Die Talente von frischgebackenen Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten in Europa unterstützen, die für die Transformation unserer Umwelt in der Zukunft verantwortlich sein werden: Dies ist das erklärte Ziel der EUmies Awards, die der Fundació Mies van der Rohe mithilfe des Programms Kreatives Europa organisiert. Im Rahmen der 19. Architektur Biennale am EUmies Awards Day wurden in Venedig kürzlich die Gewinner:innen der diesjährigen EUmies Awards Young Talent 2025 gekürt.
179 Einreichungen aus insgesamt 30 Ländern zählte die diesjährige Ausgabe des Nachwuchswettbewerbs. Gesucht hat man bei den EUmies Awards nach nachhaltigen, inklusiven und widerstandsfähigen Räumen, die die europäische Geschichte, Werte und Vision für die Zukunft widerspiegeln. Nun stehen die vier Gewinner:innen fest, worunter sich gleich zwei deutsche Beiträge befinden.
Warten als aktiver Zustand
Eine Antwort auf die Anforderungen der EUmies Awards lieferte unter anderem der Weimarer Architekturabsolvent Andreas Stanzel mit seiner Masterarbeit „Hotel Interim“. Sein Gegenstand ist ein leerstehendes Hotel in Halle, das seit 2022 auf den Abriss wartet. In einer Filmdokumentation, einer Analyse des materiellen und immateriellen Wertes des Gebäudes und einem Entwurfsvorschlag zeichnet Stanzel ein umfangreiches dreiteiliges Bild davon, wie Zwischenräume aktiv gestaltet und Ressourcen im Bestand sinnvoll weitergenutzt werden können.
Der klassische Rot-Gelb-Plan wird in diesem Fall um Blau für „Reaktivierung“ und Grün für „Wiederverwendung“ ergänzt. Das wäre eine Maßnahme, die in der realen Baupraxis Einzug halten sollte. Die vorgeschlagene Zwischennutzung lässt das Hotel zu einem sozialen Zentrum werden. Es würde eine Bauteilbörse, ein Nachbarschaftszentrum und einen Club beherbergen. Außerdem integrierte es Studioräume und Künstler:innen-Wohnprogramme für Studierende der Burg Giebichenstein University of Art and Design.
Das Projekt stellt sich bei den EUmies Awards gekonnt der Herausforderung, das Gebäude als Ressource, den Raum als Ort für Experimente und den Zustand als Bühne zu verstehen. Die Umnutzung verwandelt das Projekt in einen multifunktionalen Ort, der künstlerischen und sozialen Austausch fördert und Abriss verhindert.
Der Beitrag „Forest & Phoenix“ …
EUmies Awards Young Talent/Vera Kellmann, Carolina von Hammerstein
Architektur als integrative Praxis
Der zweite deutsche ausgezeichnete Beitrag der EUmies Awards trägt den Namen „Forest & Phoenix“. Er stammt aus der Feder von Vera Kellmann und Carolina von Hammerstein (TU Berlin). Die beiden setzen sich mit hybriden Infrastrukturen für eine integrative Waldbrandvorsorge in Brandenburg auseinander. Weil Waldbrände im Land Brandenburg deutlich häufiger auftreten als noch vor ein paar Jahren, entwarfen die Wettbewerberinnen ein forstbrandwirtschaftliches Kompetenzzentrums. Darin fänden die Disziplinen Forstwirtschaft, Brandbekämpfung und Wissenschaft Platz.
Kellmann und von Hammerstein wählen einen interdisziplinären Ansatz. Sie befragen Schlüsselakteure der Brandbekämpfung wie Feuerwehr, Förster und Waldbrandexperten. Oberstes Ziel ist es, deren Wissen zugänglich für alle zu machen. Denn Waldbrände stellen eine Herausforderung für die Gesellschaft als Ganzes dar. Den Mittelpunkt des baulichen Konglomerats stellt das Waldbrandkompetenzzentrum. Es wird durch drei weitere Konstruktionen ergänzt. Diese widmen sich jeweils einem Aspekt des Waldbrandmanagements: Forst, Feuerwehr und Wissenschaft.
Hierfür haben sie als Baustoff vor allem Holz von nach Waldbränden verkohlten Bäumen vorgesehen. Damit wollen sie die nachhaltige Nutzung von Holz als Ressource fördern und seine Wertschöpfungskette erweitern. Es ist ein spannender Beitrag, der zeigt, dass unsere Praxis Lösungen für die brennenden Fragen unserer Zeit liefern kann.
EUmies Awards als Blick in die Zukunft
Auch die zwei weiteren Wettbewerbsbeiträge aus Athen und Marseille begeben sich auf die Suche nach architektonischen Antworten für stadtplanerische, aktuelle Fragestellungen: Wie können durch baugetriebenen, radikalen Kommunalismus verlassene bürgerliche Räume zurückgewonnen und regeneriert werden?
In der Ausstellung „Intelligens. Talent. EUmies Awards Young Talent 2025“ im Palazzo Mora in Venedig sind die oben genannten Arbeiten zusammen mit weiteren Shortlist-Nominierungen des Preises noch bis zum 23. November 2025 zu sehen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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