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[ Buchtipp ]

Architekturzeichnungen quer durch die Jahrhunderte

Der renommierte Stuttgarter Architekturhistoriker Klaus Jan Philipp präsentiert und interpretiert Architekturzeichnungen zwischen Nutzen und Schönheit. Sein opulentes Buch ist dabei nicht nur Bildband, sondern auch theoretische Einordnung

Architekturzeichnung Großraumbüro mit Glasfassade
Helmut Jacoby: Willis Faber and Dumas Building, Ipswich / Foster Assoc., 1973 / zur Verfügung gestellt von: Birkhäuser

Von Christoph Gunßer

So paradox es klingt: Mehr noch als das konkrete Architekturerlebnis weckt die Zeichnung in Vielen die Begeisterung für die gebaute Welt (so war das jedenfalls beim Autor dieser Rezension). Sowohl Skizzen als auch exakte Pläne bringen das Wesen eines Bauwerks besser zum Ausdruck als die oft banale Realität. Und die Darstellungsweise hat sich immer wieder gewandelt. Während heute raffinierte Renderings meist einem Fotorealismus huldigen, gab es in früheren Zeiten weit subtilere Repräsentationsformen.

Bauträumereien als Bestseller

Opulente Bücher mit Architekturdarstellungen waren in früheren Zeiten Bestseller. Karl-Friedrich Schinkel etwa wusste seine romantischen Träumereien teuer auf Papier zu verkaufen, ebenso Giovanni Battista Piranesi zuvor, ohne eine Bauabsicht damit zu verfolgen. In dieser Tradition steht dieser Band nur insofern, als er hochwertig gemacht und auch nicht billig ist.

Architekturzeichnungen sortiert wie ein Lehrbuch

Über den Reiz der Abbildungen hinaus bietet der Architekturgeschichts-Professor Klaus Jan Philipp aber ein analytisches, fast lehrbuchhaftes Werk: Klar sortiert es die Zeichnungen (es ist auch manches Gemälde dabei) nach Art der geometrischen Projektion in Grundriss, Aufriss, Schnitt sowie kombinierte Zeichnungen und nichtperspektivische Projektionen. Diese Techniken werden nicht groß erläutert, sodass die Lektüre eher etwas für Fachleute ist. Praktisch ist aber, dass die meisten Zeichnungen nicht nur technisch kommentiert werden, sondern auch etwas zum Bauwerk erklärt wird.

Architekturzeichnung Wüste, Garten, Pool
OMA, Alex Wall: The Pleasure of Architecture, ca. 1984 / zur Verfügung gestellt von: Birkhäuser

Überraschende Zusammenschau des Ungleichzeitigen

Der Fokus auf die Darstellungstechnik führt zuweilen zu überraschenden Crossover-Erlebnissen, etwa wenn Isometrien von Paolo Portoghesi und Walter Gropius auf einer Doppelseite auftauchen. Gropius, das sei angemerkt, hat kaum selbst gezeichnet, er ließ zeichnen – auch dieses Delegieren und die damit verbundene Frage der Autorschaft ist Thema im umfangreichen Text, der in sehr großen Blöcken angeordnet und darum etwas schwer zu lesen ist. Der Stil ist jedoch nur in Teilen trocken. Gerade im Epochenvergleich erweist sich der Autor als ungemein kundig und weiß manche Anekdoten einzuflechten. Auch zum Wandel der Genres gibt es profunde Einblicke, etwa zur Konkurrenz von Axonometrie und Perspektive.

Postmoderne als Folge des Farbdrucks?

Das Buch zeigt die ganze Bandbreite der Zeichnung: Riesige Prospekte, ein besonders dröger aus dem Barock sogar zum Ausklappen, wechseln mit Bastelbogen-gleichen Zusammenschauen, Wuselbild-artigen Isometrien und grazilen Miniaturen. Vielleicht gibt es etwas zu viel Barockes in der Auswahl (was wohl der opulenten Quellenlage aus dieser Zeit zuzuschreiben ist). Geschätzt nicht einmal ein Viertel der Werke stammt aus der Moderne und Postmoderne.

Dass letztere sich auch dem Fortschritt der Reproduktionstechnik zum Farbdruck verdanke, wie der Autor mutmaßt, dürfte indes eher ein Randmotiv sein. Aber es stimmt: Architektur-Zeitschriften erschienen noch bis in die 1980er-Jahre durchweg in Schwarz-Weiß und selten im Hochglanzdruck, sodass etwa Grundrisse und Texte wichtiger waren als der „schöne Schein“ opulenter (und oft retuschierter) Großaufnahmen, die seither viele Magazine prägen. Auch konnte der künstlerische „Überbau“ von Bauprojekten so besser kommuniziert werden.

Architekturzeichnungen als Markenzeichen

Dass ein persönlicher, wiedererkennbarer Zeichenstil bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert aufkam, lässt sich bestens nachverfolgen. In den letzten Jahrzehnten wird die Präsentation regelrecht zum Markenzeichen: Eine Grafik (anfangs in Tusche auf Seide) von Arata Isozaki oder eine Zaha Hadid-Perspektive erkennt man auf Anhieb. Leider fehlt zum Beispiel der weniger künstlerische (oder gekünstelte) Zeichenstil eines Günter Behnisch, der mit seiner Leichtigkeit eine ganze Richtung zeitgenössischer Architektur prägte. Das wäre wohl ein eigenes Buch wert. In diesem Buch liegt der Fokus auf historischen Entwicklungen. Immerhin gibt es zarte Pläne von Frei Ottos Netzstrukturen und Jørn Utzons Sydney Opera.

Architekturzeichnungen bleiben aktuell

Wie früh die Architekturzeichnung bereits hochentwickelt war, darüber staunt der Betrachter immer wieder. Als Medium, um Bauherren zu überzeugen, aber auch aus reiner Freude am Raum hat die Zeichnung eine sogar jahrtausendalte Tradition. Die wird auch mit CAD und BIM nicht enden, da ist sich Philipp sicher. Das Zeichnen hilft zweifellos, den Raum zu denken, zu begreifen – aller bequemen Simulationstechniken zum Trotz.

 

Klaus Jan Philipp
Architektur – Gezeichnet. Vom Mittelalter bis heute
Birkhäuser, 2020
352 Seiten, 79,95 Euro

 

 

 

 

 

 

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