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[ Nachwuchs-Kolumne #168 ]

Interdisziplinarität im Studium: Wie geht das?

Damit Planungsberufe später zusammenarbeiten, muss damit schon an den Unis begonnen werden. Fünf Uni-Projekte, wo Studierende aus der Architektur mit denen aus dem Bauingenieurwesen, der Landschaftsarchitektur oder der Biologischen Abwasserreinigung gemeinsam geplant haben

Bau eines Hauses mit Holzskelett und Ausfachung aus Lehm
TH Köln: bau.cameroon ist ein fakultätsübergreifendes Projekt, das sich mit traditionellen und ressourcenschonenden Baumethoden in Kamerun beschäftigt und diese praxisnah erforscht. Studierende aus den Fachrichtungen Architektur und Bauingenieurwesen aus Kamerun und Deutschland erarbeiteten erst in kleineren Teams, dann gemeinsam ein Konzept. Abschließend wurde der Prototyp eines Bücherpavillons auf dem Campus in Köln gebaut (Bachelor und Master semesterübergreifend)

Von Lorenz Hahnheiser

Erst vor etwa 60 Jahren fand der Begriff Interdisziplinarität überhaupt in die Universitäten. Vorher wurde die Spezialisierung im eigenen Fach für das entscheidende Ziel gehalten. Der Philosoph Karl Popper drückte seinen Unmut dazu aus, indem er schrieb: „Wir studieren ja nicht Fächer, sondern Probleme.“

Interdisziplinarität findet sich in den Verstrebungen und den Zwischenräumen der Disziplinen. Voraussetzung dafür ist ein klares Selbstbild der eigenen Disziplin und die Anerkennung ihrer Grenzen. „Einfach so“ lässt sich die Expertise einer anderen Disziplin nicht aufgreifen. Im Gegenteil, viel qualitätsvoller ist die Arbeit derer, die mit ihrer Expertise eine klare Zuständigkeit abstecken können und wissen, wo sie aufhört.

Lageplan Ludwigshafen mit Rathaus Center
TU Berlin: Das Rathaus-Center Ludwigshafen sowie die damit verbundene Hochstraße Nord sollen abgerissen werden, um eine ebenerdige Stadtstraße zu bauen. Das Studio hat den Abriss hinterfragt und Alternativen aufgezeigt. Das hier gezeigte Konzept „Transforming Borders: Instead of dividing – connecting and guiding“ setzte sich mit den Grenzen von Architektur und Landschaftsarchitektur auseinander und konnte ganz nebenbei Brücken zwischen den Disziplinen schlagen (Master semesterübergreifend).

Interdisziplinarität ist mehr als die Summe ihrer Teile

Wo genau die Grenzen verlaufen, handeln die Beteiligten in konkreten Fällen immer wieder neu aus. Dabei müssen sie unterschiedliche Hindernisse überwinden. Bei einem Projekt ist zu Beginn oft unklar, ob und wer Anspruch auf die Federführung eines interdisziplinären Teams erheben oder die Gestaltungsautonomie bestimmter Aufgaben beanspruchen kann. Im Umgang gilt es, die eigene Fachsprache abzulegen um auf Augenhöhe in Kontakt zu treten – sei es gegenüber anderen Planer:innen oder den Beteiligten aus dem Handwerk.

Modell einer Halle mit Dach aus Stahlfachwerk
TH Nürnberg: Arboretum ist ein Entwurf für den Nürnberger Tiergarten. Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die lokale Flora und Fauna zu erforschen, verfügt das Arboretum über zwei getrennte Gewächshäuser mit regelbarem Mikroklima. Der Forschungskomplex ist mit einer pädagogischen Ausstellung kombiniert. Nach einer gemeinsamen Konzepthase der Studiengänge Statik, Gebäudetechnik und Architektur arbeiteten die Disziplinen wechselseitig ihre Kompetenzen ein (4. Bachelorsemester).

Expertise ja, Deutungshoheit nein

Das Selbstbildnis der eigenen Disziplin steht zwangsläufig auf dem Prüfstand. Einerseits sollte man klar vermitteln, in welchem Aufgabenbereich die eigene Expertise liegt. Andererseits gilt es, zurückhaltend mit der eigenen Deutungs- und Gestaltungsrolle umzugehen, um den anderen Disziplinen und dem was dazwischen liegt, Raum zu geben. Nur in einem gleichberechtigten Team können die Expertisen auch gleichwertig zur Geltung kommen und Unverhofftes entdeckt werden. In dieser, wie in manch anderer Hinsicht, bewegt sich auch die Welt des Bauens weg von der Zeit der großen Architekturidole, hin zu breit aufgestellten Teams.

Lageplan mit Grünanlagen
TU München: Im Entwurfsprozess zum Projekt am Rappenweg stand das Team vor der Aufgabe, ein Quartier zu entwickeln, das sowohl den baulichen Bestand als auch bestehende Baumstrukturen sinnvoll einbindet. Dabei ergänzten sich Kompetenzen aus der Landschaftsarchitektur und der Architektur unter einer ebenfalls interdisziplinären Leitung zweier Lehrstühle (4. Bachelorsemester).

Die großen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nicht in Einzelarbeit lösen

Im Studium wie in der Praxis wird schon seit einiger Zeit Interdisziplinarität gefordert – und dies zunehmend. In der Lehre klappt das auch hier und da, jedoch in überschaubarem Ausmaß. In der Praxis werden bereits häufig multidisziplinäre Teams gesucht und zu Wettbewerben geladen. Die Nachwuchsvernetzung Nexture+ vertritt bis dato die junge Generation der Architektur und Innenarchitektur, öffnet sich aber nun auch der Landschaftsarchitektur und der Stadt- und Raumplanung. Die großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen müssen wir gemeinsam angehen. Soziale und ökologische Themen lassen sich nicht in Einzelarbeit lösen.

Lageplan mit Grundriss und Bäumen
THOWL Detmold: „Das Nest“ ist ein Wettbewerbsentwurfs für ein Tiny-House-Ensemble entlang des Weserradwegs in Höxter. Die konzeptionell und konstruktiv planenden Innenarchitekturteams wurden ergänzt durch Studierende der Biologischen Abwasserreinigung und Abwasserverwertung, die dem Nutzungskonzept entsprechende Lösungen ausarbeiteten (6. Bachelorsemester).

Wie Interdisziplinarität in der Praxis aussieht und aussehen könnte, diese Frage treibt auch die Plattform für junge Architektinnen und Architekten der Architektenkammer Baden-Württemberg um. Nun lädt sie ein, am 15. September 2023 vor Ort in Stuttgart oder online an der Veranstaltung What if …?! teilzunehmen.


Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, nutzt die Zeit vor dem Master für erste Bauerfahrungen und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.

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