Auf den Mangel an bezahlbaren Wohnungen hat die Wohnungswirtschaft mit einem Bieterverfahren zum seriellen und modularen Bauen reagiert. Darüber wurde viel diskutiert. Wir sprachen mit Jurymitgliedern über die Ergebnisse.
Bauweise mit Holzmodulen: Das Konzept der AH Aktiv-Haus GmbH und der Werner Sobek Group erlaubt ausgeprägte individuelle Lösungen – unter anderem die gewerbliche Nutzung des Erdgeschosses in Innenstadtlagen.
Von Marion Goldmann
Wann immer in der Vergangenheit schnell viele Wohnungen gebraucht wurden, sollte serielles Bauen die Lösung sein. Aus städtebaulicher und architektonischer Sicht ist der große Wurf bisher nicht gelungen; vor allem die Plattenbausiedlungen blieben in schlechter Erinnerung. Heute herrscht wieder Wohnungsmangel. Diesmal fehlt bezahlbarer Wohnraum
vorrangig in den Städten, wo selbst Normalverdiener das Geld für die Miete kaum noch aufbringen können. Doch wie lässt sich der Bedarf schnell und kostengünstig bei gleichzeitig hoher Bauqualität und hohen baukulturellen Ansprüchen decken? Diesen Fragen stellten sich die im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen engagierten Vertreter von Bund, Ländern und Verbänden und regten einen Wettbewerb an. Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen ergriff daraufhin die Initiative und entwickelte zusammen mit dem Bundesbauministerium, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Bundesarchitektenkammer das im letzten Jahr europaweit ausgeschriebene Bieterverfahren für serielles und modulares Bauen. Architekten, Fachplaner und bauausführende Firmen sollten sich mit einem gemeinsamen Konzept bewerben: Rund 50 wurden eingereicht, 15 kamen in die engere Auswahl und neun erhielten schließlich den Zuschlag. Ende Mai wurden die Gewinnerprojekte öffentlich vorgestellt.
Offen für Begegnungen: Das Erschließungs konzept des Aktiv-Hauses fördert die Kommunikation der Bewohner; die Vor- und Rücksprünge der Module bilden Balkone und Freisitze.
Geprüft und bewertet wurden die Konzepte nach festgelegten Kriterien, die neben dem Grad der Vorfertigung, der Energie- und Flächeneffizienz, dem Angebotspreis und der Lieferfähigkeit ebenso die Qualität der Grundrisse und der Architektur sowie städtebaulich variable Gebäude berücksichtigten. Dem dafür einberufenen Bewertungsgremium gehörte auch die BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann an: „Das Ergebnis dieses Verfahrens zeigt, dass anspruchsvolle Architektur und serielles Bauen sich nicht ausschließen müssen.“ Dabei ist die Beteiligung an dem Verfahren nach wie vor unter Architekten strittig. Kritisch wird vor allem die Verschmelzung von Planung und Ausführung gesehen und die gestalterischen Spielräume werden bezweifelt. Um aber auch in dieser Konstellation die Planungskompetenz der Architekten weiterhin zur Geltung kommen zu lassen, hatte die BAK eine Compliance-Vereinbarung eingebracht, um die Augenhöhe von Architekten und Bauunternehmen zu gewährleisten. Denn, so die Befürworter: Wo geplant wird, sind die Architekten generell gefordert. Sie stehen in der Verantwortung, Lösungen für bezahlbaren Wohnraum im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten anzubieten und sich der Herausforderung zu stellen. „Es hat sich bestätigt, dass gute Projekte dabei sind, die zusammen mit freischaffenden Architekten entstanden sind“, sagt Ettinger-Brinckmann. An dem Bieterverfahren beteiligt haben sich große und kleine unabhängige Büros in Bietergemeinschaft mit ausführenden Unternehmen und auch ausführende Unternehmen mit ihren eigenen angestellten Architekten. Jetzt müssen sich die Wohnungsbaukonzepte allerdings in der Anwendung und Umsetzung bewähren. „Entscheidend wird sein, welche Projekte die Wohnungswirtschaft abruft und wie die Architekten in die Umsetzung und die Anpassung der Projekte an die konkrete städtebauliche Situation eingebunden sind“, so die Präsidentin. Zur Bewertung dieses Prozesses ist eine Begleitforschung vorgesehen, an der auch die BAK wieder beteiligt ist.
Modulare Stahlrahmen-Konstruktion: Das Konzept von Alho mit Koschany + Zimmer Architekten setzt auf kompakte Baukörper mit vorgehängten Balkonen als gestalterischem Element.
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Varianten eröffnen Spielräume
Ziel war, mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass serielles und modulares Bauen zu Monotonie führen muss. Die Wohnbauten sollten deshalb flexibel sein, einen Wohnungsmix aufweisen, Balkone und Loggien bieten und sich an verschiedenste Standorte anpassen lassen. Trotz der diversen Konfigurationen – vom Punkthaus über die Zeile bis zur Blockrandbebauung unterschiedlicher Geschossigkeiten – bleibt es abzuwarten, wie zum Beispiel die innerstädtische Nachverdichtung gelingt, denn gerade hier werden die Wohnungen gebraucht. Bei Innenstadtlagen profitieren die Bauherren von der kurzen Bauphase auf der Baustelle aufgrund der Vorfertigung von Bauteilen. Das reduziert die Belästigungen und die Neubauvorhaben stoßen bei den Nachbarn auf eine deutlich höhere Akzeptanz. Außerdem reduzieren sich Ausführungsfehler bei der Erstellung des Gebäudes. Über die Bauweisen der Projekte der Bietergemeinschaften sagt Professor Christian Schlüter, geschäftsführender Gesellschafter von ACMS Architekten aus Wuppertal und Mitglied der Jury: „Angefangen von vorgefertigten Bauteilen bis hin zu kompletten Raummodulen ist eine große Bandbreite an unterschiedlichen Vorfertigungsgraden vertreten.“ Aber wie flexibel sind die Bauweisen hinsichtlich der Grundrisslösungen? Wichtig ist in Zukunft eine Abkehr von herkömmlichen Bedarfsmustern. Grundrisse für „Mutter, Vater, Kind“ mit fest platziertem Mobiliar und Steckdosen haben de facto ausgedient. Zeitgemäße Angebote berücksichtigen den demografischen Wandel sowie neue Lebensformen und -kulturen. Das spiegeln die Projekte durchaus bereits wider. Dazu Jurymitglied Dr. Barbara Janorschke vom Institut für Angewandte Bauforschung Weimar: „Es waren ganz hervorragende Lösungen dabei, die mir gut gefallen und sich dem Thema genähert haben. Wirklich zukunftsweisende Lösungen vermisse ich aber noch. Hier muss auch die Wohnungswirtschaft definieren, wie sie perspektivisch mit Wohnraum umgehen will.“ Bei einer Nutzungsdauer der Gebäude von circa 80 Jahren ist von einem zwei- bis dreimaligen Umbau auszugehen. Es werden also flexible Systeme gebraucht, die innerhalb des Lebenszyklus eine Anpassung an veränderte Bedarfe erlauben. Betrachtet man hierzu beispielsweise den Modulbau als Bauweise mit dem höchsten Vorfertigungsgrad, so ermöglichen die verfügbaren Systeme Öffnungsgrade in bis zu sechs Richtungen. Entscheidend ist, wie die Module konstruiert und aneinandergesetzt werden. „Das setzt ein geschicktes, intelligentes Planungskonzept mit Architekten voraus“, resümiert Barbara Janorschke.
Module aus Stahlbeton: Das Konzept der Lechner Immobilien Development GmbH mit Planquadrat Elfers Geskes Krämer PartG Architekten und Stadtplaner greift eine klassische städtische Fassade mit einer optisch überhöhten Sockelzone auf. Die Grundrisse der Wohnungen sind zusammenschaltbar.
Eine der Möglichkeiten
Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen heißt, die Kosten zu senken. Die Angebotspreise für die Projekte der Bietergemeinschaften liegen zwischen 2.000 und 3.200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Sie werden durch den Rahmenvertrag, den der GdW im Auftrag seiner Mitglieder mit den Partnern der neun Projekte abgeschlossen hat, für fünf Jahre garantiert. Die Wohnungsunternehmen können sich damit ein für sie passendes Modellgebäude auswählen, müssen es aber an ihr zu bebauendes Grundstück anpassen lassen. Bestandteil der Rahmenvereinbarung ist, dass Architekten mit der örtlichen Anpassung beauftragt werden. Damit soll die richtige Einbindung in den städtebaulichen Kontext, einschließlich der Freiraumplanung und der Erschließung, gewährleistet werden. Christian Schlüter bezweifelt, dass dabei viele Aufträge zustande kommen: „Häufig sind hier eher Ingenieurleistungen gefragt.“ Dass der Architektenschaft durch die Projekte der Bietergemeinschaften insgesamt nennenswerte Aufträge verloren gingen, sieht er allerdings nicht. Denn schlüsselfertiges Bauen sei ja nichts Neues, ebenso wie das Bauen mit vorgefertigten Elementen und Systemen. „Die angebotenen Preise zeigen, dass eine projektbezogene Planung durch Architekten durchaus weiterhin konkurrenzfähig ist.“ Daher sieht er für dieses Angebot nur einen begrenzten Markt voraus. Damit wäre auch ein von allen an diesem Vorhaben Beteiligten genanntes Ziel erreicht. „Das serielle und modulare Bauen mit den Modellgebäuden ist nur ein Baustein im Werkzeugkoffer der Wohnbauförderung“, sagt BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann.