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[ Lesermeinungen ]

Wie kann zeitgemäßer Denkmalschutz aussehen?

DAB-Leserinnen und Leser antworten: Denkmalschutz soll Umnutzungen und technische Modernisierungen, besonders für die Energiewende, nicht unmöglich machen

Highdeck-Siedlung mit Fußgängerbrücken und Solarzellen auf den Dächern
Highdeck-Siedlung, Berlin-Neukölln, zur Umfrage eingereicht von Krekeler Architekten, die den Denkmalpflegeplan für die Siedlung erstellt haben.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wie kann zeitgemäßer Denkmalschutz aussehen?“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.


Baugeschichte erkennbar machen

Denkmalpflege ist zukunftsweisend, wenn Denkmalpfleger und Architekt die Baugeschichte eines Denkmals in ihrer modernen Nutzung erkennbar machen. Gerade der erkennbare Wandel macht vielfach die historische Bedeutung eines Bauwerks aus. Die weitaus geringste Zahl von Denkmalen ist mit einer 1:1-Denkmalpflege als Ausstellungsstück seiner selbst zu erhalten. Die qualitätvolle Weiterentwicklung denkmalgeschützter Bauten im gekonnten Zusammenspiel von Bauherrenschaft, Denkmalpflege, Architekt und Handwerk ist leider ebenso wie der Pflichtkurs „Bauen im Bestand“ an den Hochschulen lange vernachlässigt worden. Entsprechend muss die Zusammenarbeit zwischen Denkmalschützern und Architektinnen, Bauherren und Handwerkerinnen funktionieren: als gemeinsames Arbeiten an einer neuen, alten Art zu bauen.

Dr. Ursula Schirmer, Deutsche Stiftung Denkmalschutz


Zukunftsfähigkeit erforderlich

Es muss so sein, dass der Denkmalschutz den Gebrauch für die Zukunft nicht unmöglich macht (zum Beispiel Solaranlagen auf den Dächern in Goslar). Das Gleiche gilt auch für Heizungen (Öl und Gas).

Dr. Detlev Ohrenschall, Zahnarzt, Kiel


Denkmal nicht als Museum verstehen

Wir sprechen bei Denkmalschutz immer über das Erhalten und Konservieren des Status quo. Das hat in den Grundzügen auch seine Berechtigung, jedoch: Zu keiner anderen Zeit­epoche wurden Gebäude in ihrem Erscheinungsbild quasi „eingefroren“ und durften nur unter großer Anstrengung verändert oder weitergebaut werden. Ein Denkmal sollte nicht als Museum verstanden werden, sondern einer Nutzung zugeführt werden, in der es weiterleben kann. Wir brauchen nicht das tausendste Bauernhaus auf dem Land, das zum Museum erklärt wird und als tote Hülle eine vergangene Zeit konserviert. Wir brauchen ein neues Verständnis und ein Weiterbauen an Denkmälern; Ergänzungen mit Mehrwert und Verstand.

Was dagegen heute passiert, ist ein anderes Verständnis von Geschichte – nichts ist schlimmer, als Fassaden von Bürgerhäusern, die mit großem Aufwand gesichert werden, nur um das Haus und damit seine Gesamtheit dahinter vollständig abzubrechen. Dann erfolgt der Neubau, der das Kleid einer anderen Epoche erhält. Wird das dem Denkmalschutz wirklich gerecht oder ist ein Neubau oder Weiterbau dann nicht ehrlicher, wenn das Ursprüngliche nicht mehr erhalten werden soll? Zeitgeist kommt und geht und mit ihm die Mode, der Baustil und die Ästhetik. Erhalten und Schützen ist sinnvoll, aber nicht um tote Architektur zu erschaffen, sondern um Alt und Neu mit einem Mehrwert zu verbinden, der das Ergebnis besser macht als das Vorhandene.

Julian Geier, Architekt, München


Altersspuren erhalten

Vorrangiges Ziel der Instandhaltung eines Denkmals ist der Erhalt der Substanz, der Altersspuren als Zeichen und Zeugniswert der Geschichte. Dabei ist nicht die bauzeitliche Substanz (original ist jede Zeitschicht!) das ausschlaggebende Erhaltenskriterium, sondern der jeweilige Zeugniswert. Auch Veränderungen gehören zum Denkmal, ebenso wie das Weiterbauen. Neue, umweltschonende und energiesparende Maßnahmen sind gegebenenfalls einzubeziehen, wie auch schädliche Baustoffe entfernt werden müssen, ohne das Wesen des Denkmals zu schädigen. Die Abwägung bautechnisch erforderlicher Gesetze spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Anna Katharina Zülch, Architektin, ­Hamburg


Denkmäler anpassen

Je nach künftiger Nutzung sollten denkmalgeschützte Gebäude ihrer Funktion entsprechend umgebaut/angepasst werden dürfen; dabei geht es vor allem um Verglasungen, das Heizen des Gebäudes sowie um Schall- und Dämmschutz.

Chiara Palandra-Brown, Architekturstudentin, Münster


Behutsame Transformation gefordert

Zeitgemäßer Denkmalschutz braucht die Öffnung im zeitgemäßen Umgang mit energetischen Maßnahmen und Nutzungen. Dabei muss es zum Beispiel auch möglich sein, abzuwägen, ob der Denkmalschutz Außen oder Innen gewürdigt wird (Stichwort Dämmung). Hinzu kommt das äußere Erscheinungsbild, hier vornehmlich Dachflächen für die Belegung mit Solar beziehungsweise Photovoltaik. Die jüngere Vergangenheit zeigt mir, dass hier oft eine geradezu ideologische Debatte zwischen Denkmalschutzbehörden und Eigentümern/Planern gepflegt wird. Oft geführter Vorwurf der Denkmalbehörde: dass nur wirtschaftlich getriebene Aspekte angeführt werden.

Ich als Planer bejahe dies oft, da natürlich auch der Erhalt und die Fortführung von Denkmälern genau diesen Kriterien unterliegen. Gefühlte und erwartete „Liebhaberei“ als Kriterium ist aus meiner Sicht eine falsche Debatte, wenn es um die Akzeptanz für unsere Kulturgüter gehen soll. Das sanierte „Original“ ist auch für mich anerkanntes Ziel, bedarf aber der behutsamen Transformation in heutige Nutzungsmöglichkeiten, damit auch energetische Anforderungen erfüllt werden. Die Qualität der Ablesbarkeit des „Eingriffs“ für die Betrachter könnte ein Weg zur Konsensfindung werden. Es besteht eine große Gefahr, dass wir in Zukunft Baudenkmäler weiter verlieren, weil sie im Dialog eben nicht zu möglichen Lösungen im Hinblick auf eine auch wirtschaftlich zu unterhaltende Revitalisierung geführt werden können.

Henning Bökamp, Architekt, Bad Oeynhausen


Denkmalschutz nicht individuell auslegen

Es ist ein großes Problem, dass in den Behörden Menschen sitzen, die Denkmalschutz nach eigenem Empfinden auslegen. Die sich nicht in die Rolle des Bauherrn versetzen können, der darin lebt. Wenn der Behördler sagt, dass ihm das „Weiß“ zu hell ist, muss der Bauherr ein dunkleres nehmen. Jeder möchte doch seine Heimgestaltung so machen, wie es ihm gefällt. Hierzu kenne ich unzählige Beispiele. Ganz schlimm wird es, wenn die Bauherren mit viel Eigenleistung über Jahre ein Denkmal sanieren und viele Entbehrungen auf sich nehmen, körperliche Hochleistungen erbringen, der Behördler selbst aber in einem Reihenmittelhaus wohnt und keine Ahnung von Eigenleistung und Handarbeit hat.

Ganz groß schlägt bei Denkmalbesitzern das Photovoltaik-Thema auf. Wir sind mit unseren Gebäuden energetisch nicht so perfekt aufgestellt wie Neubauten oder Haussanierer mit hochgedämmten Gebäuden. Nun treffen uns die Energiekosten und wir können nicht dagegenwirken, weil wir unsere Denkmäler nicht energetisch so sanieren können, wie es notwendig wäre. Wenn wir nun unseren eigenen Strom erzeugen wollen, um Kosten zu sparen, und eventuell autark werden wollen, heißt es vonseiten der Gemeinden: Denkmal = da dürfen Sie nichts aufs Dach/auf die Fassade machen. Eine Wärmepumpe oder Erdsonden = geht gar nicht. Warum kann man nicht das Scheunendach nutzen oder wenigstens die von der Schauseite abgewandte Dachhälfte? Warum geht es in manchen Bundesländern und Gemeinden und in manchen nicht?

Achim Mayer, Architekt, Mühlacker


Maßgeschneiderte Konzepte

Zum einen können wir nur ein genutztes Denkmal erhalten. Zum anderen gilt: Je länger wir ein Gebäude unter größtmöglicher Wahrung seines Zeugniswertes vernünftig nutzen, desto weniger CO2-Emissionen entstehen. Baudenkmale sind sehr unterschiedlich und bedürfen jeweils maßgeschneiderter Konzepte zu ihrer Erhaltung. Substanzschutz und Umbau stellen nur Pole innerhalb eines breiten Spektrums an individuellen Lösungsmöglichkeiten dar, ein Gebäude weiterzuentwickeln und zu nutzen. Grundsätzlich geht es darum, mit der Ressource Denkmal – oder auch mit Bestandsgebäuden generell – achtsam und zugleich kreativ umzugehen. Dies gelingt nur im gemeinsamen Dialog von Planung und Denkmalpflege.

Dr. Annika Tillmann, Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL)

 

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1 Gedanke zu „Wie kann zeitgemäßer Denkmalschutz aussehen?

  1. In Bayern wird zur Zeit das Kommunale Denkmalschutz Konzept / KDK politisch durchgesetzt. Bei der Entscheidungsfindung zu einer Photovoltaikanlage im Ensemble sind die Untere Denkmalschutzbehörde, das Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, der Verfasser des KDK, die Gemeindebauverwaltung, die Gemeinderäte und der Bürgermeister beteiligt. Der Antragsteller ist Bittsteller und wartet über ein Jahr auf den Genehmigungsbescheid. Unzureichende Transparenz, mangelnde Bürgernähe und ein sehr langsames Vorankommen. Muss das so sein?

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