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Zurück Köln-Chorweiler

Mal wieder Masse

Großsiedlungen sind wieder im Gespräch. Dabei sind die Probleme der vorigen Generation trotz aller Mühen nicht gelöst, wie das Beispiel Köln-Chorweiler zeigt

Von: Frank Maier-Solgk
Frank Maier-Solgk ist von der Gartenkunst auf die Architektur gekommen....

01.04.20166 Min. Kommentar schreiben
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Neue Chance: Die Satellitenstadt Köln-Chorweiler soll per Erweiterung neue Qualitäten gewinnen.

Der Samstagsmarkt in Chorweiler liegt im zugigen Schatten von Hochhäusern und dem merkwürdig isolierten Kubus des aufgeständerten „City-Centers“. Von Gemüse über T-Shirts bis zu Handys ist alles im Angebot, das Publikum deutlich orientalisch geprägt. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund liegt hier, im Zentrum von Köln-Chorweiler, bei 75 Prozent, im Stadtteil insgesamt sind es rund 40 Prozent. Die sozial schwierige Lage vieler Bewohner, der schlechte Zustand eines Großteils der Wohnungen und ein teilweiser Leerstand in den Hochhäusern aus den 1970er-Jahren summieren sich zu einem Bild, für das sich Bezeichnungen wie „sozialer Brennpunkt“ und „Problemviertel“ eingebürgert haben. Politisch korrekt hieße es „Viertel mit hohem Entwicklungsbedarf“.

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Den Wettbewerb gewann das Dresdner Büro QuerfeldEins mit Hufeisen, Zeilen und einem lang gestreckten zentralen Platz.

Neuperlach, Märkisches Viertel, Marzahn, Neue Vahr, Kölnberg, Garath: Jede der großen Satellitenstädte aus den 1960er- und 1970er-Jahren in Deutschland ist anders strukturiert – und ein so ausgedehnter Stadtteil wie Chorweiler ist viel zu heterogen, als dass man alles über einen Kamm scheren könnte. Neben den düsteren Hochhaustürmen in der Mitte des Viertels wird das Bild im weiteren Umkreis kleinteiliger, haben sogar Gottfried Böhm und Oswald Mathias Ungers originelle Haus- und Siedlungsformen erprobt, die noch heute wie der entschiedene Gegenentwurf zur großformatigen Monotonie wirken, und gehen am Rande des Viertels die Wohnriegel in die rheinische Wiesenlandschaft über.

Der Wohntypus Großsiedlung gewinnt aktuell neues Interesse. Wie zur Entstehungszeit vor rund 50 Jahren besteht in den Ballungszentren Bedarf an günstigem Wohnraum. Die große und weiter wachsende Zahl der Flüchtlinge hat die Situation zusätzlich verschärft. In Berlin sollen inzwischen Angehörige der Mittelklasse – nicht ganz freiwillig – in die Großsiedlungen ziehen, wo sie die Hartz-IV-Strukturen auflockern. In Hamburg sollen demnächst für Flüchtlinge mehrere Siedlungen von rund 800 Wohneinheiten entstehen, was dem Typus Großsiedlung nahekommt. Und in Nordrhein-Westfalen sorgte das Bauministerium vor Kurzem für Aufsehen, da es in Abkehr zur bisherigen Praxis künftig auch hochgeschossige Gebäude im Sozialen Wohnungsbau fördern will. Die derzeitigen Begrenzungen auf vier- bis fünfgeschossige Gebäude seien zu streng, sagte Bauminister Michael Groschek (SPD).

Bieten die Großformate von einst Ansätze für Lösungen auch für die aktuelle Situation, wo dringender Handlungsbedarf besteht – oder sind Wohnkonzepte der großen Zahl grundsätzlich zum Scheitern verurteilt? Das ist nicht nur wegen des Neubau-Bedarfs eine wichtige Frage. Insgesamt zählt man in Deutschland rund 240 Großsiedlungen mit mehr als 1,5 Millionen Wohnungen: Im Extremfall Rostock wohnen 60 Prozent der Bürger darin. In Chorweiler unternehmen die Stadt und die Wohnungsbaugesellschaft GAG neue Anstrengungenm, die Siedlung zu verbessern. Nicht zum ersten Mal: Die Geschichte Chorweilers ist eine der ständigen Korrekturen, der Lernprozesse und der kontinuierlichen Aufwertungs-Versuche.

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