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[ Energieeffizienz Interview ]

Weniger ist Zukunft

Südtirol ist Vorreiter für eine energieeffiziente, nachhaltige Baukultur. Der renommierte Verfahrenstechniker Thomas Auer sieht Italien als eine Quelle für klimagerechtes Bauen. Warum erzählt er im Interview.

Interview: Bettina Erdmann

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Südtirol sieht sich seit Jahren in der Vorreiterrolle für eine energieeffiziente, nachhaltige Baukultur. Das EU-Projekt „Sinfonia“ will Bozen und Innsbruck zu europaweiten Vorzeigestädten machen – mit reduziertem Energieverbrauch bei höherer Lebensqualität. Das in den Pilotstädten gewonnene Wissen soll anderen Städten helfen, energieeffiziente Sanierungsstrategien zu verwirklichen. Thomas Auer weiß wie das geht. Der Verfahrenstechniker ist Partner und Geschäftsführer der Transsolar Energietechnik GmbH, einem führenden Beratungsunternehmen für innovative Klima- und Energiekonzepte, und hat seit 2014 eine Professur für Gebäudetechnologie und Bauklimatik an der TU München inne. Von ihm und seinem Team entwickelte Konzepte zielen darauf ab, Gebäude für Nutzer auf natürlichem Wege komfortabel zu gestalten. Das Prinzip soll zum integralen Bestandteil der Architektur werden. Auer sieht Italien als eine Quelle für klimagerechtes Bauen.

Sie wollen durch weniger Energieverbrauch und  Technik mehr Komfort erzielen. Braucht es dafür ein Umdenken?

Im zurückliegenden Jahrzehnt wurde Energieeffizienz eher technologisch betrachtet. Ein Umdenken hin zu ganzheitlichen Prozessen im städtischen Umfeld ist nötig. Vor allem, wenn die Ziele der EU-Roadmap erreicht werden sollen, die CO2-Emission bis 2050 um 80 Prozent zu senken und den Gebäudebestand quasi klimaneutral zu machen.

Wie geht das genau? Wie soll das konkret funktionieren?

Wir müssen die gebaute Umwelt verändern. Über Gestaltung sind beste Aufenthaltsbedingungen zu schaffen, architektonische und haptische Qualität inbegriffen. Dazu aber müssen wir uns stärker mit den Menschen auseinandersetzen. Bislang wurde auch zu wenig mit denen gesprochen, die diese Umwelt planen.

Wohin geht die Entwicklung?

Erkennbar ist eine Tendenz zu mehr Simplizität. Ein Teil des Know-Hows dafür ging verloren. Doch geraten natürliche Materialien wie Holz und Lehm, dazu graue Energie, wieder in den Fokus. Materialität muss stärker an die Funktionalität gebunden werden. Das heißt auch: Materialien sind weiterzuentwickeln, um selbstregulierende Funktionen für den Raum zu erzielen. Die Form des Gebäudes und die Systeme zu vereinfachen – in diese Richtung muss weiter geforscht werden. Und natürliche Bedürfnissen sind zu berücksichtigen. Es ist eigentlich ein Unding, dass sich in keinem New Yorker Bürogebäude mehr ein Fenster öffnen lässt, Klimaanlagen auf Hochdruck arbeiten und bei Stromausfall alle das Haus verlassen müssen. Wir versuchen, innovative Gebäude mit geringstem Energieeinsatz zu planen.

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Thomas Auer hat seit 2014 eine Professur für Gebäudetechnologie und Bauklimatik an der TU München inne. Foto: Transsolar.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Eine Herausforderung war beispielsweise ein Bürobau für den lokalen Energieversorger im kanadischen Winnipeg. Die Stadt gilt als kälteste Großstadt der Welt. Allerdings weist sie eine größere Solareinstrahlung als Mailand auf. Diese galt es zu nutzen. Das Gebäude wurde nach Osten und Westen ausgerichtet. Auf der Südseite fangen große, drei- bis sechsgeschossige Wintergärten die solaren Gewinne auf. Über einen Solarkamin werden die 65.000 Quadratmeter des Hauses bei entsprechender Witterung natürlich gelüftet – unter diesem sind ca. 300 Erdsonden verankert.

Und in dem Gebäude lassen sich die Fenster öffnen?

Heute ist das Haus das einzige Bürogebäude in Winnipeg, dessen Fenster sich öffnen lassen. Das individuelle Gefühl für Jahreszeiten wird mit schwankenden Temperaturen im Inneren – im Sommer bis 26 Grad, im Winter 20 Grad – erlebbar. Auf eine Tiefgarage wurde verzichtet. Beschäftigte kommen mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie weisen deutlich weniger Krankheitstage auf.

Wie sieht es mit dem Energieverbrauch aus?

Nach zwei Jahren bestätigten Messungen, dass auch das energetische Ziel der Reduzierung des Energieverbrauchs auf unter 90 kWh/m² und Jahr erreicht war. Bürogebäude in Kanada verbrauchen bis zu 450 ­– und die Normung verlangte seinerzeit einen Energiebedarf von unter 250 kWh/m² und Jahr. Das ist ein wirklich innovatives Gebäude geworden.

 Bettina Erdmann ist freiberufliche Journalistin in Berlin.

Sie führte das Gespräch während des KlimaHaus Kongresses auf der Messe Klimahouse in Bozen.

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