
Bereits vergangene Blockaden gegen AfD-Veranstaltungen haben gezeigt, dass politische Versammlungen verzögert, geräumt und medial stark verhandelt werden, zuletzt in Riesa mit 15.000 Teilnehmenden.
Santiago Rodriguez Photography
Eine Bekannte erzählte mir kürzlich, dass sie mit dem Aktionsbündnis „Widersetzen“ die Neugründung der AfD-Jugend blockieren wird. Deren Vorgänger-Organisation wurde als gesichert rechtsextrem eingestuft. Sie erzählte von den geplanten Blockaden und dass sie zivilen Ungehorsam in Kauf nehmen wird, wenn die Polizei versucht, die Straßen zu räumen. Mich fasziniert, wie räumlich und körperlich hier ein politischer Diskurs ausgetragen wird.
Die Planung der Organisator:innen zeichnet ein Bild, in dem die öffentlichen Räume in Gießen für die Zeit des Protests am 29. November einen anderen Nutzen erhalten: „Wir werden mit Tausenden zivilen Ungehorsam leisten, um ein deutliches Zeichen zu setzen und der faschistischen AfD-Jugend direkt den Raum zu nehmen.“ Zusätzlich wird es an dem Tag auch Kundgebungen mit Musik- und Kulturprogramm geben. So will „Widersetzen“ die gesamte Gießener Bevölkerung einbeziehen.
Die Ansammlung der Körper macht den Raum politisch
Die Protestierenden wählen strategische Knotenpunkte aus, um den Zugang zur Versammlung zu stoppen, und machen so Kreuzungen und Straßen zu Orten des Widerstands – wie Noa Sander vom Presseteam „Widersetzen“ sagt: „Rechte Raumnahme geht immer mit Gewalt einher, diesem Verbrechen dürfen wir keinen Zentimeter Raum lassen.“
Blockaden sind keine spontanen Gesten, sondern kalkulierte Aneignungen von Zugängen, Sichtachsen und Wegen. Die Protestierenden nehmen den Rechten mit ihren Körpern den Raum. „Wenn wir uns mit unseren Körpern der AfD widersetzen, ist das unglaublich kraftvoll“, so Noa Sander. „Auf den Straßen Gießens wird für jede*n von uns der Mut, gemeinsames Füreinander und die Solidarität mit allen, die für eine gutes Leben für alle stehen, körperlich spürbar.“
Grenzen im öffentlichen Raum
Der öffentliche Charakter des Raums ist umstritten und sogar umkämpft, wenn sich Menschenmengen versammeln. Diese Form des Widerstands schreibt Politik buchstäblich in die Stadt – und testet zugleich die Grenzen dessen, wie Recht in der Theorie und Polizei in der Praxis den öffentlichen Raum regulieren. Über die sichtbare räumliche Auseinandersetzung kommen Protestierende oft in Konflikt mit der Polizei. Sie setzt die Verkehrsregeln, das Versammlungsrecht und das staatliche Gewaltmonopol durch. Die Linien zwischen legitimen zivilgesellschaftlichen Aktionen und polizeilicher Durchsetzung sind oft umkämpft.
„Dabei ist für uns klar: Von uns geht keine Eskalation aus. Man muss sich wegen den gewaltbereiten Rechten, die sich an diesem Tag organisieren wollen, Sorgen machen und nicht wegen unserer Proteste“, so „Widersetzen“.
Wie widersetzt sich Architektur dem rechten Raum?
Das performative Verhältnis, dass Körper und Raum hier eingehen, zeigt wie das Politische lebt und entzieht sich vielem, was Gestalter:innen planen können. Wenn unsere Gestaltung keinen Einfluss auf den Protest hat, betrifft er uns Architekt:innen und Planer:innen dann überhaupt?
Dieses Pferd zäumt sich von vorne besser auf: Ich kenne viele Architekt:innen und Planer:innen, die offene Räume und niedrigschwellige Begegnungsorte gestalten möchten. Sie wollen Orte unterstützen, die Kommunikation und Diskurs fördern, ohne Konsumzwang. Das bleibt ein frommer Wunsch, solange es dafür keine Aufträge oder Förderungen gibt. Wichtige Förderprogramme, etwa das Bundesprogramm „ Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“, laufen aus. Damit verschiebt sich auch die Handlungsfähigkeit von Kommunen und Planenden.
Aussitzen reicht nicht
Wir sind davon abhängig, wer in der Realpolitik am Hebel sitzt. Inklusive Orte der Gemeinschaft wird es mit erstarkenden rechten Parteien weniger geben. Das stellt das Institut für Rechtsextremismusforschung im aktuellen Monitoring fest: „Auch gegenwärtig kommt der Kategorie Raum in extrem rechten Diskursen besondere Bedeutung zu, insbesondere in Bezug auf die räumliche Kategorisierung des Eigenen in Abgrenzung zum Fremden.“
Darum ist es für unseren Berufsstand wichtig, sich am realpolitischen Diskurs, an Protesten bis hin zu Blockaden teilzunehmen. Es reicht nicht, das Erstarken der Rechten auszusitzen, hält „Widersetzen“ fest: „Für Faschismus braucht es keine aktive Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft. Die Geschichte hat gezeigt, dass fehlender konsequenter Widerstand ausgereicht hat. Rechte Raumnahme geht immer mit Gewalt einher, Gewalt gegen alle die in einer freien und gerechten Gesellschaft leben wollen.“
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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