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Prädikat „herausragend“

Die deutschen Großstädte wachsen – auch nach oben. Viele der neu entstehenden Wolkenkratzer sind luxuriöse Wohnhäuser, mit denen sich derzeit vor allem private Investoren auf den lukrativen innerstädtischen Wohnungsmarkt wagen – eine große Aufgabe für Architekten und Stadtplaner.

02.02.20167 Min. Kommentar schreiben
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New Kid on the Block: Mit dem im Bau befindlichen Projekt „Tower 2“ entsteht in Frankfurt das höchste Wohnhaus Deutschlands.

Ausblick: Cornelia Dörries

Das Wohnen in Hochhäusern galt in Deutschland lange als zweifelhaftes Privileg. Viele der zumeist aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammenden Wohntürme, oft im Zuge des sozialen Wohnungsbaus errichtet, liegen meist an der Peripherie und haben bis heute mit dem Stigma der anonymen Massenunterkunft zu kämpfen. Auch wenn es hierzulande nicht zu solch tragischen Entwicklungen kam wie in den französischen Banlieues, stehen unsere randstädtischen Hochhaussiedlungen für fehlgeleitete Stadtplanung, die in ­sozialer Segregation und ästhetischer Verwahrlosung mündete. Die Verbindung von klassischer Hochhausarchitektur und gehobener großstädtischer Wohnqualität verortet man zumindest von Europa aus gesehen immer noch in den vornehmen City-Lagen amerikanischer Ostküstenmetropolen.

Doch jetzt führt die Wohnungsnot in den deutschen Ballungszentren vielerorts zu einer Rückbesinnung auf das Hochhaus und sein ökonomisches Talent, einer relativ geringen Grundfläche ein Maximum nutzbaren Raums abzuringen. Die Qualität der neu entstehenden Türme ist freilich kein rein immobilienwirtschaftliches Thema, sondern auch ein städtebauliches. Die aktuellen Hochhausprojekte werden zumeist in innerstädtischen Lagen realisiert und sollten sich – Fernwirkung hin oder her – in einen bestehenden urbanen Kontext fügen oder selbst einen städtischen Zusammenhang konstituieren. Anders gesagt: Es ist keine Kunst, Etagen übereinanderzustapeln. Damit eine lebendige Stadt zu schaffen und zu bereichern, schon eher.

Die mit dieser Aufgabe verbundenen Fragestellungen sind vielfältig. Nicht nur, weil ein Hochhaus durch lange Schatten und Fallwinde die Aufenthaltsqualität der Umgebung beeinträchtigen kann, sondern auch, weil sich ein Turm-Solitär, zumal in innerstädtischen Gebieten, über seinen Sockelbereich mit der direkten Umgebung in ein Verhältnis setzen muss. Exklusiv im wahrsten Sinne des Wortes wird es dann, wenn sich das Erdgeschoss in Gestalt eines zugangskontrollierten Foyers mit Concierge-Service vom öffentlichen Raum abschottet, während öffentliche oder gewerbliche Nutzungen in diesem Bereich auch einen 170 Meter hohen Einzelgänger als städtischen Mitspieler qualifizieren.

Beim Blick auf die derzeit im Entstehen befindlichen Projekte zeigt sich ein architektonisch diffuses Bild. CAD-animierte, verschmockte Fassaden, wild versetzte Betonkuben und biomorphes Allerlei könnten auch für das Setdesign einer neuen Folge von „Miami Vice“ herhalten. Weil es bei uns an kanonischen Vorbildern für Luxuswohntürme mangelt, scheint die Renaissance der Bauaufgabe Wohnhochhaus derzeit noch zum Spielen einzuladen. Doch wenn sich nach den privaten Investoren aus dem gehobenen Wohnungsbau, die derzeit das Gros des neuen Turmbaugeschehens tragen, zunehmend auch öffentliche und sozial orientierte Bauherren dem Hochhaus zuwenden, ist vielleicht mit mehr Sachlichkeit und Strenge zu rechnen. Wer weiß – vielleicht reden wir dann auch wieder über Plattenbauten?

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