Von Cornelia Dörries
Koblenz verwandelt“ – so lautet das Motto der diesjährigen Bundesgartenschau, die vom 15. April bis zum 16. Oktober in der Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Mosel stattfindet. Und es kann gut sein, dass die Koblenzer am Ende des blütenreichen Spektakels ihre gut 2 000 Jahre alte Stadt nicht wieder erkennen und sich selbst ein wenig verwandelt finden durch das, was sich rechts und links des trägen Rheins und entlang der letzten Mosel-Meter in kurzer Zeit alles getan hat: Die Ufer von Rhein und Mosel rund ums Deutsche Eck wurden von einer chaotischen Budenmeile zur grün-urbanen Promenade, das Schlossrondell wurde vom Parkplatz zum Stadtplatz und damit seiner Schlüsselstellung in der Stadt gerecht. Und rund um die Festung Ehrenbreitstein entstand ein neuer, mit der Stadt per Seilbahn verbundener Park.
Die Buga ist also ein Glücksfall für die 100 000 Einwohner zählende, wohlhabende und aufgeräumte Stadt, die zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal gehört und mit dem Deutschen Eck eine der Hauptattraktionen des bundesdeutschen Fremdenverkehrs aufzubieten hat. Für Außenstehende ist vielleicht schwer zu verstehen, dass die Stadt solche Impulse nötig hat. Denn in Koblenz, so scheint es, hat der liebe Gott nahezu alles aufgeboten, was ihm an landschaftlichem Liebreiz, gutem Klima und großartiger Natur zur Verfügung stand, und gab noch eine große, mit den Römern beginnende Geschichte und den Weinanbau gratis dazu. Wozu also braucht diese gesegnete Kommune eine Bundesgartenschau?
Die Antwort ist einfach: um sich ihrer einzigartigen Vorzüge wieder bewusst zu werden. Die waren Koblenz in den vergangenen Jahrzehnten nämlich auf seltsame Art aus dem Blick geraten. Ja, man kann fast sagen, dass es zwei unabhängig voneinander, gleichsam parallel existierende Koblenze gab: das der Touristen, die in Reisebussen direkt bis zur „German Corner“ mit dem wuchtigen Reiterstandbild von Wilhelm I. gekarrt wurden, sich dort am wahrhaft märchenhaften Ausblick erfreuten, vielleicht noch eine kleine Dampferrundfahrt unternahmen und nach ein paar Stunden wieder in die Reisebusse stiegen.
Das Koblenz der Einheimischen, nur wenige Fußminuten vom Deutschen Eck und den Schiffsanlegern am Rhein entfernt, bekam davon nicht viel mit. Auf der „mental map“ dieser Stadt war das Moselufer als gigantischer Parkplatz mit Biergartenanschluss ausgewiesen, und die Rheinpromenade als ein mit billigen Souvenirständen und Imbissbuden zugerümpeltes touristisches Gewerbegebiet, das man nach Möglichkeit mied. Eine zweckmäßige Nachkriegsbebauung mit entsprechender Verkehrsführung schirmte das Koblenz der Busreisen trennscharf von der historischen Altstadt auf der Moselseite sowie dem frühklassizistischen Residenzschloss und dem Stadtzentrum ab. Diese Orte wurden von den Touristen aus Nah und Fern weitgehend ignoriert. Das Koblenzer Doppelleben funktionierte über Jahre hinweg gut, viel zu gut, als dass man daran dringend etwas ändern wollte. Dass das Moselufer zu einem unansehnlichen, flächendeckend asphaltierten Parkplatz verkommen war und die Innenstadt keine Verbindung zur weltbekannten Flusslandschaft hatte, störte nur wenige: Die Touristen kamen ja trotzdem.
Erst mit dem Zuschlag für die Bundesgartenschau im Jahr 2004 begann eine breite Diskussion über die zukünftige Stadtentwicklung. „Die Buga wurde als Chance für die längst überfällige Verschönerung der Stadt begriffen“, erinnert sich Planungsleiterin Ulrike Kirchner. „Aus allen Ecken kamen plötzlich Vorschläge, wo man etwas ändern könnte. Und da zeigte sich, dass man von diesem Ereignis nicht nur ein paar zusätzliche Blumenrabatten erwartete, sondern eine neue räumliche Qualität.“
Eine Stadt blüht auf
Am Ende wurden drei Standorte ausgewählt, deren Neugestaltung nicht bloß dringend erforderlich schien, sondern auch von strategischer Bedeutung für die zukünftige Stadtentwicklung sein würde: der Blumenhof am Deutschen Eck, das Kurfürstliche Schloss und die auf der östlichen Rheinseite hoch über der Stadt thronende Festung Ehrenbreitstein. Aus dem Ideen- und Realisierungswettbewerb gingen im Dezember 2006 die Büros Stephan Lenzen, RMP Landschaftsarchitekten (Bonn) mit Alexander von Canal (Koblenz) sowie Mike Schlaich, Schlaich Bergermann und Partner (Berlin) als erste Preisträger hervor; der zweite Preis ging an das Büro die3 Landschaftsarchitekten (Bonn).
Die prämierten Planer sollten die großen landschaftlichen und architektonischen Schätze, von denen Koblenz über lange Jahre gezehrt hatte, ohne sie angemessen zu pflegen, in ein gemeinsames Konzept integrieren und damit einen Stadtwandel anstoßen, der weit über das Großereignis Bundesgartenschau hinausreicht. Die Anschubfinanzierung dieses ehrgeizigen Stadtumbaus kann sich sehen lassen: Die öffentlichen Gelder von mehr als 100 Millionen Euro für die Buga 2011 haben private Investitionen in Höhe von gut 400 Millionen Euro nach sich gezogen – alle wollen dabei sein. Man rechnet mit etwa zwei Millionen Besuchern, die sich vor allem auf die drei Hauptschauplätze der Buga konzentrieren werden.
Der offizielle Haupteingang befindet sich am Schlossrondell, einem markanten Platz, der sich zwischen dem langgestreckten Hauptflügel und den halbrunden Zirkularbauten der ehemaligen kurfürstlichen Residenz aufspannt. Der Platz würde mit seinen geometrisch abgezirkelten Blumenbeeten, den schnurgerade aufgereihten Spalierbäumen und glatten Wasserflächen an die barocken Gärten des Ancien Régime erinnern – wären da nicht auch Flächen für Skater, wie Diamanten aufgesteckte Sitzgelegenheiten, Spielplätze und eine lange Holztafel mit bunt bemalten Stühlen, die ihrerseits daran erinnern, dass der Souverän inzwischen ein ziemlich unübersichtlicher, quirliger Haufen ist. Genau hier befand sich bis vor Kurzem ein riesiger Behördenparkplatz, geschmückt mit ein paar verschämten Rabatten, der nicht nur das Ende der Schlossallee signalisierte, sondern die Stadt auch vom Schloss und dem dahinterliegenden Flussufer abschnitt. Die neue Planung hat dieser Trostlosigkeit ein Ende bereitet: Die Autostellflächen wurden in ein neues unterirdisches Parkhaus verlagert und die ehemalige Sackgasse Schlossallee in eine Verbindungsachse zwischen Innenstadt und Rhein verwandelt.
Nun führt der Weg geradewegs durch das Schloss hindurch (in dessen Erdgeschoss sich jetzt die örtliche Touristeninformation mit angeschlossener Vinothek befindet) direkt in den lang gestreckten, terrassierten Garten, der anhand von alten Stichen so wiederhergestellt wurde, wie ihn der preußische Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné einst für Kaiserin Augusta geplant hatte. Um diesen verträumten, dem Fluss zugewandten Ort mit dem Rheinufer zu verbinden, setzten sich die Architekten mit ihrem Wunsch nach zwei Durchbrüchen in der historischen preußischen Infanteriemauer auch gegen den Denkmalschutz durch. Den Abschluss dieser Passage bilden die neuen Schloss-Stufen, die bis hinunter zum Wasser führen und schon lange vor der Buga-Eröffnung zum neuen Lieblingstreffpunkt der Koblenzer avancierten.
Wer irgendwann genug vom Plätschern der Wellen und von der schönen Aussicht auf das andere Rheinufer und die langsam dahinziehenden Schiffe hat, kann sich von hier aus auf den Weg zum Deutschen Eck machen, dessen gesamtes Umfeld im Zuge der Buga-Planungen gründlich entrümpelt wurde. Das alte Durcheinander von Verkaufsständen, ambulanten Vergnügungseinrichtungen und den Ticketbuden der Rhein-Reedereien wich einer klaren, aufgeräumten Neuordnung. Schlichte Rasenflächen und einheitlich gestaltete Kioske säumen den Uferweg, der am Ende in eine Platanenallee übergeht und am monumentalen Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. endet, das sich seit 1897 über dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel erhebt. Rund um das Denkmal hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten ein rummelplatzartiges Gefüge aus Schankwirtschaften, Souvenirständen und Parkplätzen ausgebreitet und den historisch und landschaftlich bedeutenden Ort in einen touristischen Durchlauferhitzer verwandelt.
Im Zuge der Neuplanungen wurde das gesamte Areal restrukturiert, zu dem neben dem Deutschen Eck noch die Basilika St. Kastor und die ehemalige Ballei des Deutschherrenordens gehören, ein weitläufiger, in Teilen zerstörter Gebäudekomplex aus dem 11. Jahrhundert. Der Blumenhof von St. Kastor, ein aus drei nach außen hin abgeschlossenen Gärten bestehendes Freiraumensemble, wurde als Ort der Kontemplation und der Ruhe angelegt – auch in bewusster Abkehr vom Buga-Trubel jenseits der Gartenmauern.
Metamorphose an der Mosel
Besonders stolz sind die Planer jedoch auf die Metamorphose des Moselufers, das sich von einem hässlichen Reisebusparkplatz in eine begrünte, baumbestandene Promenade mit großem Wasserspielplatz verwandelt hat. Die großräumigen Veränderungen rund um das Deutsche Eck lassen sich freilich am besten von oben betrachten – seit Juni 2010 mit der Seilbahn, die das Deutsche Eck mit der Festung Ehrenbreitstein auf der anderen Seite des Flusses verbindet. Diese noch bis 2013 verkehrende Seilbahn, übrigens die größte und leistungsstärkste ihrer Art in Deutschland, ist das wohl spektakulärste Buga-Projekt, das zugleich einen wichtigen Zweck erfüllt. Denn der dritte Veranstaltungsort der Gartenschau, die mächtige preußische Bastion auf dem Ehrenbreitstein, wäre sonst nur nach einer beschwerlichen Anfahrt zu erreichen. So aber nähern sich die Besucher, in Gondeln über dem Rhein schwebend, dem zehn Hektar großen Festungspark, der in den Monaten der Buga als Open-Air-Seminar in Sachen Gartenwissen dient und sich in seiner gelungenen Neugestaltung erstmals einer großen Öffentlichkeit präsentiert. Die zahlreichen Themengärten, Pavillons und Ausstellungsbereiche werden nach Abschluss der Veranstaltung abgebaut – doch das Areal, bis 2009 umstrukturiert nach Plänen der Berliner Landschaftsarchitekten topotek 1, wird nach Abschluss der Buga als Parklandschaft hoch über dem Rhein allen offen stehen.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: