DABonline | Deutsches Architektenblatt
Menü schließen

Mehr Inhalt

Services

DABonline | Deutsches Architektenblatt
Zurück Modulbau

Hoffnung auf Heimat

Günstigem Bauen haftet ein schlechter Ruf an, und tatsächlich bleibt ein gutes soziales Gefüge der Bewohner beim Sparen oft auf der Strecke. Eine Stiftung hat mit Stuttgarter Architekten und der dortigen Universität ein System entwickelt, das dies ändern soll

30.05.20196 Min. Kommentar schreiben

Von Amber Sayah

Diee Tür zur Wohnung der Familie Lukas im dritten Stock steht offen. Nicht nur für angekündigte Besucher wie uns, sondern aus Prinzip. Die Nachbarn im Haus schauen öfter mal vorbei, auf einen Schwatz oder weil sie Rat bei etwas Amtlichem brauchen. Schwellenangst müssen sie beim Standortleiter der sogenannten Hoffnungshäuser in Esslingen, der mit seiner Frau selbst in einem der Gebäude wohnt, nicht überwinden. Am Lukas’schen Esstisch versammeln sich die Bewohner gern auch in größerer Runde, jeder bringt etwas zu essen mit oder kocht für alle ein Gericht aus seiner Heimat. Die Bezeichnung Hoffnungshaus ist am Esslinger Rohrackerweg allem Anschein nach keine Leerformel, Gemeinschaft gelingt hier ganz offensichtlich.

Mit den Hoffnungshäusern setzt sich die 2013 gegründete Hoffnungsträger Stiftung von Tobias Merckle, einem Sohn des Unternehmers und Ratiopharm-Gründers Adolf Merckle, für die Integration von Flüchtlingen ein. Zusammen mit Einheimischen unter einem Dach zu wohnen, die beim Einstieg in die neue Kultur behilflich sein können, erleichtert es den Neubürgern, sich hierzulande einzuleben – diese Idee liegt dem Modell der Hoffnungshäuser zugrunde. Entwickelt wurde es im Direktauftrag der Stiftung vom Städtebau-Institut der Universität Stuttgart und von andOFFICE Architekten mit der Zielvorgabe, kostengünstigen Wohnraum durch ein standortunabhängiges, modulares Baukastensystem zu schaffen, das gleichwohl die üblichen Containerlösungen hinter sich lässt. Sechs Gebäude sind bisher realisiert – vier in Esslingen, zwei in Bad Liebenzell –, fünf sind im Bau, zehn weitere in Planung. Ihre Bewährungsprobe haben die Hoffnungshäuser also schon bestanden.

Umhüllt sind die Gebäude von einer weich gerundeten, vertikalen Holzleistenfassade, wobei größere Leistenabstände im Bereich der Geschossdecken die Baukörper wie Bänder strukturieren. Ein starkes Identifikationsmerkmal sind die geschwungenen Balkone, die über die gesamte Eingangsfront reichen und als Erweiterung der Wohnküchen in den ­privaten Außenraum und als kommunikative ­Gemeinschaftsflächen dienen. Zugleich verbinden sie die Häuser mit der Landschaft. Im Stadtteil Berkheim hoch über Esslingen mit seinen zwischen Wohnsiedlung und Gewerbegebiet blühenden Wiesenhängen und Bäumen passt das vorvergraute Holz sogar besser ins Bild als der dominierende Häuslebauer-Eigenheimstandard. Die Holzarchitektur wirkt hier wie die urbanere Variante eines ländlichen Baustils.

Schreibe einen Kommentar