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[ Nachwuchs-Kolumne #157 ]

Nachhaltigkeit im Architekturstudium: Do it yourself

Weil es vielen Studierenden mit der Nachhaltigkeit im Uni-Alltag nicht schnell genug geht, nehmen sie die Sache selbst in die Hand. Etwa beim Modellbau: Müllvermeidung und Wiederverwendung ist der erste Schritt, ein Verzicht auf Styrodur, Beton und Gips der nächste?

Hausmodell aus Sellerie und Blumenstielen
Werden Architekturmodelle bald nur noch aus organischem Material gebaut?

Von Lorenz Hahnheiser

Die Klimakrise macht einen Handlungsumschwung hin zur Nachhaltigkeit in allen Teilen der Gesellschaft notwendig, so auch im Bauwesen. Die Werkzeuge der Bauwende stehen bereit. Doch sie müssen vermittelt und verinnerlicht werden, damit sie schließlich auch Anwendung finden.

Bei Workshops der Nachwuchsorganisation nexture+ wurde den Studierenden klar, dass an allen Unis großer Handlungsbedarf besteht. Zwar sind die Standorte unterschiedlich gut aufgestellt, doch sowohl inhaltlich als auch methodisch muss sich die Lehre flächendeckend noch stark in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln. Viele Studierende sind nicht bereit, länger abzuwarten, und so gibt es inzwischen eine Reihe beispielhafter studentischer Initiativen. Hier wird aus Mitteln für mehr Studienqualität ein Lastenfahrrad angeschafft, da Mülltrennung mit der Fakultät verhandelt. Einige Initiativen gehen aber noch weiter.

Uni Kassel: less.on organisiert Seminare

„Wo ist der latest shit?“ fragt sich die Studierendengruppe less:on in Kassel. Den Mitgliedern fehlt die Vorbereitung auf zukunftsfähige Planung, die Lehre kommt ihnen vom aktuellen Wissenstand über Nachhaltigkeit in der Planung überholt vor. Also setzen sie sich zum Ziel, dass sowohl die Theorie als auch die Praxis der Nachhaltigkeit das Fundament der Lehre an ihrem Fachbereich wird: „Es muss darum gehen, dass wir über neueste Theorien und Techniken diskutieren und diese in unsere Entwürfe einarbeiten.“

Sie stellen Forderungen an die Lehre und organisieren Vorträge, um Einblicke in eine klimafreundliche Praxis zu bekommen. Sie meldeten sogar ein selbstorganisiertes Seminar an, in dem sie sich inhaltlich bilden, die Hebel der Bauwende diskutieren und sich darauf vorbereiten in der Praxis für ihre Ideale einzustehen. „Wir Studierenden sollten bereits jetzt eine Haltung für eine nachhaltige Planung entwickeln, sodass ein ‚weiter so‘ von uns in Zukunft nicht mehr unterstützt werden wird.“ Die Universität Kassel unterstützt das Engagement und schafft bezahlte Tutor:innenstellen für die Seminarverantwortlichen.

Styrodurabfall vom Modellbau
So sieht es oft nach dem Modellbau aus. Aber muss es immer Styrodur sein? Und immer neues Material? Und wie wird der Müll entsorgt?

TU München: closing the circle betreibt Materiallager

Im Gestaltungsprozess entscheidet sich, wie umweltschädlich die Architektur ist, die schlussendlich entsteht. Bereits im frühen Entwurfsstadium muss die Nachhaltigkeit von Material und Konstruktion selbstverständliche Grundlage sein. Deshalb engagiert sich die Initiative closing the circle aus München als Plattform für Nachhaltigkeit im Modellbau. Mit einem mobilen Materiallager sammeln die Mitglieder Übriggebliebenes und Wiederverwendbares. Sie wirken zudem darauf hin, dass möglichst viele Institute eigene kleine Materiallager etablieren, um flächendeckend Wiederverwendung zu ermöglichen. Darüber hinaus haben sie einen Modellbau-Preis ins Leben gerufen. So werden nachhaltige Ideen gesammelt, veröffentlicht und honoriert.

TH Köln: ReLab für Wiederverwendung im Modellbau

Auch das ReLab in Köln sieht beim Modellbau Potenzial für ein neues Bewusstsein beim Umgang mit Ressourcen. Dem Credo ‚Reduce, Reuse, Recycle‘ folgend hat das Kollektiv einen Raum in der Fakultät organisiert, in dem Material aufbereitet, abgegeben und wieder in Umlauf gegeben wird. Neben dem Betreiben des Materiallagers experimentieren die Studierenden mit Modellbautechniken, die das Wiederverwenden erleichtern und klären im ReLab darüber auf: „Wir wollen mit dem ReLab eine Kultur des zyklischen Denkens schaffen.“ Die verantwortlichen Studierenden bekommen Creditpoints für ihr Engagement.

TU Berlin: Keine Architekturmodelle mehr aus Styrodur, Beton und Gips

Ebenfalls mit der Klimakrise im Blick, haben Studierende der TU Berlin kurzerhand im Institutsrat abstimmen lassen: „Der Institutsrat beschließt einen nachhaltigen Umgang im Modellbau.“ Auf Styrodur, Beton oder Gips sollte möglichst verzichtet werden. Besonders bei den Entwurfs-Lehrstühlen stieß das auf Unverständnis, denn die Materialien haben schließlich spezifische Eigenschaften in ihrer Formfindung und ihrem Ausdruck.

Durch die Subtraktion am Styrocutter lassen sich mit Styrodur im Handumdrehen Volumenvarianten testen. Gegossene Modelle können ganz anders als geklebte Modelle reduzierte und monolithische Formen darstellen. Das bisschen Modellbaumüll falle zudem doch im Vergleich mit dem, was im Bauwesen an Müll aufkomme, sowieso kaum ins Gewicht. Die Studierenden halten jedoch dagegen: „Wenn wir die Generation sind, die die Bauwende herbeiführen soll, dann müssen wir jetzt lernen umzudenken“ Auch wenn das erstmal unangenehm sei, müsse man sich jetzt aber halt etwas Neues ausdenken: „Wir sind doch Architekt:innen!“

Mehr Nachhaltigkeit in der Lehre!

Auch die Inhalte der Lehre müssen sich entwickeln. Wo nicht darüber nachgedacht wird, wie unsere Städte in kritischeren Stadien der Klimakrise aussehen sollten und wie langfristig klimaneutral gebaut werden kann, muss genau diese Nachhaltigkeit gefordert werden. Auch hier gibt es natürlich gute Beispiele: Das T-Lab etwa ist ein Design-and-Build-Projekt der TU Kaiserslautern. Entworfen und gebaut haben die Teilnehmer:innen eine Werk- und Forschungshalle, die im Wesentlichen aus Holz besteht und vor allem vollständig rückbaubar ist. Das Projekt erhielt unlängst den Hochschulpreis Holzbau.

Auch hervorzuheben ist die Themensetzung des deutschen Pavillons auf der Biennale. Mit dem Titel „Open for Maintenance – wegen Umbau geöffnet“ wurden biennale-begleitende Projekte an vielen Hochschulen angeboten. Alle nahmen sie Nachhaltigkeit beim Umgang mit Bestand in den Fokus.

Die vorgestellten Projekte und Inhalte sind bemerkenswert und sollten aufgegriffen und vervielfältigt werden. Es macht dabei keinen Sinn über eine Bringschuld zu diskutieren – also ob der Lehrkörper nun vorlegen muss, oder die Studierenden mehr Nachhaltigkeit einfordern müssen. Damit wird an vielen Fakultäten leider immer noch Zeit und Energie verschwendet. Ebenso falsch wäre es, anzunehmen, dass bereits genug gemacht wird. Hier und da „Bauen im Bestand“, oder ein Materialwagen sind ein Anfang – die Lehre und der Alltag im Studium müssen sich jedoch noch viel umfänglicher verändern.


Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, nutzt die Zeit vor dem Master für erste Bauerfahrungen und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.

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