
Niederrad: Siedlung Bruchfeldstraße: Dachterrasse 1927
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (ISG FFM), S7Wo Nr. 12, Foto: Paul Wolff
Vor einhundert Jahren war das „Neue Frankfurt“ in vollem Gange: Wohnsiedlungen wie die Römerstadt, Bornheimer Hang, Praunheim und Westhausen entstanden – mit etwa 12.000 Wohnungen und vielen damals neuen Einrichtungen für das Gemeinwohl.
Letztere rückt die Schau „Yes we care“ in den Fokus: Schulen, Heime, Krankenhäuser, Sportanlagen wurden damals im Geiste der Moderne neu gedacht. Die Hausarbeit organisierten die Gestalter um die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky etwa mit der Frankfurter Küche effizient und platzsparend.
Ella Bergmann-Michel, Wo wohnen alte Leute? (Filmstill), Format 35mm, schwarz-weiß, stumm, Frankfurt am Main 1931
Sünke Michel, DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum Frankfurt am Main
Erfolgreiche Errungenschaften für soziale Städte
Vieles davon ist für uns längst selbstverständlich (oder gar, etwa bei der Küchenplanung, überholt). Darum ist es gut, an diese innovative Zeit zu erinnern und damit auch einer Politik entgegenzutreten, die gerade im Sozialen den Rotstift ansetzt und etwa durch Privatisierung der Dienste die Daseinsvorsorge für Bedürftige immer enger definiert. Das war die Motivation der Kuratoren.
Doch leider waren die Mittel, dies zu zeigen, sehr begrenzt. Die kleine Schau im wieder mal total abgedunkelten lichten Museumsbau von Richard Meier sieht mit ihren Holzgestellen fast armselig aus (siehe erste Bildstrecke). Nur einzelne Modelle und ein paar historische Film-Einspielungen lockern die Schautafelfolge auf.
Ist zum Neuen Frankfurt alles gesagt?
Noch karger die Rekapitulation des eigentlichen Bauprogramms: Die Ausstellung „Was war das Neue Frankfurt?“ ist nicht mehr als ein „Initialraum“, der die wesentlichen Leistungen noch einmal kurz darstellt. Auch hier wird medial wenig geboten, was Laien Lust auf die Gestaltungsmoderne machen könnte (siehe zweite Bildstrecke). Dabei war es doch „Ziel, einerseits ein breiteres Bewusstsein über die historischen Planungen zu etablieren und andererseits Fragen des Großstadtlebens und des Wohnens mit dem Blick der Gegenwart in die Zukunft zu tragen“.
Sicher gab es dazu in der Vergangenheit längst größere Retrospektiven oder Kongresse und zum Neuen Frankfurt ist vermutlich alles schon mal erforscht und gesagt worden – zumindest von und für Eingeweihte. Trotzdem ließe sich zur Relevanz für unsere Zeit der neuerlichen Wohnungskrise einiges nochmal offensiver betonen.
Siedlung Höhenblick: Kurhessenstraße
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (ISG FFM), S7A Nr. 1998-21583, Foto: Paul Wolff
Bodenpolitik und Gewinnabschöpfung für das Gemeinwohl
So konnte die Stadt Frankfurt damals auf eigene Landgüter zurückgreifen und musste nur in Ausnahmefällen Land enteignen, um so großmaßstäblich planen zu können. In neoliberaler Zeit wurde die Bodenvorratspolitik indes fast überall abgeschafft.
Zudem gab es nach der Inflation Anfang der 1920er die Hauszinssteuer, die Wertsteigerungen bei den Immobilienbesitzern abschöpfte und die Wohnbauprogramme zu etwa dreißig Prozent finanzierte. Heute wagt kaum jemand, die wieder enormen Gewinne in diesem Sektor einzufordern, um gemeinwohlorientiert zu bauen. So ändern sich die Zeiten.
Wie die damals entstandenen, nach heutigem Standard sehr bescheidenen Siedlungen noch heute gebraucht und bespielt werden, muss man sich also am besten selbst vor Ort angucken.
Ausstellungen, Rahmenprogramm und Foto-Wettbewerb
Beide Ausstellungen zu 100 Jahre Neues Frankfurt sind bis 11. Januar 2026 im Museum Angewandte Kunst am Schaumainkai in Frankfurt am Main zu sehen.
Außerdem gibt es ein Rahmenprogramm und im Laufe des Jahres folgen weitere Ausstellungsformate, so ab Oktober 2025 eine vergleichende Schau über Frankfurt, Wien und Hamburg. Zudem lobte das Museum über Instagram einen Foto-Wettbewerb aus. Einsendungen sind noch bis 20. August möglich. Die prämierten Aufnahmen werden sodann in der Schau gezeigt.
Ein Katalog ist nur zu „Yes we care“ bei Spector Books erschienen.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: