Text: Ulrike Meywald
Stadtmobiliar umfasst viele Dinge: neben Bänken, Papierkörben oder Fahrradständern auch begehbare Elemente wie Buswartehallen oder öffentliche Toiletten – schließlich sind sie ebenso Teil jener Mikroarchitektur, die städtische Räume und Plätze prägt. Mit Stadtmobiliar sollen Bilder entstehen, die dem Besucher im Gedächtnis bleiben. Nach den klassischen Kategorien von Kevin Lynch aus den 1960er-Jahren kann man Stadtmobiliar in die Kategorie der Merkzeichen im Stadtraum einordnen, die der Orientierung dienen. Allerdings würden umfassende, ganzheitliche Stadtmöblierungs-Konzepte allzu selten konsequent realisiert, beklagt Nicolas Beucker, Professor für Public & Social Design an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Signifikanz von Stadtmobiliar für das Bild unserer Städte. In jüngerer Zeit ist das Angebot an Stadtmöbeln stark gestiegen – darunter sind viele modische Produkte, die einen behutsamen Umgang eher erschweren. Und häufig erfolgt die Auswahl nur noch per Katalog. Praxisnahe Planung sieht anders aus. Beucker setzt sich für gezielte Entscheidungsprozesse ein. „Oft ist es sinnvoller, statt mehrerer Bänke einen Geländeversprung zum Sitzen anzubieten.“ Das eingesparte Budget lasse sich dann für individuelle Gestaltungen an städtebaulich bedeutenden Orten einsetzen.
Weniger ist mehr
Wie sich mithilfe von Stadtmöbeln verschiedene Funktionen zusammenfassen lassen, zeigt das Projekt Stadthafen I in Münster. Hier wurden durch ein mäandrierendes Betonband entlang der Kaimauer Sitzgelegenheiten geschaffen, die besonders an schönen Tagen sehr beliebt sind. Gleichzeitig bildet das Betonband eine Barriere zum Wasser und schützt so vor einem unfreiwilligen Bad im Hafenbecken. Außerdem wird die Hafenpromenade zwischen Kaimauer und den angrenzenden Gebäuden durch das helle Band optisch eingefasst. Und die indirekte Beleuchtung weist Hafenbesuchern beim Flanieren in der Dämmerung sicher den Weg. Kinder mögen die Sitzgelegenheiten zum Balancieren. War das Hafenareal vor 15 Jahren noch aufgrund der zahlreichen leer stehenden Gebäude vom Verfall gekennzeichnet, ist es heute ein Vorzeigeobjekt der Stadt. Der Erfolg ist zum Gutteil den vielen beteiligten Künstlern, Musikern und Architekten zu verdanken, die sich als Pioniere in das Gebiet gewagt hatten. Mit den Künstlern etablierten sich im Lauf der Zeit Cafés und Restaurants; baufällige Speicher wichen anspruchsvoller Architektur. An warmen Sommernachmittagen ist vor den Cafés kaum noch ein Platz frei. So entwickelte sich die Promenade zu einem Ort des Sehens und Gesehenwerdens. Seit sie neu gepflastert und mit den Betonsitzgelegenheiten bestückt wurde, lässt sich dort tatsächlich auch flanieren.
Kompetenzen bündeln
Wie sich aus eingesparten Ausgaben Budgets für Sondermöblierungen generieren lassen, macht Zürich vor. Ausstattungselemente sind hier per Satzung streng standardisiert. Dadurch ist die Pflege der einzelnen Elemente kostengünstiger. Die so erübrigten finanziellen Mittel werden für wichtige touristische oder besonders repräsentative städtische Bereiche verwendet. In Deutschland fehlt dafür vielerorts der politische Wille. Nicolas Beucker: „Zum Beispiel werden die Stadtmöbel häufig von verschiedenen Institutionen gepflegt.“ Für die Beleuchtung ist das Tiefbauamt zuständig, für die Bänke das Grünflächenamt, und um die Mülleimer kümmert sich Abfallwirtschaftsbetrieb der Kommune. Für strengere Reglementierungen muss es jedoch gelingen, alle Institutionen an einen Tisch zu bringen. Beucker hat die Ergebnisse seiner Studie eines identitätsstiftenden Gestaltungskonzepts für die Innenstadt den Verantwortlichen in Krefeld immer wieder vorgelegt: den Interessenverbänden der Einzelhändler, den Gastronomen, den Politikern und den Verwaltungsangestellten. Auch dem Planungsausschuss und der Bezirksvertretung hat er sein Anliegen vorgetragen. Dadurch sei das Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung der Stadtplanung sukzessive gestiegen.
Nutzerfreundlich agieren
Ideal wäre es, innerhalb eines Amtes eine übergreifende Schlüsselposition zu schaffen. Die Person, die eine solche Aufgabe erfüllt, sollte über eine möglichst große Nutzer-Empathie verfügen. Vielen aktuellen Planungen fehlt dieses Einfühlungsvermögen. Denn was auf der Zeichnung oder dem Modell ansprechend und geordnet wirkt, muss in der Praxis noch lange nicht funktionieren. Simples Beispiel ist der Standort einer Bank, die keine interessante Aussicht bietet oder niemals die Sonne scheint. Hier wird nur selten jemand sitzen. Auch schlecht geplante Wege führen dazu, dass sich Nutzer ihre eigenen Wege bahnen. Und ein falsch aufgestellter Mülleimer, wird durch Nichtgebrauch ebenfalls sein Ziel verfehlen. Eher fliegen die Abfälle in der Gegend herum.
Wesentlich sinnvoller ist es, die vorgesehene Möblierung an Ort und Stelle erst einmal auszuprobieren. Bei großen Plätzen wird das zwar nicht funktionieren, bei kleineren Flächen aber schon. Zum Beispiel lässt sich mit einfachen gestapelten Paletten testen, ob noch Bänke fehlen. Diese Methode wendet auch Beucker erfolgreich an, denn seinen Erfahrungen zufolge sind Beteiligungsverfahren schwierig, die von den Bürgern planerische Kompetenz erfordern. Sie wählen dann in der Regel nur Offensichtliches aus, da sich die meisten die auf dem Plan gezeigte Gestaltung gar nicht vorstellen können. Auch dreidimensionale Darstellungen geben oft nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wieder. Sinnvoller sei es laut Beucker, den Prozess umzukehren. Planer sollten sich und andere fragen, wer an diesem Platz wie wohnen, einkaufen, sitzen oder sich treffen soll. Die Tätigkeiten, die Bürger an einem Ort ausführen, werden häufig vernachlässigt. Auch Hersteller von Stadtmobiliar sollten sich solche Fragen vermehrt stellen, denn beispielsweise Buswartehallen, deren Dach so kurz ist, dass die Wartenden bei schlechtem Wetter im Regen stehen, braucht niemand.
Bürgerbeteiligung mal anders
Manchmal wird auch aus einer temporären Nutzung eine feste Institution. Das wünschen sich zum Beispiel die Betreiber der Bleichwiese in Mönchengladbach. Nach einem Brand war auf dem 15.000 Quadratmeter großen Areal des alten Zentralbades eine Brachfläche entstanden. Im Rahmen der Ausstellung „Stadtprothesen“ wurde von Johannes Jansen 2008 die Idee einer Zwischennutzung mit Wasserfläche, Wiese und einem Bewirtungs-Pavillon vorgestellt. Mithilfe der Stadt, der Wirtschaftsförderung und der Entwicklungsgesellschaft Bleichwiese wurde das Projekt 2010 mit geringen wirtschaftlichen Mitteln und auf dem „kleinen Dienstweg“ auf die Beine gestellt. Der Container „Gladbach-Dock“, bei dem es Getränke und Grills zum Leihen mit entsprechendem Grillgut gibt, sowie Bierbänke, Sonnenstühle und eine Sandfläche machen den Ort im Sommer zu einem beliebten Treffpunkt für Familien und junge Leute. Dadurch hat sich das Bild der Stadt verändert. Jetzt können die Besucher auch den Gladbach, der die Wiese durchfließt, hautnah erleben. Das Projekt darf so lange existieren, bis ein Investor die Überplanung des Areals übernimmt. Für dieses Jahr scheint die temporäre Nutzung noch gesichert zu sein. In Krefeld macht das Projekt „Der Stadtgarten“ von sich reden, an dem Monika Zurnatzis, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Social Design der Hochschule Niederrhein, federführend beteiligt ist. Aufgrund des schlechten Zustands dieser größten innerstädtischen Anlage wird der Park von den meisten Anwohnern als „Angstraum ohne soziale Kontrolle“ empfunden. Um daraus wieder einen Treffpunkt und Erholungsraum entstehen zu lassen, hat Monika Zurnatzis die Initiative Stadtgartenfreunde gegründet. Deren Ziel ist es, neben der Umgestaltung den Park auch durch kulturelle Veranstaltungen und gastronomische Einrichtungen wiederzubeleben. Dadurch soll sich das subjektive Sicherheitsgefühl verbessern. Neben einem Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Theater, Musik und Festivitäten übernahmen hier im letzten Jahr die Bürger auch Patenschaften, zum Beispiel für Grünflächen oder Grabmale. Dank des Engagements der Initiative und ihrer Gestaltungsvorschläge wird der Stadtgarten ab 2014 nach den Plänen der Landschaftsarchitektin Ina Bimberg umgestaltet.
Ulrike Meywald ist freie Baufachjournalistin in Münster.
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