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[ HOAI ]

Der vorletzte Akt

Im HOAI-Vertragsverletzungsverfahren hält der Generalanwalt die Mindest- und Höchstsätze für EU-rechtswidrig. Das abschließende Urteil steht noch aus

Von Barbara Ettinger-Brinckmann, Joachim Brenncke, Martin Müller, Ralf Niebergall

Im Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist der Vorhang des vorletzten Aktes gefallen. Nachdem seit Beginn des von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahrens gut vier Jahre vergangen sind, hat Generalanwalt Szpunar in seinen Ende Februar veröffentlichten Schlussanträgen zum Ausdruck gebracht, dass er die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI (nicht die HOAI als solche) für unvereinbar mit EU-Recht hält. Aus seiner Sicht behindern die verbindlichen Mindestsätze die Niederlassungsfreiheit unzulässig, weil sie Architekten und Ingenieuren nicht die Möglichkeit gäben, sich über niedrige Preise im Markt zu etablieren.

Es ist an sich müßig, sich mit den Schlussanträgen im Einzelnen zu befassen, da verfahrensrechtlich die Möglichkeit einer Stellungnahme hierzu nicht vorgesehen ist. Das Ergebnis ist natürlich äußerst bedauerlich. Regelrecht ärgerlich ist allerdings die Art und Weise, wie sich Szpunar mit den Argumenten der Bundesregierung und dem vorgelegten Material auseinandergesetzt – oder besser: nicht auseinandergesetzt – hat. Die Planerorganisationen, allen voran BAK, BIngK und AHO, unterstützt durch den BFB, haben zusammen mit der Bundesregierung ein überzeugendes Paket geschnürt, um nachzuweisen, dass Mindest- und Höchstsätze der HOAI für Ziele wie Gewährleistung eines hohen Qualitätsniveaus und Verbraucherschutz geeignet und erforderlich sind. Szpunar erkennt diese Ziele zwar an. Er spricht aber den Mindest- und Höchstsätzen bereits die Eignung ab, diese Ziele zu erreichen. Die notwendige Erforderlichkeit liegt für Szpunar ohnehin außerhalb jeder Vorstellung.

Statt die von der Bundesregierung vorgelegten wirtschaftstheoretischen und empirischen Befunde im Einzelnen zu bewerten und zu würdigen, bestreitet er in wenigen Sätzen, dass hinreichende Nachweise vorgelegt worden seien. Die Grundhaltung des Generalanwalts wird insbesondere in folgender Aussage deutlich: „Der Wettbewerb bei Dienstleistungen, insbesondere in Bezug auf den Preis, gilt im Allgemeinen als notwendiger, gewünschter und wirksamer Mechanismus in einer Marktwirtschaft. In den Sektoren, in denen die Dienstleistungserbringer besonders gut qualifiziert sind und strengen Bedingungen hinsichtlich ihrer Qualifikation unterliegen, wird Preiswettbewerb häufig als Bedrohung angesehen. Wie Preiswettbewerb diese besonders gut qualifizierten Menschen vom ‚Paulus zu Saulus‘ wandeln soll, bleibt ein Rätsel.“

Hier werden Mindest- und Höchsttarife de facto zu einem absoluten Verbot umgedeutet, obwohl die Dienst­leistungsrichtlinie ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, sie zu rechtfertigen. Wenn allerdings, wie von der Kommission und Generalanwalt Szpunar, die Hürden so hoch gelegt werden, dass die Geeignetheit von Mindestpreisen zur Förderung der Qualität „für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände belegt werden muss“, wird letztlich Unmögliches verlangt.

Das Votum des Generalanwaltes bindet die Richter des EuGH nicht: Es ist zu hoffen, dass sie den Wertungsspielraum, der den Mitgliedstaaten im Allgemeinen eingeräumt wird, großzügiger bemessen und die Anforderungen an die Nachweispflicht senken. Erfahrungsgemäß folgen sie dem Generalanwalt aber oft. Dass nach dem letzten Akt „abschließendes Urteil“, mit dem in einigen Monaten zu rechnen ist, doch Anlass zum Applaus besteht, ist daher eher unwahrscheinlich.

Wichtig ist, Bauherren wie Planern in jedem Fall eine verlässliche, handhabbare Lösung in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung an die Hand zu geben. In Vorgesprächen wurde dazu bereits erörtert, die HOAI auch im Fall der Fälle möglichst weitgehend zu erhalten. Auftraggebern und -nehmern, Bauherren, Planern und Bauausführenden, sind die HOAI-Leistungsbilder verlässlicher Rahmen und Anleitung für das Planen und Bauen hierzulande. Die Verbindlichkeit der Honorarsätze müsste bei Unterliegen vor dem EuGH zwar gelockert werden. In Betracht käme aber stattdessen – analog der Regelung bei anderen Freien Berufen – eine Art gesetzlicher Rahmen, von dem durch ausdrückliche Vereinbarung abgewichen werden könnte – unter ausdrücklichem Angemessenheitsvorbehalt mit Blick auf Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko.

 

Wichtige Hinweise

Viele Mitglieder fragen, wie sie sich beim Abschluss von Planerverträgen in der Zeit verhalten sollen, bis die Entscheidung des EuGH ergeht. Dazu ist folgendes zu sagen:

  • Die Mindest- und Höchstsätze sind nach wie vor geltendes Recht.
  • Die gängigen schriftlichen Vertragsmuster können und sollten nach wie vor genutzt werden.
  • Die Verträge Verträgen sollten schriftlich abgeschlossen und das Planerhonorar unter konkreter Inbezugnahme der HOAI vereinbart werden (Honorarzone, Honorarsatz, prozentuale Bewertung der Grundleistungen).
  • Schriftliche Planerverträge ohne konkrete Inbezugnahme der HOAI zur Ermittlung des Planerhonorars sollten – wie bislang auch – nicht abgeschlossen werden.
  • Mündliche Planerverträge sollten – wie bislang auch – nicht abgeschlossen werden.
  • Planerverträge (mündlich/schriftlich) unterhalb der Mindestsätze oder oberhalb der Höchstsätze sind – wie bislang auch – nicht abzuschließen.

Wenn Sie weitere Fragen haben, sprechen Sie gerne die Rechtsberatung Ihrer Länderkammer an.

 

 

4 Gedanken zu „Der vorletzte Akt

  1. Die Architektenkammern der Länder wie auch des Bundes mit der verfassten HOAI sind hochtrabende Ziele in ihrem Ansinnen. Aber die Realität in Deutschland sieht anders aus. Beispiele wie der Flughafen Berlin- Schönefeld, Stuttgart 21 der Bahn usw. Wenn ich mir die praktische Ausführung gerade mit den am Bau beteiligten Architekten mit den Sachbearbeitern der Bauaufsichtsämtern ansehe, wachsen mir graue Haare. Hier wie solche eine angebliche Befähigung haben, aber von tuten und blasen keine Ahnung haben was Architektur und insbesondere fachliche Bauausführung sein sollte. Zur HOAI bisher zahlt kein Bauherr was in der HOAI angesetzt wird, sie ist in ihrer derzeitigen Form nur ein nicht zu erreichendes Machwerk. Die Qualität der Architekten in Deutschland wie auch die Qualität der deutschen Handwerker spotten jeder Beschreibung. Alles was den deutschen Architekten und Handwerker einmal positiv auswies, ist den Bach herunter gegangen. Die heutigen Anforderungen der jährlichen Weiterbildung für Architekten, ist nur Geldschneiderei, hier da vermitteln die selben unfähigen einem was angeblich ein Fortschritt sein soll. Nur die Realität sieht anders aus.

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  2. Worüber diskutieren wir eigentlich noch?

    Die HOAI ist jetzt schon blanker Hohn. In der Privatwirtschaft hält sich schon lange keiner mehr wirklich an die HOAI.
    Sogar Landgerichte, wie das in Konstanz, setzen sich über die HOAI arrogant hinweg, obwohl nachweislich Leistungen nach HOAI erbracht wurden (Urteil LG Konstanz AZ. Me 4 O 301/16 vom 23.03.2018). Das LG-Konstanz setzt sich dabei mit dem Urteil grobfahrlässig über die Grundsätze der HOAI hinweg und bildet sich sogar ein weder Zeugen noch Honorargutachten dazu anhören zu müssen.
    Unter diesen Umständen, ist jedem Kollegen jetzt schon angeraten alle Aufträge nur noch in Vorkasse zu erbringen um nicht noch das Prozessrisiko zu tragen. Wenn schon in Deutschland die HOAI von den Gerichten mit Füßen getreten wird, brauchen wir uns EU-weit um das Scheitern der HOAI keine Sorgen mehr zu machen.
    Die Bundesarchitektenkammer sollte sich lieber Gedanken machen, wie Sie Ihre eigenen Mitglieder schon bei der Vertragsgestaltung und der Durchsetzung der Honorar-Forderungen unterstützen kann. Die HOEFA der AKBW wäre eine richtige Institution, wenn Sie nicht nur auf Profit-Maximierung aus wäre und wiederum an Fachanwälte honorarpflichtig vermitteln würde.
    Apropos Rechtsanwälte. Die Rechtsanwaltskammern haben als Interessenvertreter scheinbar mehr Durchsetzungskraft für Ihre Mitglieder, oder hat jemand schon die von Ihnen selbst festgesetzten Abrechnungsmodalitäten der Rechtsanwälte und die Gerichtskosten angezweifelt? Mit einer Vollmacht, die ein Mandant vorab schon mal seinem Rechtsanwalt unterschreiben muss, akzeptiert er alle zukünftig anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten ohne sie wirklich zu kennen bzw. schriftlich vorliegen zu haben. Wir Architekten müssen aber jederzeit schriftlich belegen, was wir alles mit unseren Bauherrn vereinbart haben und stehen immer im Kreuzfeuer und in der Nachweispflicht unsere Bauherrn richtig und rechtzeitig beraten zu haben. Rechtsanwälte haben scheinbar diese Pflichten nicht und können sogar eine falsche Partei verklagen ohne dafür belangt zu werden.
    Die HOAI ist schon lange kein Selbstläufer mehr, die den Architekten das Honorar für die tatsächlich erbrachten Leistungen garantiert. Da wundert es nicht, dass die HOAI auch auf EU-Ebene madig gemacht wird.

    W. Schuh

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  3. Thomas Eckert Dipl-Ing. Architekt BDA

    Konsequenzen aus der Abschaffung der Mindestsätze der HOAI

    Mit der voraussichtlichen Entscheidung des EuGH zur Abschaffung der Mindestsätze der HOAI geht aus meiner Sicht eine einschneidende Änderung des Berufsbildes des Architekten einher, auf die wir reagieren müssen.
    Der Architekt, der dem Preiswettbewerb ausgesetzt ist, muss anderen Interessen und Zwängen folgen als bisher.
    War bisher das Credo des Wettbewerbs um die beste Lösung und die beste architektonische Qualität unser Selbstverständnis, so kommt jetzt existentiell das eigene wirtschaftliche Interesse hinzu. Der Bauherr wird jetzt zum Auftraggeber, dem gegenüber wirtschaftliche Interessen durchzusetzen sind, genau wie es jede am Bau beteiligte Firma auch tut. Ein auskömmliches Honorar ist nicht garantiert, Nachtragsmanagement wird überlebensnotwendig.
    Unter diesen Bedingungen sollten wir über eine paar grundsätzliche Dinge in unserem Berufsverständnis nachdenken:
    1. Abschaffung des Werkvertragsrechts. Nur mit einer präzisen Auftragsbeschreibung kann ein wirtschaftlicher Preis angeboten werden. Die Werkvertragsverpflichtung beinhaltet unkalkulierbare Risiken.
    2. Aufhebung der Trennung zwischen baugewerblich tätigen und freien Architekten.
    Durch die elementaren wirtschaftlichen Zwänge im Zuge des Wegfalls der Mindestsätze kann der Architekt in Zukunft nur noch sehr eingeschränkt Sachwalter des Bauherrn sein. Dem freien Architekten muss deshalb gestattet sein, auch gewerblich tätig zu sein, da die Unabhängigkeit des Architekten nicht mehr durch die Gebührentabelle der HOAI abgesichert ist.
    3. Gründung einer schlagkräftigen Interessensvertretung der selbstständigen unternehmerisch tätigen Architekturbüros zur aktiven Lobbyarbeit, ohne Rücksicht auf Kollegen auf z.B. Bauherrnseite nehmen zu müssen.
    4. Reformieren oder Überarbeiten der RPW, mit dem Ziel nur noch bezahlte Wettbewerbe durchzuführen, da der unbezahlte Wettbewerb als Akquiseleistung finanziell nicht mehr leistbar sein wird.
    Regensburg, 22.03.2019

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