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[ Schwerpunkt: Wissen ]

Neue Klassenziele

Beispiele für das bunte Spektrum der gegenwärtigen Schularchitektur

Text: Cornelia Dörries

Wer sich als Architekt mit der Planung und dem Bau von Schulen beschäftigt, hat es mit einer Vielfalt von teilweise stark idealistischen Anforderungen zu tun. Denn die Aufgabe der Schule von heute lässt sich schon längst nicht mehr auf die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen im Unterricht beschränken; hier sollen sich in einer geschützten Atmosphäre Persönlichkeiten entwickeln, Integration, Inklusion und Kommunikation stattfinden sowie Konflikte ausgehandelt werden können. Die im Folgenden vorgestellten Projekte stehen exemplarisch für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten im Schulbau. Dabei geht es keineswegs nur um Ideen für Neubauten, sondern auch um einen intelligenten Umgang mit dem vorhandenen, baulich sehr heterogenen Bestand.

Punktlandung der Silberdrachen

Modernisierung von ­gründerzeitlichem Bestand

Erika-Mann-Grundschule, Berlin-Wedding. Architekten: die Baupiloten (TU Berlin) mit Frank Drenckhahn, Johannes Gutsch, Gordana Jakimovska, Nils Ruf, Urs Walter unter der Leitung von Susanne Hofmann. Architekt Altbau: Ludwig Hoffmann.

 

Kindliche Phantasie und die Neugier von Architekten trugen dazu bei, eine wilhelminisch-strenge, düstere Erziehungsanstalt in einem migrantisch geprägten Berliner Stadtteil in eine bunte, summende und fröhliche Ganztagsschule zu verwandeln. Von Beginn an bezogen die Architekten die Kinder mit ihren Vorstellungen, Träumen und Erwartungen an „ihre“ Schule in alle Planungen ein und wurden mit den Workshops, Befragungen und Exkursionen ihrerseits zu einem Teil des Unterrichts. Diese lebendige Dialektik ist der Umgestaltung des Hauses anzusehen. Mit einem kleinen Budget in Höhe von knapp 129.000 Euro wurde tatsächlich gezaubert. Ausgangspunkt war eine von Kindern, Architekten und Pädagogen gemeinsam entwickelte Legende, in der die von den Kindern erfundene, ausgemalte und ständig weitergesponnene, phantastische Welt von Silberdrachen in eigens gefertigte Einbau- und Gestaltungselemente, Möbel, Farben, Licht und Materialien übersetzt wurde. So verwandelten sich die kahlen, hohen Flure des viergeschossigen Gebäudes in anregende Lern- und Aufenthaltslandschaften, es gibt jetzt einen Chillroom, und selbst die Schultoiletten wurden nach den zusammen erarbeiteten Vorstellungen umgestaltet. Die Schule ist von 6 bis 18 Uhr geöffnet; die Räume sind für die Ganztagsbetreuung ausgebaut. Die Architekten kümmerten sich neben der Planung um die professionelle Umsetzung der von der Schülerschaft formulierten Umgestaltungsvorschläge. Die außergewöhnlich starke Einbindung der Schüler führten dazu, dass diese sich nun besonders mit ihrer Schule identifizieren.

Im Lernhaus

Neubau Grundschule

Grundschule am Arnulfpark, München. ­Architekten: Hess Talhof Kusmierz, München

 

Der Neubau der Grundschule für das entstehende Wohnquartier am Arnulfpark steht beispielhaft für die Übersetzung zeitgemäßer pädagogischer Konzepte in Architektur: jahrgangsübergreifender Unterricht, Wechsel von Lerneinheiten in großen und kleinen Gruppen, die Nutzung verschiedener Innen- und Außenräume für unterschiedliche Unterrichtsformate sowie abwechslungsreiche, über das ganze Haus verteilte Lern-, Spiel- und Beschäftigungsszenarien. Im Erdgeschoss befinden sich die gemeinschaftlich genutzten Bereiche wie Pausen- und Mehrzweckhalle, Musik- und Werkraum sowie die Schulküche. Die hauseigene Sporthalle wurde ins Untergeschoss gelegt. Den vier, jeweils dreizügigen Grundschuljahrgängen, die in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen organisiert sind, stehen eigene „Lernhäuser“ in der ersten Etage zur Verfügung. Diese Lernhäuser beherbergen drei Klassenräume sowie Beschäftigungs-, Spiel-und Aufenthaltsbereiche für die Zeit nach dem Unterricht und sind als separate, auf dem ­Sockel ruhende Baukörper ausgeführt. Die Lernhäuser lassen dank ihres Zuschnitts und ihrer Anordnung ein hohes Maß an Identifikation und Vertrautheit entstehen und sind für die Kinder überschaubar. Die Freiflächen zwischen ihnen dienen als ruhige, begrünte Dachterrassen für den Unterricht wie für die Freizeit. Da auch die Fluchtwege über diese Außenbereiche führen, können die Flure im Inneren der Lernhäuser als Pausen- und Unterrichtsfläche genutzt werden. Hier befinden sich außerdem Garderoben, Schließschränke und Stauraum für Unterrichtsmittel. Entlang der Nordflanke des lang gezogenen Riegels springt die Erdgeschossfassade zurück und bietet Platz für eine überdachte 50-Meter-Laufbahn, die sich mit ihrer froschgrün-fröhlichen Farbe lebendig von der ansonsten zurückhaltenden Gestaltung absetzt.

Plattenbau, verzaubert

Umbau und Erweiterung einer Typenbauschule

Grundschule Potsdam-Eiche. Architekten: Galandi Schirmer Architekten, Berlin

 

Auch wenn man es nach dem Umbau durch das Berliner Büro Galandi Schirmer Architekten nicht mehr sieht: Bei der auf einer Anhöhe liegenden Grundschule in Potsdam handelt es sich um einen DDR-Typenschulbau der Reihe „Erfurt“, ein Modell, das seinerzeit landauf, landab in Plattenbauweise errichtet wurde und das einen Großteil des Schulbau-Bestands in den neuen Bundesländern bis heute prägt. Das vorliegende Beispiel zeigt, dass die mutmaßlich starre Ausgangssituation überraschend viele Gestaltungsräume bietet, auch wenn der Bestand – zwei dreigeschossige Hauptgebäude, die durch zweigeschossige Verbindungstrakte miteinander verbunden sind und einen H-förmigen Grundriss mit Atrien und Hofsituationen bilden – nur wenig grundlegende Interventionen erlaubt. Doch selbst ein Typenbau aus einer längst vergangenen bau- wie auch bildungspolitischen Ära lässt sich mit zupackender gestalterischer Phantasie für Gegenwart und Zukunft rüsten.

Mit dem neu entwickelten Farb- und Materialkonzept wurde dem Haus auch der letzte mausgraue Plattenbau-Geist ausgetrieben: die einstmals strengen, kahlen Flure sind heute einladende Bereiche mit Aufenthaltsqualität und reichlich Tageslicht, und alle Räume sind von einer fröhlichen, freundlichen Atmosphäre erfüllt. Um die Schule für dreizügige Jahrgänge zu qualifizieren, war auch ein ergänzender Neubau erforderlich, der zwölf Unterrichtsräume sowie einen Mehrzweckbereich beherbergt. Zudem umfassten die Baumaßnahmen, die während des laufenden Schulbetriebs erfolgen mussten, neben der energetischen Sanierung des Hauses, einer grundlegende Modernisierung der Haustechnik und des Sonnenschutzes auch die Neuorganisation der Außenanlagen.

Blick über die Grenze: Gebautes Bildungsideal

Neubau weiterführende Schule

Ørestad College, Kopenhagen. Architekten: Büro 3xn, Kopenhagen

 

Der Neubau des Gymnasiums befindet sich im größten Stadterweiterungsgebiet der dänischen Hauptstadt und ist Lernort für gut 1.000 Schüler der Abiturstufe. Das außen fast streng wirkende, viergeschossige Gebäude mit seiner farbig durchsetzten Glaslamellenfassade überrascht im Inneren mit einer fließenden Offenheit. Die Erschließung erfolgt über eine breite Holztreppe, die sich durch die versetzten Etagen schwingt. Ungewöhnlich für deutsche Schulen, hier jedoch eine Selbstverständlichkeit: eine Rezeption im Erdgeschoss, die als Empfang, Anlaufstelle, Arbeitsplatz der Verwaltung und Sitz der Schulleitung dient. Auf dieser Ebene befinden sich auch alle Räume mit Öffentlichkeitscharakter: Sporthalle, Musikbereich und Cafeteria. Die oberen Etagen sind dem Lernen vorbehalten, das sich jedoch nicht mehr nur in abgeschlossenen Unterrichtsräumen abspielt, sondern in ganz unterschiedlichen Bereichen.

Die abwechslungsreiche Kombination von Nischen für das stille Lernen, kollektiv zu nutzenden Lerninseln, geschlossenen Instruktions- und Fachräumen, offenen Plateaus und Arbeitszonen lässt jene hierarchiefreie, offene Atmosphäre entstehen, in der das demokratische Schulideal des Landes zu sich selbst kommt. Damit eine Zuweisung von Unterrichtseinheiten an die jeweils passenden Räume erfolgen kann, sind die einzelnen Bereiche nummeriert. Sporthalle, Aula und Foyer im Erdgeschoss stehen auch für kommunale Zwecke und Vereine zur Verfügung. Bei schulfremden Veranstaltungen wie Wettkämpfen, Konzerten, Ausstellungen oder Podiumsdiskussionen lassen sich die Obergeschosse mit den Lernbereichen und Fachräumen durch eine mobile Trennwand vom Erdgeschoss abtrennen.

Nicht vom Himmel gefallen

Neubau Förderschule

„Schule im UFO“, Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung des Kreises Mettmann, Velbert. Architekt: Roland Dorn, Köln

 

Der Name der Schule ist kein Zufall. Das Gebäude ist ein markanter, dreigeschossiger Rundbau, dessen räumliche Organisation dem pädagogischen Konzept einer Förderschule mit besonderem Betreuungsbedarf folgt. Wer hier den Unterricht besucht, braucht mehr soziale und emotionale Unterstützung als andere und besonders sensibel gestaltete Räume zum Lernen und Sich-Ausprobieren. Dem entspricht die Architektur mit einer ausgewogenen, harmonischen Gestaltung, die auf harte Kanten und grelle Reize verzichtet.

Die Innenräume gruppieren sich um eine zentrale Aula mit Lichtkuppel, die freundlich-offene Herzkammer der Schule. Im Erdgeschoss befinden sich neben den Klassen- und Lernräumen für die jüngeren Schüler eine Cafeteria sowie Werkstätten und Räume für praktischen Unterricht. Die Fachräume sowie Klassen- und Lernbereiche der höheren Jahrgangsstufen sind im ersten Obergeschoss untergebracht, während das Gartengeschoss einen großzügigen Therapiebereich, Räume für Entspannung, Krafttraining und psychomotorische Kurse sowie das Lehrerzimmer beherbergt. Die Schüler werden in kleinen, jahrgangsübergreifenden Lerngruppen unterrichtet, denen jeweils zwei unterschiedlich große Räume zur Verfügung stehen. Während im großen Klassenzimmer der gemeinsame Unterricht stattfindet, ist der angeschlossene kleine Raum für Kleingruppen- und Einzelbeschäftigung vorgesehen. Die vielfältigen Blickverbindungen sowohl zwischen den großzügig verglasten Innenräumen selbst als auch zwischen Innen- und Außenbereich lassen eine lichte, heitere Offenheit entstehen. Die Schule wurde für ihr gemeinsam mit Pädagogen, Psychologen und dem Architekten entwickeltes bauliches Konzept schon mehrfach ausgezeichnet und gilt als wegweisende Einrichtung ihrer Art in Deutschland.


Klassenziel erreicht: Beispielhafte Projekte für gelungene Schularchitektur in Deutschland

 

DAS KANN SCHULE MACHEN
Weitere Projekte sowie Hinweise und Links zum Thema Schularchitektur finden Sie HIER.

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