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[ Schwerpunkt: Wissen ]

Einzig, aber bloß nicht artig

Die Junior Uni Wuppertal bietet dem Nachwuchs eine besonders gestaltete Lernatmosphäre, in der Herumtoben ausdrücklich erlaubt ist.

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Farbliche Akzente statt quietschbunt: Nur einzelne Bereiche des Foyers der Junior Uni sind farbig gestaltet, wie hier der grüne In­formations- und Seminarbuchungs-Bereich.

Text: Nils Hille

„Schhh“, macht die Kindergärtnerin immer und immer wieder. „Schhh, jetzt seid doch mal still! Ihr macht ja Lärm wie 20 Rabauken“, ruft sie. Doch ihre Ansage geht bei der hohen Lautstärke völlig unter. Viel zu aufgeregt sind die acht Mädchen und Jungen, die durch das Foyer toben. Die einen spielen Fangen, die anderen entdecken gerade die Wandgestaltung mit den vielen Piktogrammen und unterhalten sich lautstark darüber, was sie darin sehen. Und ein paar von ihnen liegen quietschend und kugelnd auf den bunten Kissen der quadratischen, rollbaren Elemente und starren immer wieder an die Decke. Dabei strecken sie ihre kleinen Finger in die Höhe und zeigen auf die Versorgungsleitungen, die hier offen sichtbar an der Betondecke hängen. „Was da wohl drin ist, in dem Rohr“, sagt der eine Junge. Das Mädchen neben ihm zuckt mit den Schultern und sagt: „Ich frage gleich mal.“

Einzigartiges für Entdecker

Eine trefflichere Begrüßungssituation hätte es hier wohl nicht geben können. „Willkommen an der Junior Uni Wuppertal“, sagen kurze Zeit später auch Brigitte Schöpf, Innenarchitektin und Inhaberin von Schöpf + Partner, und Professor Ernst-Andreas Ziegler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Junior Uni. Sie beide freuen sich, dass eine Kindergartengruppe nach der anderen das Gebäude betritt – und sind eher erschrocken, wenn diese sich ganz diszipliniert verhalten. So würden daraus doch keine kleinen und später großen Entdecker werden, wenn sie sich nicht frei bewegen und 14-19_Artikel_7
entfalten könnten. Denn genau dafür steht diese in Deutschland einzigartige Bildungseinrichtung. Ziegler erklärt: „Zwar gibt es viele Hochschulen mit ähnlichen Angeboten für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die sind aber immer nur temporär. Wir dagegen machen für den Nachwuchs das ganze Jahr über Angebote.“

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Planerin und Projektleiter: Innenarchitektin Brigitte Schöpf und Professor Ernst-Andreas Ziegler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Junior Uni Wuppertal.

Nach ersten Jahren an einem kleinen, angemieteten Standort mit dürftiger Ausstattung stieß die Junior Uni immer wieder an ihre räumlichen und technischen Grenzen. Wie sollte man auch mit einem Wasseranschluss drei Chemiekurse gleichzeitig versorgen? Ziegler ging auf Sponsorentour oder, wie er sagt: „Betteltour“. Die Wirtschaft im Bergischen Land zeigte sich begeistert von seiner großen Idee dieses die üblichen Bildungseinrichtungen ergänzenden Angebots. „Viele sehen die Junior Uni als Chance, dringend gesuchte Fachkräfte von morgen für das freiwillige Experimentieren und Forschen zu begeistern und sie so stärker zu machen für den späteren Einstieg in Berufsausbildung oder Studium“, sagt er. Es kamen beeindruckende rund zehn Millionen Euro zusammen und Ziegler konnte seinen Traum von einem eigenen Gebäude direkt an der Wupper realisieren.

Das in der Stadt beheimatete Büro goedeking niedworok architekten plante und baute den farbenfrohen Bildungsbau, der in seiner geschwungenen Form den Lauf des Flusses adaptiert; Brigitte Schöpf entwarf mit ihren Kollegen die passende Innenarchitektur. Fünf Millionen Euro durfte die Junior Uni inklusive Grundstück kosten – bei der Abrechnung nach Fertigstellung im September 2013 waren von diesem Budget sogar 200.000 Euro übrig, die dann zusätzlich in die Bildungsangebote der gemeinnützigen GmbH fließen konnten. Wohl auch, weil alle Beteiligten großen Ehrgeiz bei der Sache zeigten. „Außer ein paar wenigen Flecken an den Wänden hatten wir keine Baumängel bei der Abnahme zu monieren“, so Ziegler. Voll des Lobes ist der Bauherr auch für die innenarchitektonische Gestaltung: „Wir hatten zwar viele Ideen im Kopf, wie das alles mal im Inneren sein könnte, aber erst Brigitte Schöpf fügte diese zu einem schlüssigen Konzept zusammen.“

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Wahrzeichen: Das Gebäude von goedeking niedworok architekten steht direkt neben der Wuppertaler Schwebebahn. Der Grundriss (oben) des Erdgeschosses zeigt die Offenheit.

Die Mauer muss weg

Eine deckenhohe Wand hätte eigentlich im Foyer hinter dem Empfangstresen stehen sollen, um im Erdgeschoss einen weiteren Seminarraum zu schaffen. Schöpf schaute sich die Grundrisse an und schüttelte nur den Kopf. „Das hätte die tolle, offene Atmosphäre zerstört. Wir wollten einen Raum, der frei von jeder Hemmschwelle ist“, sagt sie. Und so plante sie eine offene Struktur mit nur einem größeren eingebauten Element – einem runden, weiß-grünen Infopunkt. Damit blieb sehr viel Platz für erste Entdeckungen der Kinder – genauso wie für wartende Eltern, die hier Kaffee trinken, aber auch in Ruhe arbeiten können. Eine Lichtlinie im Boden verbindet die verschiedenen Funktionsbereiche und steuert auf das wie durch eine riesige Lupe zu betrachtende Bild der Weltkugel zu. Ziegel erklärt: „Der blaue Planet strahlt hier aus gutem Grund im Foyer, denn wir vermitteln die Kenntnisse des Universums.“ Und Schöpf ergänzt: „Er steht zentral neben der Leinwand, die bei Vorträgen heruntergefahren werden kann. Dann wird das Foyer zum Hörsaal für 150 kleine und große Studenten oder Besucher.“

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So groß ist die Welt: Eine Art überdimensionale Lupe mit einer Fotografie der Erde dient im Foyer als zen­traler Orientierungspunkt für die kleinen Besucher.

Und das mit wenigen Handgriffen: Die bunten Sitzelemente lassen sich leicht herausrollen, dafür kommen die stapelbaren Stühle hinein. Selbst die Gebäudestützen an den Rändern stören bei Veranstaltungen nicht, sondern laden zum Entdecken ein. Sie werden nach und nach zu Themensäulen, die Fakten zum Planeten Erde liefern, wie zur Verteilung von Wasser und Land auf der Erdoberfläche oder zu den flächengrößten Ländern. Dabei bleiben sie gezielt grau in grau, während Schöpf an anderen Stellen, wie dem Inneren der Lampenschirme und einzelnen Wandbereichen, an denen Monitore hängen oder Computer stehen, kräftige Farben eingesetzt hat.

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Informieren, entdecken, warten, ausruhen: Der Eingangsbereich der Junior Uni erfüllt ohne Probleme gleich mehrere Funktionen.

Jede der drei darüberliegenden Etagen hat zur Orientierung ebenso ihre eigene Farbe. In den Fluren, die zu Seminarräumen, Laboren und Büros führen, sind die Böden komplett in blauem, grünem oder rotem Linoleum gehalten. An den weißen Wänden taucht die Farbe nur dezent in Form von Kopfsilhouetten bekannter ­Wissenschaftler und anderer möglicher Vorbilder auf, die schon im Foyer als Markierungen für Treffpunkte dienen. „Egal in welchem Alter und mit welchen Sprachkenntnissen die Studenten zur Junior Uni kommen: Sie alle können sich so leicht orientieren“, sagt Schöpf. Und sie alle dürfen auch in den Obergeschossen nicht nur experimentieren und lernen, sondern in Räumen mit vielen bunten Sitzsäcken auch einfach entspannen – oder halt rumtoben.

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