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[ International planen ]

Grenzüberschreitung

Die deutsch-französische Freundschaft ist legendär. Auch in der Architektur ergänzen sich Deutsche und Franzosen gut. Wir haben bei zwei hiesigen Büros nachgefragt, wie sie für sich die richtigen internationalen Partner gefunden haben – und was das für ihren Planungsalltag bedeutet.

Gemeinschaftswerk: In Brüssel verwandelten die Büros JSWD (Köln) und Chaix & Morel (Paris) eine alte Zahnklinik in das Haus der europäischen Geschichte.

Von Frank Maier-Solgk

China und Saudi-Arabien – die Projekte großer deutscher Architekturbüros im Ausland sind bekanntlich vor allem in den Boom-Regionen Asiens zu suchen; die europäischen Nachbarn scheinen weit weniger interessant. Hier gelten die Märkte als eher verschlossen, vor allem was repräsentative Aufgaben betrifft. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel.

Feste transnationale Partnerschaften

2017 eröffnete in Brüssel das Haus der europäischen Geschichte, das mit seiner Dauerausstellung zur jüngeren europäischen Geschichte die EU stärken und „Heimat der europäischen Identität“ werden soll, wie es zur Eröffnung hieß (siehe auch Seite 30). Für die Architektur dieses unionstragenden Baus ist eine Kooperation zweier Büros aus Frankreich und Deutschland verantwortlich.

Auf der Rückseite vom Haus der europäischen Geschichte wurde der Hof …

Die Kölner Architekten von JSWD und ihre Pariser Kollegen von Chaix & Morel et Ass. gingen bereits gemeinsam in den internationalen Wettbewerb, der 2009 ausgelobt worden war und 2011 für das deutsch-französische Team entschieden wurde (Statik: TPF Engineering, Brüssel). Beide Büros kooperierten nicht zum ersten Mal. Konstantin Jaspert von JSWD erzählt: „Das Kennenlernen kam durch Vermittlung eines Freundes zustande. Wir haben bei der Partnersuche Wert darauf gelegt, dass wir beide gleich entwurfsstark sind und ähnliche Schwerpunkte haben. Die Franzosen sind vielleicht etwas stärker in den ersten Leistungsphasen, wir in den späteren.“ So können beide Büros von der grenzüberschreitenden Kooperation profitieren, wie Jaspert berichtet: „Das Besondere an den gemeinsamen Projekten ist, dass bei gemeinsamen Workshops, die wir in kleineren Teams von vier bis acht Personen stets durchführen, die Entwürfe intensiver als üblich diskutiert werden. Sie müssen sozusagen durch ein engeres Sieb, bis sie von allen schließlich akzeptiert werden.“

… mit einem gläsernen Volumen aufgefüllt.

So produktiv sie sind: Feste transnationale Partnerschaften wie im Fall von JSWD sind die Ausnahme. Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war ein gemeinsamer Wettbewerb für das Projekt art’otel im Rheinauhafen Köln im Jahr 2004. Hier – wie später beim bisher größten gemeinsamen Projekt, dem Thyssenkrupp-Headquarter in Essen – war die Kooperation jedoch ausschlaggebend für den Gewinn des Wettbewerbs. Warum? „Der Glaube in Deutschland an internationale Büros ist unerschütterlich“, so Jaspert. Man traue Franzosen, wie bei der Mode, eben ein höheres Maß an Entwurfs- und Designqualitäten zu. „Dafür sind wir Deutsche für unsere sorgfältige Planung und ingenieurtechnisches Know-how geschätzt.“ Offensichtlich in der Außenwirkung eine gute Kombination.

Doch wie setzt man eine solche länder-übergreifende Zusammenarbeit nach der erfolgreichen Akquise konkret um? JSWD regelt das ganz pragmatisch. Die Projekt-Teams sind bilingual mit Kollegen beider Büros besetzt; was schon mit den gemeinsamen Workshops beginnt. Die Leitung hat jeweils das muttersprachliche Büro inne, einschließlich der Aufsicht vor Ort. Die Fassaden – als klar definierte Aufgabe und wichtiges Designelement – wurden im Fall des Brüsseler Museums und des Thyssenkrupp-Headquarters jedoch jeweils nicht vom muttersprachlichen Büro übernommen: Für die Brüsseler Fassade war JSWD verantwortlich (weitere Beratung: Werner Sobek), für die Außenhaut in Essen Chaix & Morel. Die Entwürfe wurden jeweils dem anderen Büro übermittelt, das sie dann in seine Entwurfsplanung integrierte.

Die Vorteile der Kooperation, die man inzwischen auch mit festen Partnern in Italien, Österreich, der Schweiz und Luxemburg aufgebaut hat, liegen damit also nicht nur im Ausland, sondern gerade auch im deutschen Heimatmarkt.

Sportlich: Für Auer Weber Architekten (München) ist die olympische Regattastrecke bei Paris schon das neunte Projekt mit einem französischen lokalen Partner.

Die Feder von München aus führen

Einen anderen Weg der Internationalisierung ging das Büro Auer Weber, das seit rund zehn Jahren Projekte in Frankreich realisiert. Das jüngste steht kurz vor der Fertigstellung: ein Sport- und Freizeitzentrum bei Paris, in dem 2024 die olympischen Kajak- und Ruderwettbewerbe ausgetragen werden (siehe Seite 32).

Auch bei den Münchner Architekten entwickelte sich der Bezug zum Ausland nicht nach einem strategischen Masterplan, sondern zunächst durch persönliche Kontakte: Anfänglich nahm eine Münchner Agentur stellvertretend für das Büro Kontakt zu den französischen Behörden und möglichen Partnern auf und half bei der Erstellung der anspruchsvollen Kandidaturen, die bei Wettbewerben gefordert werden (siehe dazu auch den Beitrag auf Seite 22). Inzwischen bewirbt man sich eigenständig; nicht zuletzt, da die Kenntnisse und Kontakte des Büros ausreichend sind und sich die Bewerbungsprozesse intern professionalisiert haben. Man plane und realisiere die Projekte von Deutschland aus, jedoch jeweils mit einem französischen lokalen Partner, der überwiegend in der Umsetzungsphase vor Ort tätig ist, wie Moritz Auer erzählt. „Wir organisieren in den Entwurfsphasen gemeinsame Workshops, die Federführung liegt jedoch grundsätzlich bei uns“, so Auer. „Die Planungsphasen sind in Frankreich meist kürzer; es gibt klare Zwischenschritte, die jeweils mit einer Validierung abgeschlossen werden. So ist es manchmal möglich, dass ein Team an verschiedenen Projekten gleichzeitig arbeiten kann.“

Der Markt in Frankreich sei nach einer anfänglichen Lernphase auch deshalb interessant, weil Wettbewerbe dort, im Gegensatz zu den hiesigen, meist honoriert würden und die Teilnehmerzahl stark eingeschränkt sei, so Architekt Auer. „Wird man infolge einer Bewerbung zur Wettbewerbsteilnahme eingeladen, muss man meist mit nur zwei bis vier Architekturbüros konkurrieren und kann das finanzielle Risiko stark eingrenzen.“ Allerdings, das Paradies ist auch Frankreich nicht. „Inzwischen“, berichtet Auer, „werden immer mehr Bauaufträge von den Kommunen an Bauunternehmen vergeben, der Architekt ist dann nur noch Planungsbeteiligter des Bauunternehmens.“ Aber auch hier gilt: Da gute Architektur die öffentliche Akzeptanz und Anerkennung der Projekte steigert, sind auch den Bauunternehmen zunehmend gestalterische und entwerferische Qualitäten im Hinblick auf die Wahl der Architekturbüros wichtig.

Inzwischen steht bei Auer Weber mit dem Wassersport- und Freizeitzentrum, das die Architekten mit dem lokalen Partnerbüro Octant Architecture realisieren, bereits das neunte Projekt in Frankreich kurz vor der Fertigstellung, zwei weitere sind in Planung. „Wir wollen die Planung dieser spannenden Projekte, die neben dem Sport- und Freizeitbereich vor allem im Bildungssektor liegen, nicht nach Frankreich verlagern. Die internationale Arbeit erweitert unsere Kenntnisse“, berichtet Auer. Zum Beispiel spiegelten sich die französischen Unterrichtsformen, die sich von den deutschen stark unterscheiden, auch architektonisch wider. „Und die Internationalisierung motiviert unser Team, das wir um französische und französischsprachige Kollegen zur Bearbeitung dieser Projekte erweitert haben.“


Auf dem Dach gibt es kleine Terrassen hinter Glaskonstruktionen.

HAUS DER EUROPÄISCHEN GESCHICHTE

Das „Maison de l’histoire européenne“ entstand in einer früheren Zahnklinik aus den 1930er-Jahren, die George Eastman, Gründer des Unternehmens Kodak, für bedürftige Kinder spendete. Architekt war der Schweizer Michel Polak. Das Haus liegt unweit der EU-Institutionen von Kommission und Rat im historischen Leopoldpark.

Die Entwurfsidee bestand darin, den u-förmigen historischen Bau durch eine rückwärtige Erweiterung zu einem Block zu schließen und den zentralen Flügel um drei Geschosse aufzustocken (siehe Seite 29). Zugleich sollte die gläserne Erweiterung mit asymmetrisch eingestellten opaken Ausstellungsboxen den Kontrast zur steinernen Massivität des Altbaus betonen und dem Gesamtkomplex eine leichtere und lebendigere Erscheinung verleihen. Das Innere wurde nahezu vollständig entkernt und um einen zentralen Lichtraum herum neu organisiert. Dieser wird von einer Glasdecke überdacht und über die komplette Höhe von dem verschlungenen Schriftband-Kunstwerk „The Vortex of European History“ beherrscht. Die Rückfassaden der Zahnklinik waren in sichtbarem Ziegel-Mauerwerk ausgeführt worden, das nun im Atrium auf eine filigrane Freitreppe trifft. Sockel- und Erdgeschoss sind Wechselausstellungen vorbehalten. In den Etagen darüber ist auf insgesamt 4.000 Quadratmetern die Dauerausstellung untergebracht.


Das Wassersprotzentrum liegt zwischen der Marne (oben rechts) und dem Lac de Vaires.

WASSERSPORTZENTRUM ÎLE DE VAIRES

Das neue Wassersport- und Freizeitzentrum Île de Vaires nimmt ein früher industriell genutztes Areal zwischen der Marne und dem lang gestreckten Lac de Vaires circa 30 Kilometer östlich von Paris ein. Es ist das Ergebnis eines 2012 durch die Region ausgeschriebenen internationalen Wettbewerbs, den Auer Weber gewannen. Die Anlage bildet ein komplexes Zusammenspiel aus architektonischen und landschaftsgestalterischen Maßnahmen rund um die bestehende 2.200 Meter lange Ruder- und Kajak-Regattastrecke auf dem See. Nach der Renovierung dient sie den Olympischen Spielen 2024 und ist Leistungszentrum der nationalen französischen Sportverbände. Hinzu kommen neue Sportlerunterkünfte, ein Medienzentrum sowie öffentliche Sporthallen und eine Wassersport-Freizeitanlage, die in ein ausgedehntes Landschaftsplateau am Ostufer des Sees integriert werden. Das Herzstück bildet ein als Amphitheater gestaltetes Wildwasserstadion mit drei künstlichen Flüssen, darunter eine 250 Meter lange Kajak-Slalomstrecke. Die schrittweise Fertigstellung des neuen Sport- und Freizeitzentrums (Realisierung mit Octant Architecture, Rouen) ist für dieses sowie das kommende Jahr geplant.


INFORMATION

Grenzenlos versichert

Stolperstein Haftpflicht: Wer als Architekt im Ausland arbeiten möchte, braucht auch eine Haftpflichtversicherung im jeweiligen Land. Das kann zum Problem werden, denn deutsche Policen decken nicht zwangsläufig die Erfordernisse im Ausland ab. Das Architects’ Council of Europe hat daher gemeinsam mit dem europäischen Verband berufsständischer Versicherer GEAAC eine Lösung erarbeitet. Für Projekte in Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien, Luxemburg und Österreich können sich deutsche Architekten über die AIA AG (www.aia.de) auf der Plattform „Inter-Pol“ (internationale Police) schnell und einfach – und in deutscher Sprache – über Prämien und Vertragsgrundlagen im jeweiligen Zielland informieren. Eine Erstanfrage wird innerhalb von drei Tagen bearbeitet. Bei einem Abschluss erfolgt der Versicherungsschutz nach dem Recht des Ziellands. Betreuung, Beratung und wichtige Informationen erfolgen aber weiterhin in Deutsch.

Interessierte wenden sich in Frankreich an MAF,
in Belgien und Luxemburg an AR-CO & EUROMAF,
in Spanien und Portugal an ASEMAS
und in Deutschland und Österreich (u. teilweise Schweiz) an AIA AG / EUROMAF Deutschland.


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