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Architektur muss politisch werden

Demografie, Klimawandel, Rechtsruck: In dieser Situation können sich die Architektenkammern nicht darauf zurückziehen, den Abbau von Baugesetzen und Verordnungen einzufordern. Architektur muss sich politisch einmischen.

27.02.20243 Min. 2 Kommentar schreiben
Markus Müller Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg
Moniert unbewegliche Baupolitik in Deutschland: Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg.

Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Architektur muss politisch werden“ im Deutschen Architektenblatt 03.2024 erschienen.

„Architecture is a political act, by nature.“ Der Satz des amerikanischen Architekten Lebbeus Woods ist aktuell wie nie. Die deutschlandweiten Proteste gegen Rechtsradikalismus scheinen fern unserer berufsständischen Themen. Sie sind es nicht. Tatsächlich hat sich in der Gesellschaft – in Teilen berechtigt – der Eindruck staatlicher Orientierungslosigkeit auch und gerade im Bereich des Wohnens und Bauens festgesetzt.

2 Gedanken zu „Architektur muss politisch werden

  1. Vielen Dank für den erfrischenden Beitrag. Nur die letzten Worte „es könnte notwendig sein“ sind mir zu zaghaft. Es ist notwendig und ich habe den Eindruck die AKBW macht das auch.

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  2. Der Aufruf „Architektur müsse politisch werden“, klingt zunächst gut, entpuppt sich aber in der Form als beliebig. Architektur ist durch ihre gebaute Realität (Eingriffe in die Umwelt, große gesetzliche Reglementierungen, wirtschaftliche u. gestalterische Bedeutung) immer gesellschaftlich äußerst relevant u. damit auch immer politisch. Das gilt auch wenn es keinen akuten Wohnungsmangel gibt.
    Es scheint wenig erfolgversprechend, dass Architekten sich besonders auszeichnen würden, in dieser Zeit ein politisches Signal gegen die Radikalisierung unserer Gesellschaft setzen zu können. Der Blick in die Baugeschichte oder auch auf die aktueller, besonders spektakulärer Bauaufgaben mit ihren antidemokratischen, autokratischen Bauherren, gerade durch die Ausgezeichnetsten unserer Zunft prägt vorrangig die politische öffentliche Wirkung von Architekten. Selbst einen politisch glaubwürdigen kritischen Diskurs hierzu sucht man vergeblich in Veröffentlichungen unserer Kammerorgane. Hier fokussiert man sich lieber nur auf die Architektur und hält sich mit politischer Kritik vornehm zurück.
    Was unseren Berufsstand aber auszeichnet und unsere besondere gesellschaftliche Stellung rechtfertigt, hörbar macht, ist unsere relativ breite Fachkompetenz. Hier liegt auch die Möglichkeit/Lösung, als Berufstand der „Architekten“ besonders indirekt politisch glaubwürdig wirkungsvoll agieren zu können um der wachsenden Radikalisierung unserer Gesellschaft entgegen zu wirken.
    Leider wurde dies wohl versäumt, weil eben falsch verstandener politischer Idealismus über technischen Sachverstand gestellt wurde. Längst hätte man sich nicht politisch, sondern fachlich einbringen müssen in den unzähligen TV-Diskussionen, in denen sich hauptsächlich radikal ideologische Laien unsachlich gestritten hatten. Schon im Vorfeld waren doch auch die gesellschaftlichen Folgen dieser unabgestimmten u. in vielerlei Hinsicht sachlich unqualifizierten GEG-Novelle absehbar. Die Novelle wurde schon mittels falscher Kostendarstellungen in der Gesetzesbegründung geplant (vorliegende DENA-Zahlen wurden scheinbar als vernachlässigbar betrachtet) und trotz vom Bundestag selbst beauftragter Sachverständigen-Stellungnahmen wurde unbeeindruckt die Novelle, die nur in ihrer Radikalität ideologisch begründbar war, beschlossen. Der Konsequenzen war aber gerade die von Heizungs-Gebäudesanierung betroffene, relativ große Bevölkerungsgruppe sich direkt bewusst. Erwähnt sei nur die diskriminierende geplante Altersgrenze von 80 Jahren oder nun entsprechende Einkommensnachbesserungs-versuche/Grenzen. Dies offenbart die einfach von der Regierung ignorierte oder unüberlegte, gesellschaftliche wirtschaftliche Überforderung durch die Novelle. Von fehlender Infrastruktur ganz zu schweigen. Einhellige Meinung von Praktikern bei Fortbildungsveranstaltungen dazu: „das funktioniert eh nicht“. Die Kammern müssen sich daher den Vorwurf gefallen lassen, dort ihre gesellschaftliche Verantwortung nicht wahrgenommen zu haben durch begleitende fachkompetente konstruktive Kritik. Gelegenheiten gab es in den öffentlich-rechtlichen Medien wohl genug. Eine breit vermittelte Fachkompetenz durch Ingenieur- u. Architektenkammern in der politischen/medialen Diskussion hätte dieses katastrophale Gesetz wahrscheinlich verhindert und somit eine politische Radikalisierung verhindern geholfen. Zumindest hätte es die Glaubwürdigkeit von Demokratie bestärkt. Die Fehler bei der Novelle sind so gravierend, dass anders als im Artikel-Aufruf dargestellt, nicht das untere Drittel der Einkommensgrenze, sondern die Mittelschicht (besonders Rentner u. Rentnerinnen) besonders hart getroffen werden. Die immensen notwendigen staatlichen Förderungen, im Text als Lösung angesprochen, sind bei den radikalen, kurzen Zeitzielen nicht leistbar und auch für den Klimaschutz nicht sinnvoll umsetzbar. Zudem gefährdet man damit sogar den sozialen Zusammenhang unserer Demokratie, wie man jetzt sieht. Dies sagen u. beweisen die von der Ampelregierung selbst im Vorfeld berufenen Gutachter. Das planlose Tempo ist nur ideologisch begründbar und unterstützt unnötig eine Demokratie-Verdrossenheit und Radikalisierung unserer Gesellschaft. Der demokratischen Gesellschaft und der (gebauten) Umwelt wäre sicher mehr geholfen, wenn Architekten aufzeigen helfen was technisch realisierbar ist aber auch welche Kosten der Gesellschaft entstehen.

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