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[ Nachwuchs-Kolumne #108 ]

Stress im Architekturstudium: zwischen Herzblut und Burnout

Kann das Architekturstudium krank machen? Eine Kultur der Selbstausbeutung lässt sich jedenfalls beobachten. Studierende sollten stattdessen für die Risiken von übermäßigem Stress sensibilisiert werden

Übermüdete Frau, nachts zwischen Papieren und Kaffeetassen am Schreibtisch
Nachtschichten sind für den Körper immer Stress: Wer auf sein Wohlbefinden achtet, ist auf Dauer kreativer.

Von Fabian P. Dahinten

„Na, wieder nicht fertig geworden?“ So begrüßte mich über viele Jahre die Putzfrau in der Hochschule. Ich traf sie bei meinen vielen Nachtschichten oft gegen fünf Uhr morgens in der Hochschule an, wenn ihre Schicht begann. Ich nutzte die willkommene Pause nach dem Stress der Nachtsicht gerne für einen kurzen Smalltalk. Was mich dabei überraschte: Sie ging davon aus, dass ich noch so lange in der Uni bin, weil ich zu den Schlechten gehöre. Ich hätte damals viel mehr von ihr lernen können, als ich zunächst dachte.

Sind Nachtschichten ein Qualitätsmerkmal?

Möglicherweise – zumindest häufen sich die Nachtschichten bei denen, die ihr Studium besonders intensiv betreiben und auch entsprechend gute Leistungen bringen. Sie sind daher weniger ein Qualitätsmerkmal, gehören aber dazu, wenn man gut sein möchte – und dafür Stress in Kauf nimmt. Gerade in den Studios entstanden auch viele positive Erinnerungen an tolle gemeinsame Nächte mit ausgefallenen Musikplaylisten und allerlei Blödsinn, den man nachts in der Hochschule macht, wenn sie allein den Studierenden gehört.

Lust auf die Nachtschichten hatte ich natürlich nie, aber sie waren aus meiner Sicht notwendig, um die Entwürfe in der Qualität abzugeben, wie ich es von mir erwartete. Ich plante sie schon ein, damit ich zwischen zwei Nachtschichten eine Nacht schlafen konnte – zumindest kurz.

Wo liegt die Grenze zwischen Herzblut und Selbstausbeutung?

Eine rote Linie zu ziehen, ist nicht möglich. Doch es gibt Symptome wie Energielosigkeit, Erschöpfung, Schlafprobleme, gedrückte Stimmung, verringerte Leistungsfähigkeit, schnelle Reizbarkeit und vermehrt körperliche Erkrankungen, die man beachten sollte, wenn durch den dauerhaft zu hohen Stress und psychischen Druck die Gesundheit in Gefahr gerät.

Deutlich wird die Überlastung, wenn diese Symptome mehrmals im Monat, wöchentlich oder sogar täglich auftreten. Die Häufigkeit der Symptome ist entscheidend für die Gefahr eines Burnout und damit auch oftmals für einen Totalausfall bis hin zu Depressionen und Suizidgedanken.

Umfrage mit schockierenden Zahlen

„Wie kann es sein, dass eine Nachtschicht als selbstverständlich angesehen wird? Wie kann es sein, dass wir Studierenden Burnouts bekommen? Wieso wird das einfach akzeptiert?“ Diese Fragen hat sich Minne Mensing während seines Architekturstudiums an der TU München gestellt und eine Umfrage unter seinen Komiliton:innen mit 200 teils schockierenden Antworten gemacht.

Rund 20 Prozent seien schon von einem Burnout oder Depressionen betroffen gewesen. Knapp 30 Prozent gaben dabei an, dass schon eine Beziehung durch das Studium in die Brüche gegangen ist und fünf Prozent hatten schon Suizidgedanken aufgrund des hohen Drucks und des Stresses im Studium. Die Umfrage bestätigte auch die „Normalität“ der Nachschichten: 95 Prozent gaben an, dass sie schon eine Nachtschicht im Studium gemacht hatten und 40 Prozent sogar mehr als zehnmal.

„Stress allein macht nicht krank, doch er erhöht das Krankheitsrisiko“

Christoph Bärtl promoviert an der Fakultät für Humanwissenschaften an der Universität Regensburg und zeigt anhand einer Studie auf, dass eine dauerhaft zu hohe psychosoziale Belastung wie Stress das Risiko für Krankheiten fast so stark beeinflusst wie Rauchen: So ist das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, bei Raucher:innnen 2,87 höher als bei jenen, die nicht rauchen. Bei Menschen, die psychosozialen Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, liegt dieses Risiko 2,67 höher als bei jenen, die davon verschont bleiben. Zu psychosozialen Belastungsfaktoren zählen unter anderem depressive Symptome, Stress bei der Arbeit und zu Hause sowie finanzielle Probleme. Sich zu stark im Studium zu verausgaben, ist also ungesund.

Wer ernsthafte Problemen bekommt, sollte sich dringend professionelle Hilfe holen, etwa in Form einer Psychotherapie, Pharmakotherapie oder eine Kombinationstherapie. Leider sind psychologische Erkrankungen noch mit vielen Vorurteilen belastet, sodass dieser Schritt vielen schwer fällt.

Resilienz als Prävention gehört an die Architekturschulen

„Stress ist man nicht hilflos ausgeliefert“, erklärt Christoph Bärtl, der einen Impulsvortrag zum Thema Burnout beim 5. Vernetzungstreffen von nexture+ gehalten hat. „Den Umgang mit Stress kann man erlernen und trainieren.“ Er untermauerte seine Aussagen mit Studienergebnissen. Gerade Personen, die Aufgaben besonders gut erfüllen wollen und perfektionistische Anforderungen an sich stellen, sollten durch Sport, Achtsamkeitstraining oder andere Stresspräventionen einem Burnout vorbeugen.

Vor 14 Jahren begann meine Reise in die Architekturwelt: mit Praktika in Architekturbüros, Studium und Berufsstart. Erst durch diesen Vortrag hörte ich erstmals vom gesunden Umgang mit Stress, wie man Symptome erkennt, von den Möglichkeiten zur Prävention. Dabei sollte uns schon das Studium für die Grenzen zwischen Herzblut und Burnout sensibilisieren – und zwar nicht nur durch die Putzfrau, die rückblickend einen viel vernünftigeren Blick auf meine Situation hatte als ich damals.


Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Johanna Naara Ziebart.

Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@handelsblattgroup.com

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