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[ Wohnungsbau ]

Bezahlbarer Wohnraum für alle!

Wie kann der Wohnungsbau in Deutschland belebt werden? Die Bundesarchitektenkammer hat einen Forderungskatalog erarbeitet; wir veröffentlichen Auszüge.

Die Notwendigkeit der Flüchtlingsunterbringung führt unmittelbar zu einer Diskussion über kostengünstigen und sozial integrierten Wohnungsbau. Viele heutige Geflüchtete und nachziehende Familienangehörige sind zukünftige Einwohner unseres Landes. Sie benötigen kurzfristig bezahlbaren Wohnraum – wie auch die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger, die auf den Wartelisten der kommunalen Wohnungsgesellschaften und Baugenossenschaften stehen. Die vorhandenen knappen Finanzressourcen und Planungskapazitäten müssen daher im Wesentlichen für den Wohnungsbau eingesetzt werden. Nur im unbedingt notwendigen Maß dürfen sie in Provisorien zur Unterbringung von Flüchtlingen fließen.

Innen- vor Außenentwicklung

Die Entwicklung der Innenräume muss weiterhin mit Vorrang vor der Bebauung neuer Flächen im Außenbereich verfolgt werden. Siedlungsentwicklung muss sich auf solche Ortsteile konzentrieren, die mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen ausgestattet sind. Die Kommunen müssen deshalb darin unterstützt werden, vorhandene Flächenpotenziale zu identifizieren, zu mobilisieren und Brachflächen nachzunutzen. Allerdings kann eine geordnete siedlungsräumliche Entwicklung nicht gänzlich auf die Nutzung freier Flächen verzichten.

Wohnungsangebote dort schaffen, wo es Arbeitsangebote gibt!

Einige Regionen Deutschlands leiden vor allem durch Wegzug junger Menschen an steigenden Wohnungsleerständen. Es muss sorgfältig geprüft werden, ob solche Leerstände für geflüchtete Menschen ein sinnvolles Angebot sein können. Aber nicht Wohnen allein, sondern auch gute Infrastruktur und vor allem passende Arbeitsplatz-Angebote führen zu sozialer Integration. Zusätzliche Wohnungsangebote müssen daher schwerpunktmäßig in den Ballungsräumen, aber auch in solchen ländlichen Regionen geschaffen werden, die durch Handwerk und mittelständische Industrie geprägt und von der Abwanderung junger Menschen in die Städte betroffen sind.

Städtebauliche ­Standards

Neue Nutzungskategorie „Experimentelle Zonen zur Funktionsmischung“ schaffen!

Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) bildet die geänderten Wohn- und Arbeitsverhältnisse in unserer Gesellschaft nicht mehr hinreichend ab. Um weiteres Bauland, insbesondere im Innenbereich, für den Wohnungsbau zu mobilisieren, fehlt eine Nutzungskategorie für Wohnnutzung in Nachbarschaft von störendem Gewerbe. Dieser Gebietstyp kann die Lücke zwischen Wohnnutzungen im Mischgebiet MI (gleichrangig sind Wohnen und nicht störendes Gewerbe zulässig) und dem Gewerbegebiet GE (Wohnen ist ausnahmsweise zulässig, wenn es dem Betrieb zugeordnet und untergeordnet ist) schließen. Der Vorschlag der Bauministerkonferenz, einen neuen Baugebietstyp „Mischgebiet der Innenentwicklung“ („urbanes Quartier“) einzuführen, reagiert auf veränderte städtebauliche Anforderungen und wird daher unterstützt.

Städtebauliche Dichte erhöhen!

Gerade in den angespannten Wohnungsmärkten fehlt in der Regel Bauland für den aktuell erforderlichen Wohnungsneubau. Um den Außenbereich zu schützen, müssen unsere Städte dichter und kompakter werden. Die Kommunen sollten dafür ihre Planungshoheit nutzen und in Einzelfällen, wenn die Wohngesundheit sowie städtebauliche und baukulturelle Gründe dies zulassen, die Überschreitung der Obergrenzen des Maßes für die bauliche Nutzung aus städtebaulichen Gründen ermöglichen (§ 17 Abs. 2 BauNVO).

In den vorhandenen Quartieren muss geprüft werden, welche Möglichkeiten der Nachverdichtung in den Siedlungsstrukturen bestehen. Betont wird, dass es nach Abwägung städtebaulicher Vor- und Nachteile auch Grenzen der Nachverdichtung gibt. Der Vorschlag des Bundesbauministeriums, einen neuen Baugebietstyp „urbanes Gebiet“ einzuführen, reagiert auf veränderte städtebauliche Strukturen und wird daher unterstützt.

Außenbereich nur bei städtebaulichem Bedarf beanspruchen!

Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz bietet zeitlich befristete Erleichterungen für Flüchtlingsunterkünfte, die auch den Außenbereich betreffen (§ 246 Abs. 13 BauGB). Da sich hierdurch die bauliche Nutzung des Außenbereichs verfestigen kann, sollte die Nutzungsänderung aufgegebener Nutzungen nur mit einer städtebaulichen Begründung, die darlegt, weshalb keine Innenentwicklung möglich ist, aufgenommen werden. Grundsätzlich sollte auch hier das Primat der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung gelten, da insbesondere für die sozial schwächeren Gruppen die ortseingebundene Lage mit guter Infrastruktur unverzichtbar ist.

Soziale Standards

Unterschiedliche Standards ­ausschließen!

Die aktuelle Wohnungsnot ergibt sich auch aus der erheblichen Zuwanderung. Der Wohnungsneubau bekommt dadurch zusätzliche Dringlichkeit. Das darf jedoch nicht unterschiedliche oder reduzierte Standards erlauben. Qualitätsvoller und bezahlbarer Wohnungsbau für alle darf kein Unterlaufen von gültigen Standards zulassen.

Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum minimieren!

Gerade in den angespannten Wohnungsmärkten der deutschen Agglomerationsräume und Universitätsstädte kann die zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum für Flüchtlinge zu Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum mit einkommensschwachen Bürgern führen. Gerade in diesen Regionen muss rasch neuer bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen werden. „Für alle“ bedeutet, dass für besonders bedürftige Einkommensgruppen die Kategorie „Schlichtwohnungsbau“ weiterhin ein Fremdwort bleibt.

Hilfe zur Selbsthilfe initiieren!

In den Unterbringungseinrichtungen erleben die geflüchteten Menschen Langeweile und unstrukturierte Tagesabläufe. Soziale Spannungen sind die Folge. Es wird angeboten, dass Architekten gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft Angebote zur Selbsthilfe und Qualifizierung aufbauen können. Dies kann darüber hinaus zu einer Identifikation mit Heimat führen und im Einzelfall helfen, Kosten zu minimieren. Zudem ist die Selbsthilfe ein Weg, lokale Ökonomien zu stärken und wirtschaftsfördernde Effekte auszulösen.

Planungsstandards

Sharing-Modelle nutzen!

Der Wohnflächenbedarf pro Kopf steigt in Deutschland kontinuierlich und liegt aktuell bei rund 45 Quadratmetern. Das Wachstum ergibt sich aus kleineren Haushalten, älter werdenden Bewohnern und steigenden Wohnansprüchen der Menschen. Aufgrund der hohen Mietpreise und der Flächenverknappung müssen gerade in den Städten alternative Nutzungskonzepte bedacht werden. Schon lange setzt der soziale Wohnungsbau auf Gemeinschaftsräume. Sharing-Modelle sind aber auch möglich in der gemeinschaftlichen Nutzung von Erschließungsflächen, Außenanlagen, Hobbyräumen oder Arbeitszimmern.

Wirtschaftlich und effizient planen!

Zu der Expertise deutscher Architektinnen und Architekten gehört das flächensparende Planen von Grundrissen ohne Abstriche an der Qualität. So gelingt es oft, die Wohnflächenobergrenzen des geförderten Wohnungsbaus zu unterschreiten und damit Investitionskosten und Mietbelastungen zu senken. Angesichts der neuen Anforderungen müssen Grundrisse dabei aber variabler, teilweise ohne Raumhierarchien oder versehen mit zuschaltbaren Flächen konzipiert werden.

Technologieoffen planen!

Aktuell besteht kein wirtschaftlicher oder ökologischer Vorteil von modularem im Vergleich zu konventionellen Bauweisen. Einseitige Aussagen zu bestimmten Planungslösungen müssen vermieden werden. Allein die individuellen Rahmenbedingungen der Planungsaufgabe bestimmen die Bauweise.

Planungslösungen im Wettbewerb optimieren!

Architektenwettbewerbe sind ein hervorragendes Instrument für innovative Ideen und qualitätvolles Bauen. Gut vorbereitet, können sie zu Kosteneinsparungen und rasch umsetzbaren Konzepten mit innovativen Lösungen führen. Die BAK fordert, für anstehende Aufgaben des Wohnungsbaus auf Planungswettbewerbe zu setzen. Die Architektenkammern der Länder bieten ihre Kompetenz in der Beratung zu Wettbewerben kostenfrei an.

Der Zunahme von Sonderplanungs­leistungen ein Ende setzen!

In den letzten Jahren haben viele neue Beratungs- und Planungsleistungen die Baunebenkosten verteuert. Insbesondere sind Leistungen für den Brandschutz, die Baustellensicherheit, die Beratung zu den Förderprogrammen der KfW oder Nachhaltigkeitszertifizierungen zu nennen. Die Architektenkammern der Länder fordern, die diesbezüglichen gesetzlichen und förderfähigen Auflagen einer umfassenden Revision mit dem Ziel einer Vereinfachung zu unterziehen.

Bezahlbare Standards im Neubau

Energieeinsparverordnung neu ­strukturieren!

Die Erhöhung der energetischen Anforderungen für Neubauten ab dem Jahr 2016 verteuert das Bauen um weitere circa 7,3 Prozent. Bereits für den energetischen Standard EnEV ab 2016 kann die Wirtschaftlichkeit (Amortisationszeit < 20 a) in der Regel nicht nachgewiesen werden. Die Architektenkammern der Länder unterstützen den Beschluss der Bauministerkonferenz vom 29./30.10.2015 ausdrücklich, wonach eine strukturelle Neukonzeption von EnEV und EEWärmeG im Jahr 2016 notwendig ist. Diese Optimierung muss eine hohe Klimaschutzwirkung mit niedrigen Bau- und Bewirtschaftungskosten vereinbaren. Hierzu gehört eine kritische Evaluierung der EnEV, die überprüft, ob die theoretischen Einspareffekte in der Praxis tatsächlich wirksam werden und Lebenszyklusbetrachtungen einbezieht.

Barrierefreies Bauen im Sinne der Barrierearmut marktgerecht gestalten!

Barrierefreie und rollstuhlgerechte Standards können das Bauen deutlich verteuern. Die Architektenschaft beobachtet, dass sowohl barrierefreie als auch rollstuhlgerechte Wohnungen nicht in allen Quartieren gleichermaßen nachgefragt werden. Für bezahlbaren Wohnraum genügen barrierearme Standards, die alten Menschen ebenso wie jungen Familien hinreichenden Komfort bieten. Dabei können für die bauliche Vorbereitung von Wohnungen zunächst einfache Mindestanforderungen umgesetzt werden, damit später oder bei Bedarf mit geringem Aufwand nachgerüstet werden kann.

Eigenleistungen ermöglichen!

Der standardisierte Endausbau (zum Beispiel Tapete oder Bodenbelag) muss nicht zwingend vom Vermieter übernommen werden, sondern kann auch dem Mieter überlassen bleiben und nach dessen Vorstellungen erfolgen. Dies führt einerseits zu Kosteneinsparungen, andererseits zu einer hohen Identifikation des Mieters mit seinen vier Wänden. Die Erbringung von Eigenleistungen stärkt lokale Ökonomien und ist als Chance zu begreifen.

Stellplatzforderungen am Bedarf orientieren!

Wohnungsbau löst bauordnungsrechtlich stets die Pflicht zur Anlage von Stellplätzen aus. Die anteiligen Baukosten von Stellplätzen, die bei innerstädtischen Projekten in der Regel in Tiefgaragen untergebracht werden müssen, betragen circa 10 Prozent der Gesamtbaukosten. Auch Nutzungsänderungen im Bestand lösen eine neue Nachweispflicht für Stellplätze aus. Häufig führen Ablösezahlungen zur Unrentabilität von Existenzgründungen im Einzelhandels- und Dienstleistungssektor. Die Architektenkammern der Länder fordern gegenüber den Kommunen, dass Stellplätze nur nach dem tatsächlichen Bedarf und nicht aufgrund von Pauschalregelungen nachgewiesen werden müssen. ÖPNV-Angebote, der Ausbau des Fahrradverkehrs und Car- Sharing sind inzwischen zu einer Alternative zum motorisierten Individualverkehr geworden.

Bauplanungsrecht

Möglichkeiten der Bebauungs­planung ausschöpfen!

Bislang knüpfen zu wenige Kommunen Grundstücksverkäufe oder die Schaffung von Baurecht an Bedingungen für den s­ozialen Wohnungsbau. § 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB ermöglicht die Festsetzung von Flächen, auf denen nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind. Die Architektenkammern der Länder fordern die Kommunen auf, von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch zu machen und in den Bebauungsplänen Quotierungen für den sozialen Wohnungsbau vorzusehen.

BauNVO überprüfen!

Den Kommunen sollte es möglich sein, bei Bedarf und angemessener Abwägung abweichend von den gebietsbezogenen Bestimmungen der BauNVO Wohnnutzung festsetzen zu können. Entsprechende Vorschläge siehe oben zum urrbanen Quartier.

Bauordnungsrecht und Vollzug

Normen

Bezogen auf den Wohnungsbau sind die Regeln im Vergleich zur früheren Rechtslage überzogen. Die Dicken von Stahlbetondecken bei Bemessung nach Eurocode 2 liegen bis zu 20 Prozent über denen der ursprünglichen DIN 1045, obwohl die früher üblichen Konstruktionen weder Standsicherheits- noch Verformungsprobleme aufwiesen. Bestehende Normen müssen auf ihre Kostenwirkungen überprüft werden. Zu jeder neuen Norm muss eine Aussage zu den Folgekosten erfolgen.

Befristete Baugenehmigung!

Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sieht unter anderem zeitlich befristete Erleichterungen im Bauplanungsrecht für Flüchtlingsunterkünfte zur vorübergehenden Unterbringung vor. Um diese Regelungen bauordnungsrechtlich nutzen zu können, sollten die Länder das Instrument der Baugenehmigung auf Zeit und Widerruf gewährleisten.

Genehmigungen beschleunigen

Die kommunalen Bauaufsichtsbehörden sind oft unterbesetzt. Ihr Personal muss aufgestockt werden, um die Baugenehmigungsverfahren wieder zu beschleunigen. Verwaltungshandeln braucht Fachkompetenz: Architekten und Ingenieure bieten diese an.

Qualifiziertes Verwaltungspersonal!

Die Länder bieten derzeit nicht im gebotenen Umfang Qualifizierungsangebote für die Verwaltungsaufgaben an. Die Architektenkammern der Länder fordern eine ­Offensive sowohl für das Hochbaureferendariat als auch das städtebauliche Referendariat, um Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst nicht nur mit Verwaltungsjuristen, sondern auch mit qualifizierten Architekten und Ingenieuren besetzen zu können.

Förderung

Sozialen Wohnungsbau reaktivieren!

Das Instrument der sozialen Wohnraumförderung hat sich über Jahrzehnte in der Bundesrepublik Deutschland bewährt und sollte einen Neustart erfahren. Zur Renaissance des geförderten Wohnungsbaus bedarf es nach Auffassung der Architektenkammern der Länder bundesweit der Schaffung landesrechtlicher Regelungen zur Wohnraumförderung (Wohnraumfördergesetze) sowie damit einhergehend des (Wieder-)Aufbaus von Wohnungsbauvermögen. Durch das klassische Instrument der Darlehensförderung können so Rückflüsse generiert werden, die üblicherweise wieder für die Wohnraumförderung des Landes zur Verfügung gestellt werden können.

Darlehensförderung durch Zuschussförderung ergänzen!

Angesichts des geringen Zinsniveaus auf dem Geldmarkt ist es sinnvoll, die Darlehensförderung durch die Gewährung direkter und indirekter Zuschüsse („Tilgungsnachlässe“) zu ergänzen. Diese Direktförderungen können durchaus an Bedingungen geknüpft werden.

Abschreibungen verkürzen!

Die Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsbau von 50 Jahren entsprechen nicht mehr dem tatsächlichen Werteverzehr. Der hohe Anteil technischer Anlagen an der Gesamtinvestition mit Lebensdauern deutlich unter 50 Jahren erfordert eine deutlich verkürzte lineare oder eine degressive Ausgestaltung. Die Reduzierung der Abschreibungsdauer auf 30, maximal 40 Jahre ist in Anbetracht der Randbedingung dringlich.

MEHR INFORMATIONEN
Den vollständigen Forderungskatalog können Sie hier herunterladen.

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