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[ Regenerative Anlagentechnik ]

Für die Zukunft gerüstet

Eine Freiburger Wohnungsgenossenschaft hat ein denkmalgeschütztes Ensemble durch regenerative Anlagentechnik energetisch saniert und spart 50 Tonnen CO2 im Jahr.

Von Claudia Siegele

Die Ökohauptstadt Freiburg ist immer für ein solares Pilotprojekt gut – zahlreiche Initiativen und Pioniervorhaben zeugen davon. Nicht nur weil im Breisgau, der „Toskana Deutschlands“, mehr als anderswo im Land die Sonne scheint, finden sich hier überdurchschnittlich viele Beispiele, wie mit effizienten und nachhaltigen Konzepten der Anteil regenerativer Energie vorangetrieben und so die Energiewende unterstützt wird. Dass dies nicht nur mit Neubauten funktioniert, zeigt ein Solarthermie-Demonstrationsprojekt an einem denkmalgeschützten Mehrfamilienhaus-Ensemble im Stadtteil Herdern. Hier versorgen 191 Quadratmeter Kollektorfläche über ein Mikronahwärmenetz in Kombination mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) und einem Gas-Brennwertkessel für Spitzenlasten die Gebäude mit Wärme und Strom.

Der um einen Innenhof gruppierte Wohnblock in der Emmendinger Straße ist das erste und älteste Gebäude der Wohnungsgenossenschaft Bauverein Breisgau. Der nahezu komplett geschlossene Block aus zehn Stadthäusern mit insgesamt 92 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten umfasst knapp 5.000 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Gebaut in den Jahren 1903 und 1904, gehört die Anlage aus der Gründerzeit zu den begehrteren Wohnlagen in der Stadt, allerdings mit dem Nachteil einer nicht mehr zeitgemäßen Heizwärmeversorgung: Die meisten Wohnungen waren mit einer Gas-Etagenheizung ausgestattet, um heiß duschen zu können und die Heizkörper warm zu bekommen. Manche Mieter hatten sogar noch Einzelöfen in ihren Räumen stehen. Insofern sah sich der Bauverein im Rahmen der 2015 durchgeführten Sanierung gezwungen, die Einzelfeuerstellen durch eine zentrale Wärmeversorgung über ein Mikrowärmenetz zu ersetzen.

In Absprache mit der Stadt Freiburg, die einerseits über den Denkmalstatus des Ensembles zu wachen hatte, andererseits aber das Potenzial der Solarwärme im Mehrgeschosswohnungsbau fördern möchte, entstand die Idee eines Solarthermie-Demonstrationsprojektes. Gefördert vom Badenova Innovationsfonds und vom BAFA, erklärte sich der Bauverein Breisgau in Freiburg bereit, das ambitionierte Projekt unter der wissenschaftlichen Begleitung vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) umzusetzen. Obwohl rund ein Drittel der Neubauten in Deutschland mit Solarthermieanlagen ausgestattet wird, hat dieser oft unterschätzte Baustein für die Wärmewende eine solche Unterstützung bitter nötig: Nach Angaben des Umweltbundesamtes deckt die Solarthermie nur rund ein Prozent des Wärmeverbrauchs in Privathaushalten ab.

Freiburger Wohnensemble: Auf jedem Dach der zehn denkmalgeschützten Gebäude sind Aufdach-Solarthermie-Kollektoren installiert. Sie sind über ein Mikrowärmenetz mit der Heizzentrale und den dezentral verteilten Pufferspeichern verbunden.

Das Konzept: hybride Anlagentechnik

Insgesamt 76 Kollektoren in Aufdach-Montage sind auf den Dächern der Wohnanlage verteilt, obwohl der Bauverein Breisgau dazu bereit war, etwas mehr Geld für die Anlage in die Hand zu nehmen und sie als Indach-Konstruktion vorzusehen. Dies lehnte jedoch die Denkmalschutzbehörde ab, weil eindeutig erkennbar bleiben sollte, dass die Kollektoranlage ein modernes „Add-on“ auf den mehr als hundert Jahre alten Dächern darstellt. Eine gestalterische und baukulturelle Logik, die man getrost hinterfragen darf, da die Ästhetik der Dachlandschaft dadurch nicht unbedingt einen Gewinn erfährt.

Wie dem auch sei – die Sonnenkollektoren erbringen eine Leistung von rund 134 Kilowatt an thermischer Energie (circa 50 l/m2 Kollektorfläche), die über das Mikrowärmenetz in die zehn Wärmespeicher transportiert und dort gebunkert wird. Die Speicher fassen jeweils zwischen 1.200 und 1.700 Liter Wasser und gehören ebenso zu dem energetischen Konzept wie das kondensierende Blockheizkraftwerk und der gasbetriebene Spitzenlastkessel. Das BHKW erbringt 20 Kilowatt elektrische und 47 Kilowatt thermische Leistung, der Spitzenlastkessel noch einmal 450 Kilowatt.

Jede Wohnung ist zudem mit einer modifizierten Wärmeübergabestation versehen worden, die dank zusätzlich eingebautem Thermostatventil mit Feinfühler im Warmwasseraustritt eine möglichst niedrige Rücklauftemperatur im Heizungsnetz (Primärkreis) garantiert. So bleibt auch bei kurzzeitiger Benutzung, wie zum Beispiel beim Händewaschen, die Rücklauftemperatur während der Warmwasserbereitung niedrig. Dies ist wichtig, um die Temperaturspreizung in den Speichern möglichst hochzuhalten, wodurch sich insbesondere der Solarertrag optimieren lässt.

Das Wärmemanagement des gesamten Heizsystems erfolgt über dezentrale Kontrollsysteme und ist so ausgerichtet, dass die Solarwärme sowohl eingespeist als auch dezentral verbraucht wird. So kann überschüssige Wärme, die von den Speichern in einem Gebäudeteil nicht mehr aufgenommen werden kann, über die Ringleitung an die anderen Häuser verteilt werden. Der vom BHKW erzeugte Strom wird den Mietern über eine Tochtergesellschaft des Bauvereins Breisgau für den Eigenverbrauch angeboten.

Schema der Anlage: Die Zentrale mit BHKW und Gas-Spitzenlastkessel ist in einem der Gebäude im Keller installiert.

Herausforderung: Ermittlung des Heizenergiebedarfs

Mit der Umstellung von Etagen- und Einzelofenheizung auf die zentrale Wärmeversorgung galt es, den Heizenergiebedarf des gesamten Ensembles zu ermitteln. Dazu wurde insbesondere auf die Verbrauchsdaten der Bewohner zurückgegriffen. Ebenso flossen aber auch die Dämmwerte des über 100 Jahre alten Mauerwerks sowie die vorhandenen Heizkörper und Fensterqualitäten in die Berechnung ein. Außerdem beeinflusste die energetische Qualität der Gebäudehülle den Bedarf, die im Einklang mit der Denkmalschutzbehörde in den Bereichen ertüchtigt wurde, wo dies möglich war: so bei der Kellerdecke (10 cm PUR-Dämmplatten, U-Wert 0,23 W/[m2K]), dem Speicherboden (16 cm PUR-Dämmplatten mit Gehbelag aus Pressspan) und dem Mansarddach (Zwischensparrendämmung mit Mineralwolle, U-Wert circa 0,32 W/[m2K]). Der Heizenergiebedarf des gesamten Ensembles beträgt rund 630 Megawattstunden pro Jahr.

In Anbetracht der Gesamtkosten von 1,4 Millionen Euro, von denen allein rund 1,1 Millionen das Mikrowärmenetz inklusive Wärmeübergabestationen, Kesselanlage und Steuerung verschlang, stellt sich für die Wohnungsgenossenschaft vor allem die Frage der Amortisation. Hierzu sind die Mehrkosten für die Einbindung der Solarkollektoren und des BHKW in das Heizsystem maßgeblich, da die Kosten für das Mikrowärmenetz in konventioneller Bauart ohnehin angefallen wären – diese Zusatzkosten lagen bei rund 170.000 Euro. Demgegenüber stehen Einsparungen bei den Gaskosten, Einnahmen durch den Verkauf des BHKW-Stroms sowie Fördergelder des BAFA für die Solarthermieanlage. Setzt man überschlägig einen Gaspreis von 6 ct/kWh an und berücksichtigt die aktuelle Einspeisevergütung für BHKW-Strom, so amortisieren sich die Investitionskosten nach etwa elf Jahren.

Der Rückblick: nur gute Erfahrungen

Nach inzwischen zweijähriger Betriebserfahrung lassen sich die Erkenntnisse aus dem Projekt wie folgt zusammenfassen: Die niedrigen Rücklauftemperaturen erlauben ganzjährig einen hocheffizienten Betrieb des Gesamtsystems. Mit durchschnittlich 63 MWh/a deckt der solare Wärmeertrag rund elf Prozent des Gesamtwärmeverbrauchs ab – in den Sommermonaten steigt der solare Deckungsanteil bis auf 60 Prozent. Das BHKW und der Spitzenlastkessel teilen sich die Bereitstellung der Wärmemenge nahezu mit 46 beziehungsweise 43 Prozent. Die prognostizierte Laufzeit des BHKW wurde mit 6.100 Stunden pro Jahr deutlich übertroffen, der Gesamtwirkungsgrad erreicht im Jahresmittel gut 97 Prozent (rund 30 Prozent elektrisch, 67 Prozent thermisch). Auch die Idee mit dem Mieterstrom kam sehr gut an – mehr als drei Viertel der Mieter haben sich dafür entschieden, die knapp 70 Prozent ihres Stromverbrauchs über das BHKW abdecken können. Der sogenannte Jahres-Mischpreis für Wärme lag im Jahr 2016 bei 12,75 Euro pro Quadratmeter (inkl. Mwst.). Darin enthalten sind die den Mietern in Rechnung gestellten Arbeitspreise, Grundpreise und Messpreise – die Summe wird dann durch die gesamte beheizte Fläche geteilt. Zum Vergleich: Der bundesdeutsche Durchschnitt lag im Vergleichszeitraum (für Fernwärme) bei 13,80 Euro pro Quadratmeter. Nicht nur die Mieter, auch die Umwelt profitieren von dem Konzept: Das Heizsystem erspart der Atmosphäre rund 50 Tonnen CO2 pro Jahr – dies entspricht einer Reduktion von etwa 20 Prozent.

Claudia Siegele ist Baufachjournalistin und Architektin sowie Mitbegründerin von frei04 publizistik in Ubstadt-Weiher bei Karlsruhe


Energetisches Konzept

Einbau einer Zentralheizung und Installation eines Mikronahwärmenetzes, gespeist von einer Solarthermieanlage mit 191 qm Fläche und 134 kW Leistung, bestehend aus 76 Kollektoren. Kombiniert mit einem BHKW mit einer Leistung von 20 kWel und 46,7 kWth. Abgabe des BHKW-Eigenstroms an die Mieter. Spitzenlast des Gas-Brennwertkessels: 450 kW


Erfahrungsbericht

Inzwischen ist ein Erfahrungsbericht erschienen, der die Erkenntnisse des Projektes übersichtlich zusammenfasst. Darin sind auch zwei Diagramme enthalten, die die monatlichen Mittelwerte der produzierten Wärmemenge nebst solarem Deckungsgrad sowie des vom BHKW erzeugten Stroms darstellen. Die Broschüre ist als PDF-Datei frei verfügbar unter:

www.freiburg.de/solarthermie-initiative


Mehr Informationen zum Thema Technik erhalten Sie hier

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