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[ Nachwuchs-Kolumne #161 ]

Notunterkünfte für Geflüchtete als Design-Build-Projekt

In der Ukraine mussten Millionen von Menschen kriegsbedingt ihre Häuser verlassen. Das ukrainische Planungsbüro balbek bureau entwarf darauf reagierend Notunterkünfte, die nun von Studierenden deutscher Hochschulen weiterentwickelt und gebaut wurden

Notunterkünfte aus Holz flankieren einen Fußweg
Notunterkünfte, wie dieser Entwurf von Studierenden aus Lübeck, müsen nicht nach Not aussehen.

Von Johanna Lentzkow

Dem Krieg in der Ukraine fallen nicht nur unzählige Menschenleben zum Opfer, auch die Lebensgrundlage und die gebaute Umwelt wird radikal zerstört. Dies führt dazu, dass Millionen Menschen zu (Binnen-) Geflüchteten werden und nach Obdach suchen. Das ukrainische Planungs- und Designbüro balbek bureau hat diesen Missstand erkannt und entsprechend mit Plänen für modulare Notunterkünfte geantwortet: RE:Ukraine Housing.

Notunterkünfte als (temporäres) neues Zuhause

Das Team um Slava Balbek analysierte weltweite Bauprojekte für temporäre Unterkünfte und entwickelte auf dieser Grundlage ein System aus flexiblen Wohneinheiten. Das Projekt verfolgt als oberstes Ziel die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten und ermöglicht auf nachhaltige Art und Weise, dass Notunterkünfte erstellt werden.

Die beiden deutschen BDB-Architekten Florian Müller und Stefan Gruthoff wurden auf die Idee des in Kiew ansässigen Büros aufmerksam und entwickelten diese in Absprache mit dem balbek bureau so weiter, dass Studierenden eine Chance bekommen sollten, selbst Hand anzulegen und einen Beitrag zum Wiederaufbau in der Ukraine zu leisten.

„Students, drop your pencils! Unite! And rebuild!“

Am sogenannten „Project: Unity!“, bei dem Notunterkünfte geplant und gebaut werden, beteiligten sich die TU Darmstadt, die Universität Kassel sowie die Technische Hochschule Lübeck, die jeweils interdisziplinäre studentische Teams aus den Fachgebieten Architektur, Bauingenieurwesen, Stadtplanung, Innenarchitektur und verwandter Studiengänge stellten. Ziel war es, nach der Idee von balbek bureau ein Wohnmodul zu entwerfen und in einfacher Bauweise 1:1 zu realisieren. Des Weiteren sollten die Studierenden auch die Fassadengestaltung sowie ein an den Nutzer:innen orientiertes Einrichtungskonzept entwerfen. Als Grundlage diente ein Modulkorpus in Holzständerbauweise mit einer Breite von 3,20 m und einer Länge von 6,40 m.

TH Lübeck: individuelle Gestaltungsfreiheit

Das Team der TH Lübeck beschäftigte sich zu Beginn ihres Entwurfs für Notunterkünfte mit der Frage, wie man es schafft, geflüchteten Menschen ein neues Zuhause zu bieten, mit dem sie sich identifizieren können und verbunden fühlen. Die Antwort sahen sie darin, den Bewohner:innen ein Maß an eigener Gestaltungsfreiheit zuzuschreiben. Anhand von vier Fassadenmodulen als Hartholzschalung, die sich in ihrem Relief und Fugenabstand unterscheiden, können sie selbst entscheiden, wie das eigene Heim aussehen soll. So entstehen individuelle Kombinationen, ohne dass der städtebauliche Kontext verloren geht. Auch das Innenraumkonzept folgt klaren Konstruktionsgrundsätzen und dem Anspruch an Flexibilität: Eine geschickte Zonierung ermöglicht Privatsphäre und Austausch nebeneinander auf kleinstem Raum. Multifunktionales Mobiliar übernimmt die nötigen Funktionen.

TU Darmstadt: Bauen mit Papier

Die Studierenden der TU Darmstadt verfolgten mit ihrem künstlerischen Ansatz einen Beitrag zum experimentellen Bauen. Vorangegangene Projekte der Uni beschäftigten sich bereits mit dem Bauen mit Papier, was nun auch bei der Notunterkunft angewendet werden sollte: Ein aus Quadrathülsen konstruierter Aufsatz für die Notunterkünfte bildet den oberen Abschluss des Holzmoduls und bildet so eine Einheit mit dem „Charakter eines Archetyps“.

Uni Kassel: Modularer Innenausbau

An der Universität Kassel wurde der Entwurf von balbek bureau noch weiter modularisiert. Wände und Böden der Notunterkünfte werden getrennt voneinander gefertigt und erst nach Fertigstellung zu einem Modul zusammengefügt. Hierbei sehen die Studierenden den Vorteil, größere Mengen auf einmal transportieren zu können und mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit vor Ort zusammenzubauen. [Bilder gibt es hierzu leider nicht, die Redaktion]

Design-Build-Projekte als große Chance

Design-Build-Projekte, wie es das „Project: Unity!“ ist, bringen den Studierenden nicht nur ein Stück Realität in den Studienalltag, sondern zeigen auch, welch wichtigen Beitrag sie als angehende Architekt:innen, Innenarchitekti:innen, Bauingenieur:innen, etc. leisten können. Man lernt, ein Projekt im Team zu entwickeln und umzusetzen, erlangt wichtige Werkerfahrung und bekommt ein Gefühl für die Umsetzbarkeit der eigenen Ideen.

Die gebauten Module der Notunterkünfte werden nun bald in die Ukraine gefahren, um dort für die geflüchteten Menschen ein würdiges Zuhause zu sein.

 


Johanna Lentzkow absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.

1 Gedanke zu „Notunterkünfte für Geflüchtete als Design-Build-Projekt

  1. Ja, was könnte Geflüchteten wichtig sein? – Vielleicht, Bilder von Familienangehörigen aufzuhängen? Ach nein, geht ja nicht, das schöne Holzfurnier. Vielleicht zusätzliche Matratzen, um spontan Gäste aufzunehmen? Vielleicht eine Kochplatte? Ladestationen fürs Handy?
    Ich weiß es nicht, ich bin nicht geflüchtet. Vielleicht ist es ja wirklich die Möglichkeit, Relief und Fugenabstand der Holzfassade festlegen zu können. Wer weiß?

    Antworten

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