
Typisierung, Einfachheit und soziale Verantwortung: Das waren auch die Leitlinien der Berliner Großsiedlung Siemensstadt (1929-1931), heute Weltkulturerbe der UNESCO.
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Ein Gespenst geht um in der Architekturwelt – das Gespenst des seriellen Bauens. Wo bislang jedes Projekt als Unikat gefeiert wurde, kündigt sich eine tiefgreifende Transformation an: weg vom einmaligen Entwurf, hin zur wiederholbaren, skalierbaren Lösung. Was für einige nach einem Verlust an Kreativität klingt, ist in Wahrheit eine Chance: für bessere, gerechtere und ressourcenschonendere Architektur. Aber nur, wenn wir sie bewusst gestalten.
Ein Blick zurück: Bauhaus reloaded?
Die Architekturgeschichte kennt Wendepunkte. Das Bauhaus war ein solcher. Walter Gropius forderte eine neue Werkgesinnung: Typisierung, Einfachheit, soziale Verantwortung. Das Ziel war nicht das schöne Einzelstück für die Elite, sondern das gute Leben für viele. Heute, im Zeitalter der Klimakrise und der digitalen Fertigung, stehen wir wieder an einem solchen Punkt.

Der Bochumer Community Campus in Modulbauweise: Planende können Einfluss darauf gewinnen, in welcher Qualität auch solche Vorhaben entstehen.
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Serielles Bauen: Gefahr oder Fortschritt?
Serielles Bauen meint nicht, dass jedes Haus gleich aussehen soll. Es meint, dass wir in Systemen denken: Bauteile, Module, Prozesse. Standardisierung wird dabei nicht zur Einengung, sondern zur Ermöglichung. Wer einmal ein gutes System hat, kann Varianten erzeugen, Qualität sichern, Abläufe beschleunigen. Architektur wird nicht zur Massenware, sondern zum konfigurierbaren Baukasten.
Das klingt nach Fortschritt – und ist es auch. Aber eben nicht automatisch. Wo der Trend zu vorgefertigten Produkten allein von Tech-Konzernen, großen Baunternehmen und Investoren getrieben wird, droht die Architektur zur Dienstmagd des Marktes zu verkommen. Es braucht Architekt:innen, die das serielle Bauen mitgestalten. Architekten, die Systeme entwickeln und nicht nur nutzen. Architektinnen, die ästhetische, soziale und funktionale Intelligenz in die Module einschreiben. Sonst droht das, was der Plattenbau des 20. Jahrhunderts schon einmal vorexerziert hat: Monotonie, Entfremdung, soziale Kälte.
Endlich bezahlbar und schnell bauen
Wenn wir es richtig machen, kann serielles Bauen der Weg sein, um endlich das zu bauen, was wir seit Jahrzehnten fordern: bezahlbaren, klimafreundlichen, qualitätsvollen Raum für alle. Und das nicht nur als Ausnahme, sondern als Regel. Die Vorfertigung im Holzbau, die Entwicklung konfigurierbarer Wohnsysteme, modulare Schulen, adaptierbare Pflegeeinrichtungen – sie alle zeigen, dass serielles Bauen nicht das Ende der Architektur bedeutet, sondern ein neues Kapitel sein kann.
Aber dazu müssen wir die Regeln für serielles Bauen mitgestalten. Müssen über gestalterische Standards, über architektonische Verantwortung und über Ethik im digitalen Bauen sprechen. Müssen Typologien überdenken, Standardmaße aktualisieren, Ästhetik neu verhandeln. Und: Wir müssen aufpassen, dass das neue „Gute“ nicht wieder zum exklusiven Statussymbol wird, sondern zugänglich bleibt. Die grüne Luxusvilla ist kein Fortschritt.
Serielles Bauen wird die nächsten Jahrzehnte prägen
Serielles Bauen wird kommen. Die Frage ist, ob wir mitmachen und an welchen Stellen: Wo bringen wir uns ein? Wo setzen wir Standards? Wo wird Architektur zum Treiber und nicht zum Getriebenen?
Denn klar ist: Wer jetzt nur auf die Verluste schaut, verpasst die Gestaltungschance. Wer aber serielles Bauen als Gestaltungsaufgabe begreift, kann die Baukultur der nächsten Jahrzehnte prägen. Die Zukunft wird gebaut. Die Frage ist nur: von wem und wie.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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