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[ Drei Projekte ]

Wohnen im Alter: Alternativen zum Seniorenheim

Ein Großteil der älteren Menschen in Deutschland bewohnt weitaus mehr Fläche, als sie brauchen und instand halten können. Ein Umzug steht oft trotzdem außer Frage – auch weil es an attraktiven Alternativen mangelt. Drei Neu- und Umbauprojekte aus verschiedenen Regionen Deutschlands haben sich dem Problem angenommen

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Alternativen fürs Alter“ im Deutschen Architektenblatt 07.2023 erschienen.

Diese drei Beispiele stellen wir vor:

Von Simone Hübener

Auf dem Markt verfügbare Wohnungen sind für ältere Menschen oft wenig geeignet: Sie bieten im Vergleich zu den Einfamilienhäusern, die viele von ihnen so lange wie möglich bewohnen, zu wenig Privatsphäre, außerdem fehlen oft ein gut nutzbarer Freibereich und ein gewisses Maß an Barriere­freiheit. Doch es gibt sie, die attraktiven Alternativen zum eigenen Haus.

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Wohnen im Alter in Pulheim: wie ein edles Reihenhaus

Zum Beispiel vor den Toren Kölns in Pulheim-Sinnersdorf, wo die evangelische Kirchengemeinde auf ihrem Grundstück zehn barrierefreie Wohnungen errichten ließ – und dabei mit dem Kölner Büro Zeller Kölmel Architekten auf die neuralgischen Punkte achtete.

Die Struktur des Wohnhauses erinnert mit seinen fünf kleinen Pultdächern viel mehr an Reihenhäuser als an ein Mehrfamilienhaus. Diese Gliederung setzt sich in den Rücksprüngen und in den versetzt angeordneten Terrassen fort, die ebenso geschützte Räume bieten wie die kleinen Nischen auf der Eingangsseite vor jeder Wohnungstür. Auch das Hochparterre leistet einen Beitrag zur so wichtigen Privatsphäre und schützt vor neugierigen Einblicken. Die Tiefgarage wurde deshalb nur so weit ins Erdreich eingegraben, dass sie noch einen Meter über die Geländeoberkante hinausragt und damit einen Sockel für den Neubau bietet.

Mehr Wohnqualität für das Alter

Zusätzlich sorgt die erhöhte Lage dafür, dass die Erdgeschosswohnungen vom nahe stehenden Gemeindehaus weniger verschattet werden und die Tiefgaragenrampe kürzer geplant werden konnte. Dies kommt dem Gemeinschaftsgarten zugute. Der ist aufgrund des Hochparterres von der eigenen Wohnung aus nur über Stufen zu erreichen – wer es barrierefrei braucht, nimmt den Weg außen herum über den Laubengang.

Mit dieser feinen Gliederung fügt sich der Neubau mit fünf 3-Zimmer-Wohnungen im Erdgeschoss und fünf 2-Zimmer-Wohnungen im Obergeschoss bestens in die Umgebung ein. Bei der Formfindung standen die in der Gegend typischen Scheunen sowie die meist giebelständigen, sehr kleinen Landarbeiterhäuschen Pate. Das Architektenteam kombinierte die Vorzüge beider Typen und plante statt mit einem Sattel- mit einem Pultdach, um in den oberen Wohnungen größere Deckenhöhen und damit mehr Wohnqualität zu erreichen.

Unterschiedliche Einrichtungsstile möglich

Das für die Fassade verwendete Klinkermauerwerk ist ebenfalls typisch für die Region und verleiht dem Wohnhaus ein hochwertiges Erscheinungsbild. Im Bereich des Treppenhauses löst es sich in ein Lochmauerwerk auf, das ein schönes Licht-und-Schatten-Spiel erzeugt und vom beteiligten Ingenieurbüro Klünker statisch nachgewiesen wurde.

Mit den glatt verputzten weißen Wänden, dem hellen Linoleum und den Fenstern mit mittelgrauen Rahmen präsentiert sich das Innere der Wohnungen qualitätvoll schlicht und somit als gute Grundlage für unterschiedlichste Einrichtungsstile. Erfreulich ist, dass der Plan der Kirchengemeinde, hier Wohnraum zur Miete für ältere Menschen zu schaffen, aufgegangen ist: In neun der zehn Wohnungen leben ältere Alleinstehende oder Paare.

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Wohnen im Alter in Oberursel: Umbau, Anbau, Aufstockung

Während die Mieter in Pulheim das homogene Wohnumfeld schätzen, stand beim Umbau und bei der Erweiterung der Aumühle in Oberursel bei Frankfurt am Main das Miteinander der Generationen im Vordergrund. Die Eigentümer ließen auf dem großen Grundstück, das von baumbestandenen Gärten und alten Villen umgeben ist, elf barrierefreie Wohnungen und acht große Familienwohnungen realisieren (Ursprungsmiete durchschnittlich 13,10 Euro pro Quadratmeter).

Eng in die Planung eingebunden waren die Mitglieder des ortsansässigen Vereins Wohntraum e. V., die Interesse an den Seniorenwohnungen bekundeten. Mit der Fertigstellung des Projekts Anfang 2020 sind in alle ältere Menschen eingezogen, was zeigt, dass es den Beteiligten gelungen ist, ihre Bedürfnisse einzubringen.

Von der Fabrik zum Mehrgenerationenhaus

Entstanden sind die neuen Wohnungen an einem geschichtsträchtigen Ort: Die Anfänge der Aumühle reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Während in der ersten Zeit Getreide gemahlen wurde, war das Gelände später Sitz eines leder- und dann eines kunststoffverarbeitenden Unternehmens. Bis in die 1960er-Jahre hinein wurde die Mühle in mehreren Bauabschnitten erweitert und entwickelte sich dadurch zu einem großen Gebäudekomplex, der sich deutlich von seiner Umgebung abhob.

Mit dem Umbau und der Erweiterung ist es nun gelungen, den Großteil der Bestandsbauten, die seit 2015 leer standen, zu erhalten und sie gleichzeitig in die Wohngegend einzupassen. Einen maroden Fachwerkbau von 1904 und ein Bürogebäude von 1957, dessen Tragwerk bereits im Ist-Zustand komplett ausgelastet war, ließ das Team der Büros Kupke und Lambeck Architekten sowie Urbanlogic abreißen.

Seniorenwohnungen und Gemeinschaftsgarten

Ersetzt wurden sie durch einen schlichten, weiß verputzten Neubau, der die Kubatur einer vorhandenen Produktionshalle fortsetzt, beide zusammen nehmen die barrierefreien Wohnungen auf. Ein durchgehendes, neues Dachgeschoss in Holzständerbauweise verbindet Alt und Neu miteinander. Durch den Abriss wurde auch der bis dato verbaute Haupteingang zur Mühle wieder freigelegt.

Das dahinter liegende, großzügige Foyer dient nun als Zugang zum Treppenhaus der Seniorenwohnungen und zu den beiden Gemeinschaftsgärten. Diese ermöglichen Begegnungen, die über zufällige Treffen in den halböffentlichen Bereichen hinausgehen. Besonders ist die Integration des Mühlbachs: Vom Garten kommend, läuft das Wasser über einen Speier ins Gebäude, fällt an der Stelle des teilweise erhaltenen Mühlrads in die Tiefe und fließt im historisch überwölbten Mühlgraben weiter.

Familienwohnungen in Industriehalle

Die Familienwohnungen finden in einer zweiten Produktionshalle aus den 1960er-Jahren Platz, deren massive Träger und Stahlbetondecken sichtbar bleiben. Die Bezüge der Handläufe sind aus den noch vorhandenen Lederbeständen der ehemaligen Produktion gefertigt. Der wertschätzende Umgang mit dem Vorhandenen zeigt sich ferner darin, dass einige Holz-Glas-Elemente aus den abgerissenen Büros in die Wohnungen integriert wurden.

So verwandelten die Eigentümer mit ihrer sozialen Einstellung gemeinsam mit den Architekten ein Ensemble aus heruntergekommenen Industriebauten in einen lebenswerten Ort für Alt und Jung und investierten dafür 4,9 Millionen Euro netto (Kostengruppen 100, 300 und 400).

Was passiert im Pflegefall?

Für viele Menschen sind diese Wohnungen ein guter Ort, um ihren Lebensabend zu verbringen. Aufgrund der Barrierefreiheit und der Anbindung an eine Hausgemeinschaft sind sehr gute räumliche und soziale Voraussetzungen geschaffen. Das Einzige, was schwierig werden könnte, ist eine möglicherweise gewünschte Pflege in den eigenen vier Wänden. Hier ist es eine Herausforderung, in einer herkömmlich zugeschnittenen Wohnung die Privatsphäre aller zu wahren.

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Wohnen im Alter in Dessau: vorbereitet auf die Pflege

Eine vorausschauende Lösung für den Pflegefall hat die Wohnungsgenossenschaft Dessau mit dem Architekturbüro Heide & von Beckerath verwirklicht. Der Clou: Jede der 25 Mietwohnungen in dem Dessauer Neubau wurde mit zwei Versorgungsschächten ausgestattet. Dadurch lassen sich die 75 Quadratmeter großen 3-Zimmer-Wohnungen mit relativ wenig Aufwand in 2-Zimmer-Wohnungen mit angegliedertem Appartement umbauen. Dort könnte dann eine Pflegekraft einziehen. Ebenso ist eine Vermietung an eine Studentin oder einen Studenten möglich – beispielsweise nach dem Ansatz des Projekts „Wohnen für Hilfe“.

Entstanden ist der Neubau auf einem Eckgrundstück der Gropiusallee, auf dem der Bestandsbau abgerissen worden war. Die unmittelbare Nähe zum Bauhausgebäude verpflichtet zu einer hochwertigen Fassadengestaltung, die das Team des Berliner Büros mit einer Vormauerschale aus Klinker umsetzte. Schiebeläden aus pulverbeschichtetem Blech sorgen in den zur Straße ausgerichteten Räumen bei Bedarf für die nötige Privatsphäre. Gleichzeitig sieht das Wohnhaus dadurch immer etwas anders und lebendig aus.

Vorausschauende Grundrisse

Die Fassaden des L-förmigen Gebäudes, die zum Garten hin zeigen, sind schlicht verputzt und rosafarben gestrichen. Den Erdgeschosswohnungen sind kleine private Gärten zugeordnet, die Wohnungen in den oberen Etagen verfügen über großzügige Balkone, die immer von zwei Zimmern aus zugänglich sind. Darin zeigt sich bereits, dass das Architektenteam nicht in Räumen, sondern in Raumzusammenhängen dachte und eine flexible Nutzung der Wohnfläche vorbereitete. Ein Durchwohnen von der Straße zum Garten, hier von Ost nach West, ist ebenso möglich wie ein eher quadratischer Wohn-Ess-Kochbereich mit dem Schlafzimmer zur Straße hin.

Bauliche Flexibilität gibt Denkanstoß für Wohnen im Alter 

Die Bäder, die derzeit alle mit Badewanne und Dusche ausgestattet sind – die Wohnungsgenossenschaft wollte ihren noch agilen Mieterinnen und Mietern zusätzlich zur Dusche auch eine Badewanne bieten – können mit relativ geringem Aufwand in ein rollstuhlgerechtes Bad umgebaut werden. Diese bauliche Flexibilität und das Commitment des Vermieters, die Bewohnerinnen und Bewohner möglichst lange im Haus zu halten, machen das Projekt zum Vorbild und geben einen Denkanstoß – müssen wir doch dringend die architektonischen Möglichkeiten besser nutzen, um vielen Menschen ein Altwerden in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.

 

Alle Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt „Wohnen“.

 

2 Gedanken zu „Wohnen im Alter: Alternativen zum Seniorenheim

  1. Guten Tag,

    schön, dass Sie das Thema „Wohnen im Alter“ aufnehmen und drei Beispiele vorstellen, die von der Anmutung sehr gelungen sind. Allerdings wundert es mich, wie Barrierefreiheit ausgelegt wird. Einige Aspekte greife ich heraus: In Pulheim sind die Wohnungseingangstüren für Menschen, die einen Rollator oder Rollstuhl nutzen, von außen nicht gut zu öffnen – hier fehlt der seitliche Abstand von mindesten 50 cm zum Türdrücker. Die Türen zu den Bädern gehen fast alle nach innen auf, der Raum bietet durchaus Platz für einen großzügigeren Duschbereich, in dem auch eine eventuelle Pflege komfortabel durchgeführt werden könnte. Leider haben die Stufen zum Garten (bedauerlich, dass bei möglichen Mobilitätseinschränkungen der Umweg über den Laubengang vorgesehen ist) nur einen einseitigen Handlauf, der nicht über die erste und letzte Stufe hinaus geht, Stufenmarkierungen für Menschen mit Seheinschränkungen fehlen. Das Treppenhaus mit „Augenschmaus“ bei Sonnenschein kann durch die starken Schattenspiele seheingeschränkte Personen irritieren, eine Orientierung wird erschwert.

    Wie der rollstuhlgerechte Umbau der Bäder in dem Objekt in der Dessauer Gropiusallee mit relativ geringem Aufwand vonstattengehen soll, erschließt sich mir aus den Plänen nicht – schon der Zugang müsste geändert werden, der Duschbereich verlegt (es sei denn die Badewanne ist so vorgerichtet, dass ein bodengleicher Duschbereich möglich ist). Und: Ein Umbau ist immer teurer als die rollstuhlgerechte Planung im Neubau. Attraktiv und nachhaltig wäre eine Mischung in den 25 Wohnungen: Wenige Bäder mit Badewanne, einige mit barrierefreien Duschbereichen und ein paar Wohnungen im R-Standard.

    Schade, dass die Vorgaben der DIN 18040-2 nicht konsequent eingehalten wurden, auch im Hinblick auf Menschen mit Seheinschränkungen. Barrierefreiheit kann auch ästhetisch umgesetzt werden und führt auf jeden Fall zu mehr Komfort und Sicherheit, gerade im Alter.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Nicole Bruchhäuser

    Antworten
  2. Guten Tag Frau Bruchhäuser,
    Sie haben recht damit, dass die Standards der Barrierefreiheit bei den vorgestellten Projekten nicht 100%ig eingehalten wurden. Ich kann aber auch sehen, dass damit Einsparungen erreicht wurden (bei Mietwohnungen nicht unwichtig) bzw. auch andere Qualitäten verwirklicht wurden.
    Ich komme vom Niederrhein und der rotbraune Klinker, die Kleinteiligkeit und „Enge“, das entspricht so sehr der Anmutung, die ich aus Dörfern am Niederrhein kenne. Ich kann nachvollziehen, dass der Wechsel vom Haus zur Wohnung im hohen Alter für die Menschen ein großer Schritt ist, der sich durch „Bekanntes“ leichter verschmerzen lässt.
    Die Schattenspiele: Orientierung durch bessere Sichtbarkeit ist wichtig, ja, aber ehrlich gesagt, den eigenen Hauseingang findet man doch auch so. Vielleicht ist es ebenso wichtig, dass z. B. Besucher beeindruckt sagen: „Schön wohnst du hier!“
    Barrierefreiheit ist wichtig, aber bitte kein kalter „HEWI-Stil“, gerade bei Älteren bitte mehr fürs Gemüt!
    Freundliche Grüße,
    Dorothee Kühn

    Antworten

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