Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Sozialverträglich“ im Deutschen Architektenblatt 05.2025 erschienen.
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Bezahlbarer Wohnungsbau in Regensburg energetisch saniert: Wohnturm angebaut
Häuser wie den 14-stöckigen, 1967 errichteten Plattenwohnturm der Stadtbau GmbH im Südosten von Regensburg finden sich hierzulande in nahezu jeder Stadt. Aber bei Weitem nicht alle werden durch ihre Generalsanierung zu Vorzeigeprojekten. Der ursprüngliche Anlass, den Sechzigerjahreturm umzubauen, war sein veralteter Brandschutz. Aber auch an vielen anderen Ecken waren Verbesserungen nötig.

Altbau oder Anbau? Bestand und Ergänzung verschmelzen dank einer neuen Fassade aus champagnerfarbenem Wellblech..
Herbert Stolz
Fehler der Bauzeit bei Sanierung nicht wiederholen
Im Wettbewerb im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung überzeugte das Konzept von studiomolter in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Nemeth & Stopper (beide München) und der Hochschule Rosenheim. Ihr Schwerpunkt war die nachhaltige Erneuerung der Fassade aus Faserzementplatten, die nicht mehr in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können. „Die Fehler der Vergangenheit können wir nicht korrigieren, aber wir dürfen sie nicht noch einmal machen“, formuliert Philipp Lionel Molter das Leitmotiv.
Wiederverwendbare Fassade aus Recycling-Aluminium
Die Planer führten eine Lebenszyklusanalyse durch, bewerteten Klimaresilienz und Behaglichkeit und entwickelten eine Fassade, die sich am Ende ihrer Lebensdauer sortenrein in ihre einzelnen Schichten trennen und wiederverwenden lässt. Auf den Holzspanbetonsteinen des Bestandes befindet sich nun eine Mineralwolldämmung, darauf eine Unterkonstruktion für vorgehängte hinterlüftete Fassaden. Den Abschluss bilden Aluminium-Wellblechelemente aus 92 Prozent Recyclingmaterial.
„Das Aluminiumblech erhält seine Steifigkeit durch die Wellen. Es durfte also sehr dünn und entsprechend leicht sein. Dadurch konnte auch die Unterkonstruktion leichter und materialsparender ausfallen“, beschreibt Lionel Molter. Die Idee, die Bleche in einem warmen Farbton zu eloxieren und damit die Brücke in die Bauzeit des Gebäudes zu schlagen, in der viele Fensterprofile in einem Messingeloxal verbaut wurden, verwarfen die Planer zugunsten einer einfacher rezyklierbaren und kostengünstigeren Pulverbeschichtung.

Vorher: Die Westseite des Regensburger Wohnblocks vor dem Umbau.
Herbert Stolz
Mieterstrom dank Photovoltaik-Fassade
In die Süd- und die Westfassade sind auf einer Gesamtfläche von 770 Quadratmetern zwei Arten von Photovoltaik-Modulen integriert: Champagnerfarbene Elemente umrahmen die Fenster, dunklere High-Performance-Module fangen an den Balkonen die flach stehende Wintersonne ein und bringen so hohen Ertrag in Jahreszeiten, wo Photovoltaik-Erträge insgesamt geringer sind. Die Anlage versorgt die Bewohner mit Mieterstrom – ein Beitrag zum Klimaschutz und zu geringeren Betriebskosten.

Nachher: Der Übergang des Bestandsbaus (rechte Hälfte, beginnend mit der rechten Loggia) zum Anbau fällt kaum ins Auge. Ebenso unauffällig sind die glatten Photovoltaik-Module rund um die Fenster.
Herbert Stolz
Fenster bei Sanierung vergrößert, statt verkleinert
Angesichts der Umstellung auf komfortable Fußbodenheizung konnten im Zuge der Fassadenerneuerung sämtliche Fenster vergrößert und in den Loggien sogar bodentiefe Verglasungen eingebaut werden. „Natürlich kann mit einem opaken Wandelement einfacher eine gute Dämmeigenschaft gewährleistet werden als mit einem Fensterelement. Und es ist noch dazu günstiger“, kommentiert der Architekt. „Aber da wohnen Menschen. Und deren Gesundheit und Wohlbefinden hängt stark vom Tageslicht ab.“
Dank der Wellenstruktur und den unterschiedlichen Lichtreflexionen von Aluminium und Photovoltaik-Modulen hat die einst langweilige Fassade eine neue Lebendigkeit bekommen. Dazu trägt auch die unterschiedliche Größe der Flächen zwischen den horizontalen Brandriegeln aus Beton bei.

Teil der Generalsanierung war auch ein Anbau, der die typische Struktur eines Wohnhochhauses aus der Nachkriegszeit fortschreibt.
studiomolter
Erweiterung mit 42 neuen Wohnungen
Der Übergang des Bestandsbaus zu einer Erweiterung mit 42 zusätzlichen Wohnungen fällt dabei kaum ins Auge. Der Architekt ließ das aufgrund der Brandschutzbestimmungen geforderte zweite Treppenhaus und einen Fahrstuhl an der Nordseite des Gebäudes anordnen und gruppierte um diese herum je drei weitere Wohneinheiten pro Etage.
Einen Wermutstropfen gab es bei der Generalsanierung mit Bruttobaukosten von knapp 3.300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (KG 300 + 400) allerdings auch: Während der umfangreichen Baumaßnahmen mussten die Mieter in Ersatzwohnungen der Stadtbau GmbH umziehen. Keiner von ihnen nutzte die Rückzugsoption – dabei liegt die neue Kaltmiete im Bestandsgebäude mit 9,47 Euro pro Quadratmeter im ortsüblichen Mittel.
Bezahlbarer Wohnungsbau in Nordhausen energetisch saniert: Ossietzky-Hof
Ein solcher ungewollter Wechsel der Bewohnerschaft konnte im Thüringer Nordhausen zumindest teilweise vermieden werden. Auch beim Umbau des dortigen Ossietzky-Hofs, eines ursprünglich aus drei fünfgeschossigen Gebäuderiegeln der DDR-Wohnungsbauserie 70 bestehenden Quartiers, war die Fassade ein Schwerpunkt. Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Nordhausen (SWG) hatte einen EU-weiten Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Das Ziel: den Standort weiterzuentwickeln und kostengünstige Wohnungen zu erhalten.

Bei Umbau und energetischer Sanierung des Ossietzky-Hofs in Nordhausen war die Fassade ein Schwerpunkt.
Thomas Müller
Auch nach energetischer Sanierung sehr günstige Miete
Der Siegerentwurf der Arbeitsgemeinschaft von Hütten & Paläste, ZRS Architekten Ingenieure, eZeit Ingenieure und Schönherr Landschaftsarchitekten wurde letztlich nur in einem Gebäude – „Ludwig“– umgesetzt. Der Plattenbau mit 74 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten wurde in bewohntem Zustand nach KfW-Standard 100 ertüchtigt (Bruttobaukosten pro Quadratmeter Bruttogrundfläche: 1.400 Euro, KG 300 + 400), die Kaltmiete erhöhte sich für Bestandsmieter nur auf 6,50 Euro pro Quadratmeter.
Haus "Ludwig" wurde bewohnt saniert. Neue Betonmodule dienen als Balkone, Wintergärten und Klimapuffer.
Thomas Müller
Wintergärten als Klimapuffer
An der Südseite des Gebäudes mussten die baufälligen Bestandsbalkone weichen. Die an ihrer Stelle errichteten, deutlich tieferen Betonmodule lassen sich mithilfe von Faltglaswänden in knapp zwölf Quadratmeter große Wintergärten verwandeln und erweitern so den Wohnraum. Zugleich wirken sie als Klimapuffer. Die übrige Fassade wurde mit einem Wärmedämmverbundsystem aus Mineralwolle versehen.
„Bei der Gestaltung des Umbaus haben Hütten & Paläste vor allem zwei Bestandsaspekte aufgegriffen: Durch unterschiedliche Putzkörnung ist an der Fassade eine Kachelung entstanden, die die DDR-Fassadentafeln adaptiert. Und die Trapezform der Balkonflächen denkt die Geometrie der ehemaligen Balkone weiter“, erläutert der Erfurter Architekt Maurice Fiedler. Sein Büro hatte die Bauleitung (LP 6–8) übernommen und wurde im Anschluss von der SWG beauftragt, die Sanierung des zweiten Gebäuderiegels „Sophia“ komplett neu zu planen.

Der Osssietzky-Hof bekommt ein dezentrales Energiekonzept. Links ein geplanter Neubau, oben „Ludwig“, rechts „Sophia“
ARGE Ossietzky Hof
Energetisch saniert mit Fußbodenheizung und Abluftwärmepumpe
Dort wurde KfW-85-Standard erreicht (Bruttobaukosten pro Quadratmeter Bruttogrundfläche: 2.100 Euro, KG 300 + 400, neue Kaltmiete 9,20 Euro pro Quadratmeter). Die Planer ließen die Bestandsbalkone entfernen und über die gesamte Gebäudebreite größere Balkone mit Trennwänden aus Aluminium vorsetzen. Eine umlaufende Mineralwolldämmung verbessert den Wärmeschutz.
„Bei Sophia war der große Schwerpunkt die Verringerung von Barrieren: Wir haben in zwei der vier Treppenhäuser Aufzüge eingebaut, die Wohnungseingangstüren verbreitert, Schwellen und Fensterbrüstungen zurückgebaut und das Gebäude über eine vorgeschaltete Rampe erschlossen“, fasst Architekt Maurice Fiedler zusammen.
Zum Zeitpunkt der Sanierung war das Gebäude komplett unbewohnt. Die SWG hatte die Vermietung langfristig im Vorfeld gestoppt und den verbleibenden Mietern Ersatzwohnungen angeboten. Das ermöglichte den Einbau einer Fußbodenheizung und damit die Absenkung der Vorlauftemperatur sowie den Einbau von Abluftwärmepumpen. Die Spitzenlast übernimmt Fernwärme.
Dezentrales Energiekonzept für das Quartier
Diese Maßnahmen sind Bausteine in einem dezentralen Energiekonzept für das gesamte Quartier. Bis das vollständig umgesetzt werden kann, wird es noch dauern. Nach dem Wettbewerb wurde beschlossen, das dritte Gebäude abzureißen und durch einen Holzhybridbau zu ersetzen. Er soll als Katalysator in einem gebäudeübergreifenden Netz mit Wärmepumpen und Solarthermie, Erdspeicher, Wärmerückgewinnung und Photovoltaik wirken. I-Tüpfelchen des Umbaus wird darüber hinaus die Umgestaltung des bislang versiegelten Innenhofs zu einem grünen Erholungsraum werden (LP 1: Schönherr Landschaftsarchitekten, Berlin; LP 2–9: plandrei Landschaftsarchitekten).
Bezahlbarer Wohnungsbau in Mönchengladbach seriell energetisch saniert
Die Plattenbauten in Regensburg und Nordhausen haben ihr Gesicht im Zuge der Sanierungen teils erheblich verändert. Bei einer seriellen Sanierung hingegen bleibt die Kubatur meist weitgehend gewahrt. So auch in einem Quartier in Mönchengladbach. Dort hat die auf Holzkonstruktion spezialisierte Firma B&O Seriell GmbH ein Energiesprong-Projekt des Wohnungsunternehmens LEG umgesetzt und 22 Mehrfamilienhäuser aus dem Jahr 1956 zum KfW-Standard 55 EE saniert.
Dafür setzte sie vorgefertigte gedämmte Holztafelelemente samt integrierten Fenstern, Türen und Versorgungsleitungen vor die Fassade. Außerdem wurden die Gebäude mit Luft-Wasser-Wärmepumpen, dezentraler Lüftung und Indach-Photovoltaik ausgestattet. Laut LEG betrugen die Bruttobaukosten rund 2.400 Euro pro Quadratmeter.

Nachher: Bei dieser seriellen Sanierung in Mönchengladbach wurden durch den Einsatz von Kork an den Eingängen und einer Fuge zwischen den Geschossen gestalterische Akzente gesetzt.
Jörg Parsick-Mathieu
Serielle Sanierung begrenzt Gestaltungsmöglichkeiten
Architekt Martin Wiemann aus Dortmund hat das Projekt begleitet und Akzentuierungen bei der Fassadengestaltung vorgenommen. „Im Bereich der Treppenhäuser ändert sich die Logik der Fassade durch die Positionen der Öffnungen. Das haben wir unterstrichen, indem wir hier Module mit Kork anstelle von Holzverschalung verwendet haben“, erläutert er. Auch die Fuge zwischen den Fassadenelementen am Übergang von einer Etage zur nächsten hoben die Planer deutlich hervor.
Als Feuchteschutz für das Holz im unteren Bereich ließen sie ein horizontales Schalbrett und darunter ein leicht hervorragendes Kantblech – ähnlich einer Fensterbank – einbringen. „Die Fassade erhält so eine Dreidimensionalität. Der Schattenwurf des oberen Moduls auf das Schalbrett, des Blechs auf das untere Modul und des unteren Moduls auf den Gebäudesockel verstärkt die Plastizität und Gliederung“, sagt der Architekt.

Vorher: In Mönchengladbach wurden auf einen Schlag 22 Mehrfamilienhäuser seriell saniert und energetisch ertüchtigt.
B&O Bau GmbH
In wenigen Tagen energetisch saniert
Insgesamt sind die Gestaltungsmöglichkeiten von Architekten bei dieser wie bei allen seriellen Sanierungen jedoch sehr begrenzt, da die Konstruktion vom gewählten System abhängig ist und somit weitgehend feststeht. Für den architektonischen Wert der Gebäude kann man das als Nachteil sehen.
Für die Bewohner hat diese Sanierungsmethode jedoch durchaus Vorteile: Sie sind nur wenige Tage durch Baulärm und -dreck eingeschränkt und können in ihren Wohnungen bleiben, deren Kaltmiete sich im Fall dieses Pilotprojekts nach Angaben der LEG um circa 1,15 Euro pro Quadratmeter (gewichtetes Mittel über vier Gebäude) erhöht hat. Dafür können die Mieter auf deutlich sinkende Energiekosten hoffen. Den Berechnungen von B&O Bau zufolge soll der Endenergiebedarf mit der Sanierung von 407 auf rund 43 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr sinken.
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