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[ Ausstellung ]

Krankenhaus-Architektur: Räume zum Gesundwerden

Eine Ausstellung im Münchner Architekturmuseum zeigt nicht nur gelungene Gesundheitsbauten aus aller Welt, sondern gibt Planenden auch Kriterien für eine humane Gestaltung an die Hand

Von Christoph Gunßer

„Never build a hospital!“, hieß es früher unter Architekten, denn „sickness is not sexy“. Tatsächlich gibt es wohl kaum einen Planungsbereich, der so bürokratisch verregelt ist und unter dem Diktat von Ökonomie und Effizienz ächzt. Doch nicht erst in der Pandemie wurde deutlich, wie überfordert und letztlich ineffizient dieses Gesundheitswesen ist – auch weil es die Bedürfnisse von Kranken wie Pflegenden nicht ernst genug nimmt.

Heilende Architektur: sieben Kriterien

„Heilende Architektur“ als Ausweg ist gewiss ein hehrer Anspruch. Doch was gemeint ist, versteht, wer im Architekturmuseum der TU München die in der sehenswerten, weil gründlich recherchierten Ausstellung „Das Kranke(n)haus – Wie Architektur heilen hilft“ gezeigten Beispiele betrachtet. Mehrere der Projekte entstanden in Ländern des globalen Südens, wo, so scheint es, oftmals elementare menschliche Bedürfnisse wichtiger genommen werden als technische Perfektion.

Sieben Zutaten respektive Kriterien gehören aus Sicht der Ausstellungsmacherin Tanja C. Vollmer, Architekturpsychologin und seit 2019 Gastprofessorin an der TU München, zu einer solchen heilsamen Bauweise:

  • Orientierung
  • Geruchs- und Geräuschkulisse
  • Privatheit und Rückzugsräume
  • Möglichkeiten für Kontemplation und Ablenkung
  • Aussicht ins Freie
  • generell ein menschliches Maß
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Klinik-Check nach humanen Kriterien

In einem Lehrforschungsprojekt untersuchten Masterstudierende der TU München am Lehrstuhl für Architekturgeschichte und kuratorische Praxis mit Kuratorin Lisa Luksch neuere Kliniken auf solche Eigenschaften. Aus dieser evidenzbasierten Methode gingen dreizehn Kliniken hervor, die für zumindest einen Aspekt mustergültig sind.

Auch große Krankenhäuser können gut sein

Auf eigens gezeichneten Isometrien werden diese Qualitäten wie in einem Wimmelbild hervorgehoben, sodass auch Fachfremde sie verstehen. In diesem Hauptteil der Ausstellung sind durchaus auch große, institutionelle Klinik-Komplexe vertreten, denen es aber gelingt, die Baumassen so herunterzubrechen, dass sich Kranke, Besuchende wie Pflegende nicht verloren, sondern wohl und geborgen fühlen.

Cluster-Kliniken statt Großstrukturen

Immer wieder taucht dabei das Muster kleinteiliger Cluster-Strukturen auf, die viele Architekten im Krankenhausbau seit Langem für vorteilhaft halten. Ein gutes, naheliegendes Beispiel dafür ist das Kreiskrankenhaus Agatharied, das Nickl & Partner schon 1998 als Kette von Pavillons konzipierten und seinerzeit gegen starke Widerstände durchsetzten. In einem aktuellen Film bekommt das filigrane Haus in der Ausstellung durchweg sehr gute Noten. Anwälte der Effizienz bemängeln an den Clustern indes die fehlende Flexibilität, die die immer noch üblichen linearen Flur-Layouts bieten.

Anlaufstellen für Nachsorge und Fürsorge

Bereits zum Einstieg in die Ausstellung zeigt eine Reihe kleinerer Therapie- und Nachsorgeeinrichtungen unter dem Oberbegriff „Experiment“, wie fürsorglich Architektur sein kann. Hier werden etwa einzelne der Maggie´s Centres vorgestellt, überschaubare Häuser für Krebskranke. Diese intimen Einrichtungen, von denen es in Großbritannien bereits zwei Dutzend gibt, erfüllen eigentlich alle der sieben genannten Kriterien und enthalten also wichtige Lehren für die notwendigen großen Kliniken.

Ein Beitrag zur Debatte um die Kliniken der Zukunft

Die Ausstellung ist dem Thema gemäß unprätentiös und kleinteilig gestaltet. Modelle und zum Teil Filme ergänzen die Schautafeln. Eine Großgrafik zeigt eine aufschlussreiche Timeline, die wichtige Klinikbauten mit medizinischen Erfindungen und Epidemien in Bezug setzt. In einem separaten Raum gibt es einschlägige Bücher und ein Forum für Workshops zum Thema.

Karl Lauterbach ist Schirmherr

In Deutschland gibt es derzeit 1887 Krankenhäuser, von denen 70 Prozent defizitär arbeiten – und ihre öffentliche Wahrnehmung ist im Allgemeinen schlecht. Die gerade (unter dem Schirmherrn der Ausstellung, Gesundheitsminister Karl Lauterbach) begonnene Reform hin zu mehr ambulanter Betreuung und zur Spezialisierung der Kliniken bietet da vielleicht die Chance, auch das räumliche Angebot neu zu gestalten.


Buchcover Das KrankenhausBis 21. Januar 2024 ist die Ausstellung „Das Kranke(n)haus – Wie Architektur heilen hilft“ im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne täglich außer montags geöffnet.

Das Buch zur Ausstellung

Tanja C. Vollmer, Andres Lepik und Lisa Luksch (Hg.)
Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft
Architangle, 2023
272 Seiten, 55 Euro
Auch als englische Ausgabe erhältlich

Von der Ausstellungsmacherin Tanja Vollmer stammt mit „Architektur als zweiter Körper“ ein weiteres lesenswertes Buch zur Gesundheitsarchitektur.

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1 Gedanke zu „Krankenhaus-Architektur: Räume zum Gesundwerden

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    wenn man den Text zur Krankenhaus-Architektur liest, dann fällt immer wieder auf, dass der größte Teil der Architekten das Thema Hochbau selten bis gar nicht als einen „Gesamtraum“, also Außen- und Innenraum betrachtet. Ich kann ein etwas älteres Buch empfehlen, das die Geschichte vom „Armenhospital zum Großklinikum“ von Axel Hinrich Murken beschreibt (Köln 1988). Der Außenraum spielte einmal eine große Rolle und stellte ein Ensemble dar. Frische Luft war ein Teil des Gesundheitsprozesses. Extreme Beispiele kann man in Millionenmetropolen sehen, wo ein Hochhaus als Krankenhaus neben anderen Hochhäusern steht – mit schöner Aussicht auf eine Spiegelglasfassade.

    Der Mensch wird in der Medizin oft nicht in seiner Gesamtheit gesehen, deshalb wird er auch i.d.R. nicht umfassend gesund, wir kennen die eklatanten Mängel im deutschen Gesundheitssystem.

    Wenn wir Planer*Innen dies aber auch nicht schaffen, Innen- und Außenraum als eine zwingende Aufgabe guten, sozialen Städtebaus anzusehen, dann zeigt dies unsere Schwäche, komplexe Aufgaben zu bewältigen. „Never build a hospital!“, hieß es früher unter Architekten, denn „sickness is not sexy“. Tatsächlich gibt es wohl kaum einen Planungsbereich, der so bürokratisch verregelt ist und unter dem Diktat von Ökonomie und Effizienz ächzt. So schreibt Herr Gunßer in DABonline. In diesen Sätzen steckt auch eine Arroganz, dass man dieses Thema nicht nötig hat – zumindest früher. Man kann nur hoffen, dass alle Beteiligten, die mit Krankenhäusern (eigentlich Gesundungshäuser) heute zu tun haben, bessere Wege gehen werden.

    Mit freundlichem Gruß

    Andreas Paul

    Prof. Dipl.-Ing. Andreas Paul Landschaftsarchitekt
    Projektentwicklung + Nachhaltige Ortsentwicklung
    Amtsgartenweg 7, 79410 Badenweiler + Sitz in Mainz
    Mitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz
    mob 0163 / 170 81 34; a.o.paul@t-online.de

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