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[ Kommentar ]

Europawahl: Unterstützung statt Hindernisse

Was macht die ­Europäische Union aus? Und wie kann sie uns helfen, statt uns zu behindern? Ein Kommentar von Ralf Niebergall, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer

Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer Ralf Niebergall
Ralf Niebergall, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer

Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Unterstützung statt Hindernisse“ im Deutschen Architektenblatt 05.2024 erschienen.

Am 9. Juni haben wir die Wahl: Wir können über die Zusammensetzung des EU-Parlaments mitbestimmen. So ein Wahltag ist Anlass, grundsätzliche Fragen zu stellen: Was macht die Europäische Union aus? Ist es der Binnenmarkt? Sind es die gemeinsamen demokratischen Werte?

Europa trotz Vorschriften unverzichtbar

Der Binnenmarkt ist im globalen Wettbewerb unverzichtbar, auch wenn uns manche seiner Regeln heftig zusetzen – etwa die Abschaffung verbindlicher HOAI-Mindestsätze oder Vorschriften für die EU-weite Ausschreibung von Planungsleistungen, die selbst kleinste Bauvorhaben betreffen und Planer wie Vergabestellen in den Wahnsinn treiben. Wir kämpfen darum, hier wieder ein vernünftiges Maß einkehren zu lassen. 

Kleinteilige Kulturräume in Europa

Demokratische Werte drohen auch in der EU abhandenzukommen, wenn antidemokratische Kräfte Einfluss auf die Politik gewinnen. Das zu verhindern, wäre schon ausreichend Grund, zur Wahl zu gehen.

Aber noch etwas anderes macht Europa aus. Eine ehemalige Mitarbeiterin von mir hatte einige Jahre in Australien gelebt. Plötzlich tauchte sie in Leipzig wieder auf. Als ich sie fragte, warum, antwortete sie: „Wenn ich dort 1.000 Kilometer fahre, ist es immer dasselbe. Wenn ich 1.000 Kilometer durch Europa fahre, durchquere ich Kulturräume von faszinierender Vielfalt. Das hat mir gefehlt.“ Und tatsächlich: In diesem Radius erreicht sie Göteborg, Vilnius, Zagreb, Florenz, Paris und alles, was dazwischenliegt; auch Lwiw in der Ukraine.

Kleinteilige Planungslandschaft

Die Erhaltung und Förderung jener kleinteiligen Kulturräume spielt bei den EU-Institutionen eine nur geringe Rolle. Das ist falsch! Die regionale Kleinteiligkeit stiftet Identität. Sie erlaubt es, Zivilgesellschaft mit den Menschen zu gestalten. Die dringend notwendige Schonung globaler Ressourcen verlangt nach regionalen Wirtschafts- und Materialkreisläufen.

Dazu gehört auch eine kleinteilige Planungslandschaft; Architektinnen, Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplaner vor Ort, die Transformationsprozesse im Dialog und in Kenntnis örtlicher sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Bedingungen steuern und gestalten. Das hatte Ursula von der Leyen verstanden, als sie den europäischen „Green Deal“ mit der Idee des Neuen Europäischen Bauhauses verband.

Verbindliche Ziele statt lähmende Vorschriften

Damit daraus aber mehr wird als ein kurzlebiger Marketinggag, müssen die Erkenntnisse auf Vergabepraxis, Wirtschafts- und Förderpolitik durchschlagen. Unterstützung bei den Herausforderungen in unserer Planungslandschaft ist gefragt, nicht neue Hindernisse. Sei es im Umgang mit der KI, beim Aufbau von Datenbanken zur Lebenszyklusbewertung oder gegen die Marktmacht von Softwareherstellern.

Oft beklagt wird die europäische Regelungswut. Klar: Wenn drängende Probleme nur auf Unionsebene zu lösen sind und gemeinsamen Werteversprechen Taten folgen müssen, braucht es Regeln. Um aber Akzeptanz zu gewinnen, sollten sich diese auf verbindliche Ziele konzentrieren, statt kleinteilige Vorschriften zu erlassen, die Kreativität und Innovationskraft lähmen. Gut gemeinte Förderinstrumente, deren Bedingungen so kompliziert sind, dass sie keiner in Anspruch nehmen mag, nützen wenig.

Es braucht mehr Vertrauen

Und schließlich braucht es mehr Vertrauen in die Kompetenz unserer Berufsstände. Wir sind in der Lage, komplexe Probleme ganzheitlich zu betrachten und vor allem auch zu lösen. Dafür brauchen wir eine EU-Richtlinie, die die Planung unserer stadt- und landschaftsräumlichen Umwelt Fachleuten zuweist, die davon etwas verstehen.

Technokratische Zertifikate für alles und jedes schaffen keine Baukultur. Viel Gesprächsstoff also für eine noch bessere Europäische Union zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Ralf Niebergall, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer

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