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[ Kinder ]

Kinderhaus statt Eigenheim

Neue Kitas entstehen überall – aber nur selten wird wie jetzt in Ludwigsburg ein Einfamilienhaus in einen Um- und Neubau einbezogen.

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Sozialisiert: Ein früheres Einfamilienhaus (rechts)…

Text: Petra Bohnenberger
Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Eine Studie für die Stadt Ludwigsburg ergab, dass etwa 765 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden mussten. Entsprechend galt es, die bestehenden Einrichtungen umzustrukturieren und neue zu planen.

Ludwigsburg plante daraufhin für jeden Stadtteil mindestens ein Kinder- und Familienzentrum, in dem neben der ganztägigen Kinderbetreuung auch ein Beratungs- und Veranstaltungsprogramm angeboten wird. Für den Stadtteil Poppenweiler erwarb die Stadt ein Grundstück mit einem bisherigen Einfamilienhaus, das von weiteren städtischen Flächen am Ortsrand umgeben ist, und beauftragte das Büro VON M aus Stuttgart mit der Planung des Kinder- und Familienzentrums.

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…ist in das Kinder- und Familienzentrum Ludwigsburg-Poppenweiler integriert. Hier die Ansicht von der Straße.

Durch den Kauf entstand ein größeres städtisches Areal, welches nun nach und nach für Bildungszwecke umgenutzt und erweitert wird. Es gibt dort schon eine Grundschule; später entstehen noch eine Sporthalle und Freibereiche. Das vorhandene Wohnhaus bildete den Ausgangspunkt für den Neubau des Zentrums mit vielfältigen Funktionsräumen auf 1.425 Quadratmetern. Insgesamt 105 Kinder werden hier betreut.

Der Bestandsbau aus den 1990er-Jahren wurde von allen Anbauten wie Erkern und Gauben, Vor- und Rücksprüngen sowie Dachüberständen befreit. Übrig blieb eine klare, eindeutige Kubatur, die den Maßstab für den lang gestreckten Neubau vorgab und gleichzeitig als vermittelndes Element zur umgebenden Bebauung funktioniert – kleineren Wohnhäusern sowie einem großen Schulkomplex.

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Die massiven Außenwände und die Stahlbetondecken des Altbaus konnten erhalten bleiben; lediglich die Fenstergrößen brachten die Architekten auf ein einheitliches Format und passten die weitgehend erhaltene Raumstruktur punktuell den geänderten Anforderungen an. Im Innern wurden die Putz- und Estrichoberflächen erneuert. Durch Reduzierung des Baukörpers konnte die Hüllfläche verkleinert und damit konnten Wärmebrücken minimiert werden.

Der sich anschließende Neubau grenzt sich durch seine Proportionen und die Wahl des Materials deutlich vom Bestand ab, nimmt jedoch die Formensprache der umgebenden landwirtschaftlichen Gebäude und Anbauten wie Scheunen und Schuppen auf. Der 30 Meter lange Baukörper gliedert sich in fünf aneinandergereihte 6-Meter-Abschnitte und passt sich damit wieder der umgebenden Kleinteiligkeit der Wohnbebauung an. Die Traufhöhe wird vom Bestandsgebäude übernommen und läuft über die gesamte Gebäudelänge durch. Die eine Dachneigung entspricht mit 48 Grad der des Altbaus, eine zweite, flachere ergibt sich durch die geringere Firsthöhe. Durch eine wechselseitige Anordnung der zwei unterschiedlichen Konturen entsteht ein Spiel der Dachflächen und Höhen.

Der Neubau wurde im Gegensatz zum massiven Bestand in Holzständerbauweise erstellt. Auf der Nordseite, die etwa 1,50 Meter tiefer liegt als das Straßenniveau, öffnet sich das Gebäude zum Außenspielbereich durch raumhohe festverglaste Fenster in Pfosten-Riegel-Konstruktion. Der Zugang zum Garten erfolgt über eine Tür, die in einem seitlichen Holz-Fassadenelement flächenbündig integriert ist. Auch im Obergeschoss sind lediglich im Holzpaneel Öffnungsflügel zur Lüftung vorgesehen.

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Bedacht: Das Dach-Motiv taucht in dem mobilen Spielhäuschen auf Rollen immer wieder auf.

Die der Straße zugewandte Seite wirkt durch die durchlaufende Holzstruktur geschlossener. Vertikale Holzlamellen schützen auch hier großzügige Glasflächen, ausgeführt als Holz-Aluminium-Verbundkonstruktion. Die Lamellen gewährleisten zum einen ganzjährig Sonnenschutz, zum anderen setzt sich damit optisch die Struktur der scheunenartigen Fassade aus Boden-Deckel-Schalung fort. Zusätzlich sorgt in den Sommermonaten ein seilgeführter textiler Behang, der zwischen der Verglasung und den fest stehenden Lamellen verläuft, für ausreichend Beschattung. Die Fenster lassen sich öffnen, befinden sich jedoch im Luftraum auf Höhe der Obergeschoss-Ebene. Die geschlossenen Fassadenbereiche bestehen ebenso wie auf der Nordseite aus Holzpaneelen.

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Das Holz der Fassade wurde mit einer silbergrauen Lasur versehen, die den Verwitterungsprozess imitiert und gleichzeitig einer ungleichmäßigen Verfärbung durch Regen oder Sonneneinstrahlung entgegenwirkt. Die Dachflächen aus grau patiniertem Titanzinkblech sind farblich der Holzfassade angepasst.

Die Verwaltungs- und Familienräume finden sich im Altbau, die Kindertagesstätte liegt im Neubau. Lediglich der Speisesaal der großen Kinder ragt aus dem Schema heraus und befindet sich im Obergeschoss des Bestands. Ein Großteil der neuen Gebäudetechnik konnte im Dachgeschoss untergebracht werden. In das Gebäude gelangt man über die Rückseite des ehemaligen Wohnhauses. Dort wurde zwischen Alt- und Neubau ein Erschließungskern mit Aufzug errichtet. Damit sind sowohl die Geschosse des Altbaus als auch die dazu versetzten Ebenen des Neubaus barrierefrei zugänglich. Im Innern des Neubaus bringen die hell lasierten Holzflächen der Wände und Decken Ruhe und eine freundliche Atmosphäre in die Räume. Auch alle Möbel wurden aus hellem Holz gefertigt. Mit Farbakzenten, gesetzt durch Spielteppiche oder die Oberflächen der Tische und Bänke, erhalten die Räume Individualität. Farbige Garderoben erleichtern den Kindern zudem die Orientierung. Zusätzlich gibt es mobile Spielhäuser auf Rollen, die als Regale, als Kuschel- und Leseecken oder Schlafplatz genutzt werden können. Die Räume sind offen und unterstützen damit das Konzept der freien Gruppen.

Während die kleinen unter 3-jährigen Kinder im Erdgeschoss ihr Reich haben, mit Bewegungsraum, Nestgruppen- und Schlafräumen, gibt es im Ober- und Dachgeschoss auf insgesamt 270 Quadratmetern Platz für die sieben Funktionsflächen der größeren Kinder. Die Räume im Dachgeschoss können als Werkraum mit kleiner Holzwerkstatt genutzt werden.

Petra Bohnenberger ist Architektin und freie Autorin in Reutlingen.

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