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[ Nachwuchs-Kolumne #128 ]

Effekt und Egopush: Architektur unter der Oberfläche

Architektur sollte sozial funktionieren und umweltverträglich sein. Im besten Fall überzeugt das Ergebnis auch ästhetisch. Ärgerlich wird es, wenn es nur noch um den rein oberflächlichen Effekt geht

Warnschild vor dem Ego
Architektur hat sozial hoffentlich einen nachhaltig positiven Effekt. Effekthascherei für’s Ego brauchen wir nicht.

Von Johanna Naara Ziebart

Architektur mit ihrem gesamten baulichen Umfeld ist für Menschen gemacht und wirkt sich auch auf diese aus – optimalerweise sogar positiv. Oft steht aber der optische Effekt im Vordergrund. Die großen Architekturbüros kämpfen mit immer extravaganteren Entwürfen um die wenigen Bauplätze unserer Städte. Um Nachhaltigkeit geht es dabei nur bei der Wirkung – Stichwort Bilbao Effekt. Doch der ist mindestens fragwürdig. Und so frage ich mich – und damit bin ich nicht allein –, warum setzen sich die angehenden Akteur:innen der Baubranche im Studium und in ihren Entwürfen mit der Umwelt auseinander und in der gängigen Praxis wird da wenig drüber nachgedacht?

In einem Wahlpflichtfach an der Uni hatten wir uns ausgiebig mit den Zukunftsaufgaben unserer Branche beschäftigt und vor allem erst einmal Fragen gesammelt, unter anderem: Wie sieht die Innenarchitektur der Zukunft aus? Wie müssen wir in Zukunft bauen? Wie werden wir Räume verstehen müssen? Wir haben viel diskutiert und uns oft im Kreis gedreht, weil wir auf Anhieb keine Antworten fanden. Keine Antworten in Form von neuen Gebäuden, neuer Lehre, neuem Umgang mit der Erde, neuem Umgang miteinander oder neuen Denkweisen.

Ein nachhaltiger Effekt ist oft unscheinbar

Stattdessen haben wir schnell gemerkt, dass einige Akteur:innen im Bauwesen fast ausschließlich daran arbeiten, unsere Umwelt weiterhin zu versauen: Sie setzen auf oberflächlichen, optischen Effekt – wohl auch, damit ihr eigenes Ego gepusht wird. Jedes Mal, wenn neue Architektur von großen, namenhaften und gefeierten Büros in meinem Instagram-Feed angezeigt wird, deabonniere ich sie. Wen feiern wir da eigentlich im großen Maße ab? Da werden Gebäude als „innovative Architektur“ angepriesen, die angeblich die Herausforderungen der Stadt von morgen meistern. In einer solchen Stadt von morgen möchte ich persönlich nicht leben. Es bleibt bei leeren Wort- und Gebäudehülsen – aber immerhin gibt es Egopush.

Es gibt so viele Menschen, die täglich daran arbeiten, unsere Städte zu verbessern, damit wir gesund und menschenwürdig leben können. Die sich Konzepte und Strategien ausdenken, die Städte und Menschen analysieren, Bücher schreiben, damit dieses Wissen auch verbreitet wird. Das Buch „Soft City“ von David Sim etwa, der lange für und mit Jan Gehl gearbeitet hat, fasst ganz gut zusammen, wie unsere Städte eigentlich aufgebaut werden sollten. Effekt bedeutet hier nicht Show, sondern langfristige Wirkung.

Dicke-Hose-Architektur: wie ein SUV auf Parkplatzsuche

Es wäre zum Beispiel schön, wenn wir in kleinen Quartieren wohnen, in denen alles, was man zum Leben braucht, innerhalb von 15 Minuten zu Fuß erreichbar ist. Gut wären Häuser, die sich um einen Innenhof orientieren, der für alle gleichermaßen zur Verfügung steht, deren Erdgeschosse für die Allgemeinheit da sind – und aus Geschäften, Cafés und so weiter bestehen. In dem Buch gibt es außerdem Lösungen für Straßen mit den verschiedensten Verkehrsmitteln, für die Fassaden von Häusern, für Begrünung, Häuserecken, Haltestellen und vieles mehr.

Es gibt also klare Antworten darauf, wie wir besser leben könnten, wie gutes Leben in der Stadt funktioniert. Trotzdem kommt immer wieder ein Architekturbüro um die Ecke, platziert eine Unverschämtheit mit hohlem Knall-Effekt in den Stadtraum und versucht das auch noch als Innovation zu verkaufen.

Architektur hat einen enormen Einfluss auf die Gesellschaft sowie die Umwelt – und eine lange Halbwertszeit. Deshalb sollte sie nicht entworfen werden, um kurzfristig Ego-Bedürfnisse zu befriedigen. Wer sein Ego pushen will, kann immer noch mit einem dicken SUV durch die engen Straßen unserer Städte schleichen und auf Parkplatzsuche über die Stadtplaner:innen fluchen, die Städte für Menschen entwickeln und nicht für dicke SUVs.


Johanna Naara Ziebart studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.

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