Interview: Roland Stimpel
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DAB: Bauen ist grundsätzlich falsch, so die Entscheidung über den früheren Flughafen Berlin-Tempelhof.
Daniel Fuhrhop: Der Berliner Volksentscheid zeigt eine grundsätzlich kritische Haltung gegenüber Neubau. Die sehe ich auch anderswo.
Meist bei Leuten, die nicht ganz schlecht wohnen. Aber was wird zum Beispiel in Berlin aus den 40.000 zusätzlichen Einwohnern, die die Stadt jedes Jahr bekommt?
Bei etwa gleicher Einwohnerzahl wie vor 25 Jahren haben wir in Berlin wie in ganz Deutschland heute viel mehr Wohnungen als damals. Da stellt sich vor allem die Frage, wie Menschen zusammenwohnen. Jeder Einzelne ist gefragt, sich zu überlegen, wie er wohnt und wie viel Fläche er braucht. Es kann auch befreiend sein, das zu reduzieren.
Sollen die Zuziehenden warten, bis die anderen freiwillig verzichten?
Es gibt nicht nur Egoisten, die auf großer Fläche wohnen möchten. Viele sind offen, in anderen Formen zusammenzuwohnen und Fläche zu sparen. Aber sie tun es nicht, auch wenn sie könnten. Bisher müssen Einzelne solche Wohnprojekte durchkämpfen. Die Politik sieht die Chancen nicht, die sich in neuen Formen des Wohnens verbergen. Zum Beispiel das sogenannte Wohnen gegen Hilfe, bei dem Studenten bei Senioren leben und ihnen dafür im Alltag helfen.
Das gibt es doch längst.
Ja, aber das müsste viel mehr gefördert werden. Da muss man Berater hinsetzen, die mit denen sprechen, die viel Platz haben und jemanden bei sich aufnehmen könnten, und die mit Studierenden sprechen, die an so etwas Interesse haben. Ich bin sicher, da würden in vielen Fällen Menschen zusammenziehen.
Längst nicht so viele, wie neu in die großen Städte ziehen – und vor allem in die Innenstädte wollen.
Es kann nicht jeder 200 Quadratmeter in der City haben. Gerade bei Zuziehenden sind die Wünsche nach bestimmten Stadtbezirken auch von Klischees geprägt. Man kann auch in Randgebieten gut leben, in Berlin zum Beispiel in Spandau oder Marzahn. Es gibt überall schöne Ecken.
Auch die Gesellschaft hat etwas vom Innenstadt-Wohnen. Da lebt man freiwillig enger als Eigenheimer im Vorort, und das wollen Sie ja. Aber gerade drinnen brauchen wir neue Wohnungen.
Die brauchen wir nicht, weder am Rand noch in der Innenstadt. Im Bestand ist das alles zu bewältigen. Dazu ist ein großes Umdenken nötig.
Sollen Wohnungssuchende unter der Brücke leben, bis das Umdenken einsetzt?
Ich habe nicht den Eindruck, dass Tausende das tun müssen. Das scheint durchaus gut zu funktionieren.
Welche Botschaft haben Sie für die Architekten, die heute zur Hälfte vom Neubau leben?
Es bräuchte eine Leistungsphase null, in der Architekten potenzielle Bauherren darin beraten, was sie wirklich brauchen. Dabei kann auch herauskommen, dass ihre Wünsche ohne Neubau erfüllbar sind. Das muss natürlich angemessen honoriert werden. Schließlich profitiert der andere davon, dass er viel Geld für einen teuren Neubau spart.
Das gibt es doch längst. Aber noch öfter kommen beide zu dem Schluss: Es muss ein Neubau her.
Das sollte und wird sich ändern.
Zusammengefasst: In unseren Köpfen und unserem Sozialleben, bei Architekten, in Politik und Immobilienwirtschaft muss sich alles ändern – Hauptsache, das Raumvolumen bleibt gleich?
Ja. Ich bin überzeugt, wir können mit den vorhandenen Häusern auskommen. Nicht nur in Berlin, sondern überall.
Daniel Fuhrhop bloggt zum Thema unter: www.verbietet-das-bauen.de
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Im Prinzip teilen wir die Meinung. Da der BER aber nun fast fertig ist, wäre es schade, ihn nicht wenigstens zum Weltkulturerbe zu erklären und ihn mit den dann fliessenden UN-Geldern zu erhalten. Eine grosszügigere Fernbushaltestelle gibt es in ganz Europa nicht!
So schick sich provokante Thesen lesen – und dazu noch in der „Höhle des Löwen“. So einfach ist es dann aber doch nicht. Städtebau und Wohnen sind keine rein quantitativ zu betrachtenden Themen.
Der Autor schreibt in seinem Blog:“ Wenn man fordert, das Bauen zu verbieten, muss man sagen, wo die Menschen Platz finden.“ Hier liegt die ganze Verkürzung seine Sichtweise. Wohnen aber ist Leben – öffentlich wie privat – und das erfordert eben mehr als nur die Bereitstellung von Raum.
Mir sind zwei Mittel bekannt, Menschen zu einer Veränderung ihrer Wohnsituation zu bewegen: Der Mangel an Geld und die Chance auf Verbesserung. Wenn Architektur und Städtebau aber die Chance auf Verbesserung nicht mehr bieten, entscheidet unser Geld bzw. dessen Abwesenheit, wo und wie wir wohnen.
Und falls der Berliner Tellerrand den Blick auf den Rest der bunten Republik verstellt, wird man es uns wohl auch nachsehen, wenn wir außerhalb trotzdem planen und bauen.