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[ Recht ]

Vergabe umgangen – kein Honorar!

Wer das Vergaberecht bewusst umgeht, hat keinen Honoraranspruch für bereits erbrachte Leistungen.

Foto: Fotolia
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Text: Lia Möckel

Für die Vergabe von Architektenleistungen oberhalb der Schwellenwerte gelten im Grundsatz die allgemeinen Regelungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der unter anderem hierauf beruhenden Vergabeverordnungen (VgV). Öffentliche Auftraggeber sind bei Vergaben von Aufträgen, die den Schwellenwert von derzeit 209.000 Euro überschreiten, an den Verfahrensweg des GWB und der VgV gebunden. Umgeht ein öffentlicher Auftraggeber die Normierungen des Vergaberechts unter sogenannter kollusiver Mitwirkung seines Vertragspartners, also unerlaubt zum Nachteil eines möglichen Bewerbers oder Bieters, kann der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein.

Über einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken am 17.8.2016 entschieden (Az.: 1 U 159/14). Eine Stiftung beabsichtigte den Neubau eines Museums sowie dessen Anschluss an die vorhandene Moderne Galerie Saarbrücken. Da die Stiftung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt und überwiegend vom Bundesland finanziert wird, gilt sie nach dem GWB als öffentlicher Auftraggeber und ist verpflichtet, Architektenleistungen EU-weit auszuschreiben, wenn der maßgebliche Schwellenwert überschritten wird. Im Vorfeld der Vergabe wurde die Stiftung von einem Rechtsanwalt beraten, der mehrfach darauf hinwies, dass wegen der Überschreitung der Schwellenwerte eine EU-weite Ausschreibung der Architektenleistungen zwingend sei. Bei den wesentlichen Besprechungen mit ihm war der Geschäftsführer eines zu jener Zeit beratend tätigen Architekturbüros ebenfalls anwesend und verfügte somit nach Auffassung des Gerichts über den gleichen Kenntnisstand wie der Auftraggeber. Dieses Büro wurde anschließend mit diversen Architektenleistungen beauftragt – ohne die erforderliche Ausschreibung.

Später kündigte die Stiftung die Architektenverträge aus anderen Gründen. Danach begehrte das Architekturbüro Vergütung für bereits erbrachte Leistungen und infolge der vorzeitigen Vertragsbeendigung entgangenen Gewinn. Die Stiftung machte ihrerseits die Rückzahlung bereits geleisteter Abschlagszahlungen geltend.

Das Gericht stellte allerdings fest, dass die so geschlossenen Architektenverträge wegen Sittenwidrigkeit nichtig seien. Der Vorstand der Stiftung und der Geschäftsführer des Architekturbüros hätten nämlich bei Abschluss dieser Verträge unter Außerachtlassung der vergaberechtlichen Vorschriften kollusiv zusammengewirkt. Ein Rechtsgeschäft ist, so das OLG Saarbrücken, wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn es nach seinem Inhalt, Beweggrund und Zweck mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei sei weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich. Es genüge vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Dem stehe es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt.

Nach diesen Grundsätzen ist ein Vertrag nichtig, der unter Außerachtlassung von Vergabevorschriften zum Nachteil potenzieller anderer Bieter geschlossen wurde, wenn der öffentliche Auftraggeber in bewusster Missachtung des Vergaberechts handelt und der Vertragspartner hiervon Kenntnis hat. Das hat das OLG Düsseldorf bereits in einem Beschluss vom 3.12.2003 festgestellt (Verg 37/03).

Das OLG Saarbrücken räumt zwar in seinem aktuellen Urteil ein, dass der Auftragnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet sei, zu prüfen, ob der Auftraggeber sich an die Vorgaben des Vergaberechts hält. Anders liege der Fall aber dann, wenn der Auftragnehmer weiß, dass der Auftrag ausgeschrieben werden müsste, er sich hierüber aber im Zusammenwirken mit dem öffentlichen Auftraggeber bewusst hinwegsetzt.

Rechtsfolge eines nichtigen Vertrages wegen Sittenwidrigkeit ist die Unwirksamkeit des Vertrages. Fraglich ist jedoch, wie mit wechselseitigen Ansprüchen umzugehen ist, die sich aus einem unwirksamen Vertrag ergeben. Grundsätzlich ist hierfür im Bereicherungsrecht eine Anspruchsgrundlage vorgesehen, die die Rückforderung von solchen Leistungen regelt – also zum Beispiel die Rückzahlung einer Abschlagszahlung an den Auftraggeber. Diese soll ausgeschlossen sein, wenn dem Auftraggeber selbst ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt.

Das OLG Saarbrücken sah dies so. Seine Begründung fußt darauf, dass Vergabevorschriften dem Schutz eines fairen Wettbewerbs, der Korruptionsprävention sowie dem freien Marktzugang dienen. Schreibt ein öffentlicher Bauherr einen Auftrag oberhalb des Schwellenwerts, trotz Kenntnis der Verpflichtung, nicht aus, verhindere er den Wettbewerb und darüber hinaus den Rechtsschutz möglicher anderer Bieter. Diese können dann mangels Kenntnis der Auftragsvergabe keinen Nachprüfungsantrag stellen. Deshalb ist es nach dem Urteil aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt, die Rückforderung in diesem Fall auszuschließen.

Das Gericht gelangte daher zu dem Ergebnis, dass weder der Auftraggeber bereits gezahlte Abschlagszahlungen zurückverlangen kann noch der Auftragnehmer noch nicht honorierte, aber bereits erbrachte Leistungen sowie entgangenen Gewinn vergütet bekommt.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass sich ein Vertrag, der unter Verstoß gegen das Vergaberecht zustande kommt, für beide Seiten nicht lohnt. Wer ihn trotzdem abschließt, ist im Rahmen eines (vermeintlichen) Architektenvertrages vorleistungsverpflichtet. In der Praxis sollte daher dringend davon abgesehen werden, mit einem öffentlichen Auftraggeber einen Vertrag ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens zu schließen, wenn das Honorar den derzeitigen Schwellenwert von 209.000 Euro überschreitet.

Lia Möckel ist Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) bei der Bayerischen ­Architektenkammer.

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