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[ Interview ]

Anti-Graffiti: Schutz, Beschichtungen, Systeme für die Fassade

Der Vorsitzende der RAL Gütegemeinschaft Anti-Graffiti Michael Kupfer erklärt im Gespräch, was Schutzsysteme leisten, und weist auf Tücken bei Planung und Ausschreibung hin

Hausfassade mit Graffiti
Manche lieben sie, andere wollen Graffiti möglichst rückstandsfrei entfernen und neuen vorbeugen.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Ein Wundermittel gibt es nicht“ im Deutschen Architektenblatt 08.2021 erschienen.

Interview: Marion Goldmann

Herr Kupfer, Sie verfügen als Gründungsmitglied der RAL Gütegemeinschaft Anti-Graffiti über eine jahrzehntelange Erfahrung. Wovon hängt der Erfolg der Schutzmaßnahmen ab?

Der Erfolg hängt in erster Linie vom Untergrund ab. Das lässt sich anhand der Reinigung von Glas gut belegen. Von so einer glatten Fläche können Graffiti sogar ohne Vorbehandlung mit einem chemischen Reiniger entfernt werden. So hatte sich schon zu Beginn unserer Arbeit schnell herauskristallisiert, dass hauptsächlich mineralische Untergründe problematisch sind. Entweder konnte die Farbe nicht vollständig entfernt werden oder der Untergrund war beschädigt.

Die Gütegemeinschaft ist demnach auf mineralische Untergründe fokussiert?

Ja, mit Schwerpunkt auf Fassaden. Wir differenzieren noch zwischen rein mineralischen Untergründen und Untergründen mit Anstrichen, Putzen und WDVS. Die Produkttests werden unterteilt in eine Grundprüfung auf dem Untergrund Beton und Eignungsprüfungen, für die alle nur denkbaren Untergründe möglich sind. Zum Beispiel wurde damit die Entfernbarkeit von Graffiti von Pulverlack­beschichtungen untersucht. Die Produkttests erfolgen durch mein „Labor Dr. Kupfer“ auf der Grundlage der von uns entwickelten Methoden. Diese hat die Gütegemeinschaft anerkannt und als Vorgabe für die Vergabe des RAL-Gütezeichens übernommen.

Bisher wurde nach permanenten, semi-permanenten und temporären Anti-­Graffiti-Systemen unterschieden. Warum hat die Gütegemeinschaft eine neue Klassifizierung vorgenommen?

Das Problem sind die semi-permanenten Systeme, die mehrmals gereinigt werden können. „Mehrmals“ lässt sich aber nicht quantifizieren, was zu Unsicherheiten bei den Anwendern führte. Daraufhin haben wir neue Kategorien definiert. Wir unterscheiden nur noch zwischen dauerhaften und nicht dauerhaften Anti-Graffiti-Systemen. Grundsätzlich sind alle dauerhaften Systeme auch nicht für die Ewigkeit konzipiert, sondern wurden für eine mehrfache Graffitientfernung entwickelt.

Für die dauerhaften Systeme wurden auch Tests entwickelt?

Ja, um nachzuweisen, wie lange ein dauerhaftes System wirklich funktioniert. Dazu erhält jedes getestete Produkt eine Kennzahl. Sie gibt an, wie oft das System bei gleichbleibender Schutzwirkung gereinigt werden kann. Damit sind die ursprünglich semi-permanenten Systeme in die Gruppe der permanenten Systeme integriert.

Sind die Testergebnisse frei zugänglich?

Auf der Website der Gütegemeinschaft sind die getesteten Produkte gelistet – unterteilt nach dauerhaften und nicht dauerhaften Systemen. Die Bewertung, wie oft ein dauerhaftes System gereinigt werden kann, enthält der Testbericht. Da der Testbericht Eigentum des Herstellers ist, müssen Interessenten ihn dort direkt anfordern.

Welche neueren Entwicklungen gab es in den letzten Jahren?

Hier führten die EU-Auflagen für lösemittelarme und lösemittelfreie Produkte zur Entwicklung wasserbasierter Beschichtungen. Diese sind umwelt- und gesundheitsfreundlicher, deutlich wasserdampfdurchlässiger (sd-Wert der wasserbasierten Produkte 0,5 m, sd-Wert der lösemittelbasierten Produkte 2 m) und gut pigmentierbar. Graffitischutz lässt sich dadurch mit farblicher Gestaltung kombinieren. Während die lösemittelhaltigen Produkte in der Regel bis zu 15-mal gereinigt werden konnten, funktioniert das bei den wasserbasierten Produkten bis zu zehnmal.

Kann man Untergründe auch imprägnieren?

Die meisten Schutzsysteme sind Beschichtungen. Die Idee, Imprägnierungen zu benutzen, liegt nahe. Saugfähige Untergründe wie Naturstein und Beton werden schon lange durch Hydrophobierungen gegen das Eindringen von Feuchte geschützt. Durch die Modifizierung der Imprägniermittel gelang es, zusätzlich oleophobe Eigenschaften der behandelten Oberflächen zu erreichen. Die Graffitientfernung erfolgt in der Regel chemisch. Die Reinigungsfähigkeit bleibt bei der überwiegenden Anzahl der Schutzsysteme erhalten, weshalb eine Zuordnung zu den dauerhaften Systemen erfolgt. Als Faustregel sind etwa fünf Reinigungszyklen ohne Erneuerung möglich.

Lassen sich Graffiti auch einfach nur mit Wasser entfernen?

Tatsächlich wünschte man sich Schutzsysteme, die eine Reinigung allein mit Wasser möglich machen. Zuerst erfüllten dies nicht dauerhafte Systeme (Opfersysteme) auf der Basis von Polysachariden oder Wachsen. Der gegenwärtige Entwicklungsstand erlaubt auch dauerhafte Systeme, die allein mit Wasser zu reinigen sind. Dabei handelt es sich um silikonbasierte Produkte, über deren praktische Anwendung jedoch noch wenig bekannt ist.

Graffiti wird gesprayt
Katz-und-Maus-Spiel: Sprayer und Fassadenschützer reagieren mit ihren rezepturen aufeinander.

Wie innovativ sind die Produkte der ­Sprayer?

Die Sprayer sind erfinderisch und international gut vernetzt. So entstehen Farbrezepturen, die auch uns staunen lassen. Problematisch wird es, wenn beispielsweise Flusssäure beigemischt wird. Bei Hautkontakt können gefährliche Verletzungen entstehen. Aber ein geschulter Profi erkennt, was aufgesprüht wurde und wie und womit die Reinigung erfolgen kann. Wir empfehlen, deshalb stets eine RAL-zertifizierte Reinigungsfirma zu beauftragen. Übrigens sollte nicht damit geworben werben, welche Flächen mit welchem Mittel behandelt wurden. Die Sprayer kennen sich mit den Systemen gut aus und es gibt Beispiele, wo sie vor dem Sprayen das Schutzsystem entfernt haben.

Was sollten Architekten bei der Ausschreibung des Anti-Graffiti-Schutzes beachten?

Zunächst möchte ich davon abraten, aus vorhandenen Ausschreibungen einfach Leistungspositionen zu übernehmen und diese mit den eigenen Wünschen zu vervollständigen. Solche Ausschreibungstexte enthalten oft Forderungen, die sich technisch gar nicht realisieren lassen. Die Gütegemeinschaft hat deshalb einen Qualitätsstandard definiert, der als kostenfreies PDF zur Verfügung steht. Darin sind die Grundlagen zum Umgang mit und zur Bewertung von Graffiti beschrieben. Es ist möglich, den Qualitätsstandard der Ausschreibung als Anlage beizufügen. Ein wichtiger Punkt dabei ist zudem die Dokumentation der Reinigungs- und Schutzarbeiten. Warum ist die Dokumentation so wichtig? Nur so ist wirklich Qualität erreichbar.

Wir haben für unsere Mitglieder deshalb ein Berichtssystem entwickelt, das eine qualifizierte Beschreibung der einzelnen Leistungen ermöglicht. Auf dieser Grundlage lässt sich zudem rückblickend die Qualität überprüfen. Was sollten Architekten bei der Planung beachten? Bei einem Neubau empfiehlt es sich, zunächst die für Graffiti anfälligen Bereiche zu definieren und diese Flächen gleich so zu gestalten, dass sie gut zu reinigen sind. Zum Beispiel mit einer farbigen Beschichtung eines dauerhaften Systems. Entscheidend ist zudem die Wahl des Fassadenbaustoffs. Zu prüfen ist, inwieweit ein Graffitirisiko vorliegt und wie die Reinigung erfolgen kann.

Wir können das vorab testen und eine Risikobewertung erstellen, denn nicht jedes Material benötigt einen Anti-Graffiti-Schutz. Ein harter Granit nimmt beispielsweise kaum Farbe auf, was eine Reinigung auch ohne Vorbehandlung ermöglicht. Sinnvoll sind zudem Musterflächen. Mit dem Testen der Reinigung empfehlen wir mindestens sieben Tage nach dem Auftragen der Farbe zu warten. Erst dann ist sie vollkommen getrocknet. Das Erstellen der Musterfläche einschließlich der Reinigung ist auch in diesem Fall zu dokumentieren und vom Ausführenden schriftlich bestätigen zu lassen. Die Planung sollte auch die spätere Wartung berücksichtigen und die erforderlichen Maßnahmen sind dem Eigentümer oder Betreiber des Gebäudes mitzuteilen.


Dr. Michael Kupfer, Vorsitzende der RAL Gütegemeinschaft Anti-Graffiti e. V.

Dr. Michael Kupfer ist der Vorsitzende der RAL Gütegemeinschaft Anti-Graffiti e. V. Der diplomierte Chemiker ist seit 1990 in diesem Bereich tätig und betreibt ein Untersuchungslabor, in dem mittlerweile Hunderte Produkte analysiert wurden.


Zum Download: geprüfte Anti-Graffiti-Systeme

Die RAL Gütegemeinschaft Anti-Graffiti e. V. wurde 1997 gegründet und ist Mitglied des RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V. Der Verein geht auf das Engagement von Fachleuten zurück, die für den wachsenden Markt von Reinigungs- und Schutzmaßnahmen Qualitätskriterien definieren wollten. Es gibt RAL-Gütezeichen folgender Kategorien: Materialien zur Graffitientfernung, Materialien zur Graffitiprophylaxe, Service Graffitiprophylaxe und Service Graffitientfernung. Auf der Website stehen unter anderem ein „Verzeichnis der geprüften Anti-Graffiti-Systeme (AGS) für die Anwendung auf mineralischen Oberflächen“ sowie der „Qualitätsstandard der Gütegemeinschaft Anti-Graffiti e. V. zur Graffitientfernung und Graffitiprophylaxe“ als Download zur Verfügung.

 

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