Das könnte Sie auch interessieren
Text: Karin Loosen
Je knapper Wohnungen in einer Region sind, desto größer ist die Gefahr, dass beim Neubau die Qualität leidet. Bei Anbietern ist der Zeitdruck oder die Verlockung rasch zu erzielender Erträge groß; Nachfrager machen notgedrungen Abstriche bei Gestalt und Gebrauchswert. Dem müssen wir gerade in Zeiten mit starker Bautätigkeit vorbeugen.
In Hamburg ist der Wohnungsmarkt besonders angespannt. Entsprechend ehrgeizig ist die Zielmarke des Senats von 6.000 Neubauwohnungen pro Jahr, die 2013 erstmals überschritten wurde. Die Hamburgische Architektenkammer sieht es als ihre Aufgabe an, dass dieses quantitative Ziel auf baukulturell hohem Niveau erreicht wird. Aus diesem Grund beteiligen sich viele engagierte Mitglieder, aber auch wir als Kammer intensiv an Verfahren und am öffentlichen sowie fachöffentlichen Diskurs, zum Beispiel auf den Wohnungsbaukonferenzen in den Hamburger Bezirken und für Gebiete mit besonderen Potenzialen und großem Diskussionsbedarf.
Ein wichtiges Instrument zur Qualitätsverbesserung ist das Bündnis für das Wohnen in Hamburg, das zwischen dem Senat, den Vertretern öffentlicher und privater Bauherren sowie von Mietern getroffen wurde und das auch wir unterstützen und kritisch begleiten. Die Bündnispartner verpflichten sich, auf ihren jeweiligen Aktionsfeldern den Rahmen für einen hochwertigen und nachhaltigen Wohnungsbau zu schaffen. Zentrale Voraussetzung dafür sind qualifizierte Wettbewerbe. Wir haben uns intensiv und erfolgreich dafür eingesetzt, dass sie so häufig wie möglich auch im Wohnungsbau ausgelobt werden. Wettbewerbe sind nunmehr Standard in größeren Entwicklungsgebieten, in schwierigen städtebaulichen Kontexten und generell bei Projekten ab etwa 50 Wohnungen. Sie sind der wichtigste Schlüssel zur Hebung der Qualität. Die Auslobung führt Bauherren, Behörden und Politik frühzeitig zusammen und befördert einen grundsätzlichen Konsens über Ziele und Inhalte; die Wettbewerbsbeiträge bringen immer wieder Lösungen hervor, deren besondere Qualitäten zuvor nicht im Fokus waren oder nicht erreichbar schienen. Zwar handelt es sich um Wettbewerbe mit beschränkter Teilnehmerzahl, doch wir engagieren uns immer wieder dafür, dass sie kein „closed shop“ für die immer gleichen Teilnehmer sind, sondern über Quoten auch jüngeren Büros offenstehen. Natürlich sind wir in der komplexen Realität fern von einem planerischen Idealzustand. Defizite sehen wir in der immer noch zu geringen ressortübergreifenden Zusammenarbeit der Behörden – vor allem im Vorfeld des Bauens. Hier gibt es ein vielstimmiges, aber nicht immer stimmiges Konzert von Meinungsäußerungen. Wir wünschen uns im Interesse der Verfahrensqualität stärker institutionalisierte Verfahren in dieser „Leistungsphase null“, die der Klärung der Aufgabe und des beabsichtigten Leitbilds dient und Bürgerwünsche einbezieht. Es kann auf einem so konfliktträchtigen Feld wie dem innerstädtischen Wohnungsbau keinen völligen Konsens geben – schon gar nicht in einer demokratischen Stadtgesellschaft. Aber es lässt sich viel dafür tun. Das ist eine besondere Chance für unseren Berufsstand mit seinem kreativem Potenzial sowie seiner interdisziplinären Kompetenz als Partner und Qualitätssicherer einer hochwertigen Architektur- und Stadtentwicklung. Ziel ist, dass der häufige Dissens zwischen Stadt, Bauherren und Bürgern nicht zu kräftezehrenden Konflikten und Stillstand führt, sondern dass er für Lösungen fruchtbar gemacht wird, mit denen alle Beteiligten gut leben können.
Karin Loosen ist Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: