auf Ablehnung stoßen. Es ist leichter, zu sagen: „Das mag ich nicht“, statt: „So wünsche ich mir das!“
    Aber genau das brauchen wir in unseren Städten: kritische Gestalter, die Stellung beziehen und Angebote dafür machen, wie es besser werden kann. Die sich Diskussion und Auseinandersetzung stellen, Position für ihre Angebote beziehen – und sich auch bei Ablehnung in der Angelegenheit fair verhalten aber nicht vom Weg abbringen lassen. Wir brauchen Menschen, die positive Impulse für die Entwicklung unserer Siedlungen setzen – positiv im Sinne eines Ideals, das zunächst entdeckt werden will.
    Wenn solche Menschen an den Fakultäten der (Landschafts-)Architektur ausgebildet werden, ist das ein Segen für jede Siedler-Gesellschaft. Einem Senat, der das nicht fördert, fehlt es an Weisheit.

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