Ein Design-Build-Projekt für den Uni-Alltag? Aber klar: „Ihr lebt ja gefühlt am Campus“, haben sicherlich die meisten Studierenden der Architektur schon mal aus fachfremden Mündern gehört. Meiner Erfahrung und Gesprächen mit ehemaligen Kommiliton:innen nach ist an dieser These auf jeden Fall etwas dran. Architektur ist ein zeitintensives Studium.
Nicht nur zum Studieren an die Uni
Aber oft kam man nicht in erster Linie für die Vorlesung an den Fachbereich. Auch das Dazwischen und Drumherum ist wichtig: fürs gemeinsame Arbeiten in den Studios oder Werkstätten, für ein Schwätzchen am Fachbereichscafé, für Pausen in Gesellschaft.
Je mehr man sich an einem Ort aufhält, desto deutlicher fällt auf, welche Ecken gut funktionieren – und wieso. Studierende wissen an ihrem Fachbereich, wo sie sich gerne aufhalten und wo noch Potenzial für Verbesserung schlummert. Für uns Gestalter:innen sind das willkommene Chancen. Diese lassen sich in Form von Design-Build-Projekten ergreifen. Ehemalige Kommiliton:innen von mir taten das auch. An der Münster School of Architecture bekam das Fachbereichscafé 8bar ein repräsentatives und interaktives Möbel.

Die grünen Gitterplatten stammen eigentlich aus dem Industrie- und Wasserbau.
Robin Simeon Tielker
The Daily Gri(n)d
„Es ist DER identitätsstiftende Aufenthaltsort am Architekturcampus in Münster”, betont Eliane Binder, die selbst Architektur im Master studiert und seit Oktober 2022 die Leitung der 8bar innehat. Der Bedarf für das Design-Build-Projekt lag auf der Hand: Bis vor wenigen Wochen waren noch drei Tische und sechs Bänke aus Kiefernholz der Status Quo. An den Sitzmöglichkeiten hatte die Witterung über die letzten Jahre schon deutlich ihre Spuren hinterlassen.
Das Café befindet sich an prominenter Stelle direkt am Hauptzugang zum Architekturcampus. Sowohl aus repräsentativen Gründen als auch aus reiner Praktikabilität sollte eine neue Lösung für das faulende Mobiliar her. Ein Campus-interner, einmonatiger Ideenwettbewerb für das Design-Build-Projekt schuf Abhilfe: Aus fünf Einreichungen kürten das Dekanat sowie die Geschäftsführung der 8bar den Entwurf „The Daily Gri(n)d“ von Christian Plenz und Bennet Tielker zum Gewinner. Der Entwurf wurde mit der Realisierung und einem Monat Gratis-Kaffee honoriert.

Die Struktur des Design-Build-Projekts fußt auf einem bereits im Vorplatz vorfindbaren Raster aus Bodenhülsen.
Robin Simeon Tielker
Passgenaues Möbeldesign
Der Entwurf für das Design-Build-Projekt fußt auf einem bereits im Vorplatz vorhandenen Raster aus Bodenhülsen. Sie waren vor Jahren dort eingelassen worden, um die damaligen Möbel vor Diebstahl zu sichern. Die Möbel gibt es nicht mehr, die Hülsen sind geblieben – ein neuer Versuch! Neben dem Schutz vor Entwendung war eine möglichst pflegeleichte und witterungsbeständige Lösung gefordert.
Die beiden Masterstudenten Christian Plenz und Bennet Tielker antworteten hierauf mit einem Rastersystem aus feuerverzinkten Stahlrohren, die mit Konnektoren verbunden wurden. Diese bilden die Unterkonstruktion für die Sitz- und Tischflächen aus glasfaserverstärktem Kunststoffgitterrost. Das Material komme eigentlich aus dem Industriebau, vor allem dem Straßen- oder Wasserbau, erklärt Christian: „Bei der Wahl des Materials haben uns vor allem die Wetterbeständigkeit, die hohe Lebensdauer und die Optik überzeugt.“
Material und Modularität
Wichtig war es ihnen auch, das Design-Build-Projekt durch seine Materialien mit der vorhandenen Bausubstanz zu verbinden: Das Grün des Gitters steht in harmonischem Kontrast zum roten Klinker des historischen Hochschulgebäudes, der feuerverzinkte Stahl lässt sich in Brüstungs- oder tragenden Elementen der Erweiterungsbauten wiederfinden. So entstand eine individuell angepasste Lösung, die zusätzlich Modularität und Interaktion in sich vereint.
Komplettiert wird das Möbel, das in sich unterschiedliche Sitzebenen und Flächen zum Anlehnen bietet, durch kleine runde Tische aus Multiplex, die auf die freien Konnektorstellen gesteckt wurden. Sie sollen als Anstoß dienen, dass Benutzer:innen sich das Möbel in einem vorgegebenen Rahmen aneignen und vielleicht sogar weitergebauen.
Design-Build-Projekt als Zukunftsübung
Der Bau fand an nur einem Wochenende statt, an dem die Studierenden zu fünft die Platten zuschnitten, die Stahlrohre verbanden und das Möbel Schritt für Schritt aufbauten. Nicht nur das Bauen an sich sei eine Chance für neue Erfahrungen gewesen, sondern auch die Planung und Organisation im Vorhinein: „Plötzlich findet man sich wie in einem Architekturbüro in einem ‚offiziellen‘ Meeting mit seinen Freund:innen wieder und ist mit ganz neuen Verantwortungen und Entscheidungen konfrontiert, die man nun wirklich selbst treffen darf“, so Eliane. „Das war neu und auch ein bisschen beängstigend, aber eine große Chance, es mal an einem kleineren greifbaren Design-Build-Projekt zu üben.“
Die hohe intrinsische Motivation, den Ort wertschätzend weiterzuentwickeln, ist an dem gelungenen Design-Build-Projekt ablesbar. Dies kann auch Anstoß sein, sich in den eigenen Reihen nach Potenzialen umzuschauen und die wertvolle Chance zu ergreifen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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