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[ Schwerpunkt Gefahr ]

Damit der Park kein Tatort wird

Die Architektin Ingrid Hermannsdörfer koordiniert den Bereich „Städtebauliche Kriminalprävention“ im Landeskriminalamt Berlin. Dort beschäftigt sie sich mit dem Zusammenhang zwischen Architektur und Sicherheit im städtischen Raum und der Frage, wie umsichtige Planung dazu beitragen kann, Kriminalität zu verhindern.

Interview: Cornelia Dörries

DAB: Sie beschäftigen sich als Architektin im Polizeidienst mit der Frage, wie Räume, Plätze und Gebäude beschaffen sein müssen, damit Verbrechen gar nicht erst stattfinden. Welche Kriterien legen Sie dabei zugrunde?

Ingrid Hermannsdörfer: Wichtig ist zunächst etwas, das man nicht unbedingt sofort mit Kriminalität in Zusammenhang bringen würde, nämlich eine gute Instandhaltung von Gebäuden und öffentlichen Räumen. Denn Verwahrlosung signalisiert immer, hier gebe es keine verbindlichen sozialen Regeln und Normen. Durch neuere Studien wurde bestätigt, dass verstreuter Müll, Graffiti, zerkratzte Scheiben an Bushaltestellen und Zerstörungen zu weiteren Normverletzungen verleiten. Gleichzeitig fühlen sich viele Menschen in verwahrlosten Räumen verunsichert, weil sie befürchten, dass ihnen hier im Notfall niemand zu Hilfe kommen würde. Es ist also wichtig, Vandalismusschäden und Müll zügig zu beseitigen und insbesondere bei Grünanlagen auf einen guten Pflegezustand zu achten.

Unbehagen frei Haus: In diesem Hof entfaltet sich schon tagsüber eine beklemmende Atmosphäre.
Unbehagen frei Haus: In diesem Hof entfaltet sich schon tagsüber eine beklemmende Atmosphäre.

In jeder Stadt gibt es Plätze oder Gegenden, an denen eine gewisse Verwahrlosung um sich greift. Wann wird aus solchen Räumen ein Ort, der auch aus kriminologischer Sicht „gefährlich“ oder unsicher ist?

Man muss unterscheiden zwischen Orten, die möglicherweise tatsächlich gefährlich sind, und Orten, die als gefährlich wahrgenommen werden. Wir haben es mit einem Unterschied zwischen tatsächlicher Sicherheitslage, also der „objektiven Sicherheit“, und dem individuell unterschiedlichen Sicherheitsempfinden, der „subjektiven Sicherheit“, zu tun. Auf beides muss die Städtebauliche Kriminalprävention eingehen. Manche Orte verändern ihren Sicherheitscharakter auch mit der Tageszeit. Ein tagsüber belebter Park oder ein Platz, auf dem man sich im Hellen entspannt aufhalten kann, auch wenn er nicht in allen Bereichen übersichtlich ist, kann nachts unsicher sein. Objektiv gefährlich können Orte sein, die abgelegen, wenig frequentiert, unübersichtlich, verwahrlost oder schlecht beleuchtet sind. Durch das Fehlen von sozialer Kontrolle durch andere Menschen, zu wenig Licht und unzureichende Sicht ergeben sich im Zusammenhang mit gewissen räumlichen Strukturen Tatgelegenheiten für verschiedene Delikte: Diebstähle, Raubtaten, Sexualstraftaten oder Drogenhandel. Solche Orte werden allerdings von den meisten Menschen auch als potentiell gefährlich empfunden und möglichst gemieden, zumindest zu bestimmten Zeiten. Auch Orte, die von einzelnen Nutzergruppen dominiert werden, z. B. von Drogen- oder Alkoholkonsumenten, lösen bei vielen Leuten Unbehagen und Unsicherheit aus.

In diesem U-Bahnhof finden sich zwar die üblichen Verunzierungen, doch mit einer zuverlässigen Beleuchtung und dem lange geöffneten Laden ist der Gang auch abends kein gefährlicher Ort.
In diesem U-Bahnhof finden sich zwar die üblichen Verunzierungen, doch mit einer zuverlässigen Beleuchtung und dem lange geöffneten Laden ist der Gang auch abends kein gefährlicher Ort.

Wie kann man schon bei der Planung auf solche Aspekte reagieren? Oder anders gefragt: Gibt es bestimmte sicherheitsrelevante Parameter, die Architekten schon beim Entwurf beachten sollten?

Die Gewährleistung sozialer Kontrolle durch eine Aufenthaltsqualität, die viele unterschiedliche Nutzergruppen anspricht und Sichtbezüge erlaubt, ist ein wichtiger Aspekt. Die Möblierung öffentlicher Räume sollte also nicht einfach bestimmten Moden oder einem rein ästhetischen Zeitgeist folgen, sondern muss die Bedürfnisse unterschiedlicher Altersgruppen, soziale und kulturelle Hintergründe sowie psychologische Belange, wie beispielsweise geschlechtsspezifische Unterschiede in der Raumnutzung, berücksichtigen. Räumliche Strukturen, die tatbegünstigend wirken können, sind beispielsweise Nischen, Gebäuderücksprünge oder eine Sicht behindernde Bepflanzung. Jeder kann sich leicht vorstellen, dass es Unbehagen erzeugt, wenn neben einem schlecht beleuchteten Hauseingang mit seitlichen Schutzwänden auch noch hohe Sträucher stehen. Barrierefreiheit und gute Orientierungsmöglichkeit sind weitere Aspekte. Stellen Sie sich vor, Sie sind schon etwas älter und gehbehindert und müssen einen Platz überqueren, der mit einem halben Dutzend unterschiedlicher Pflasterungsarten gestaltet wurde – das bedeutet, dass Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit auf die unfallfreie Fortbewegung richten müssen, so dass Ihnen möglicherweise entgeht, dass sich gerade jemand anschickt, Ihnen das Portemonnaie aus der Tasche zu ziehen oder die Handtasche zu entreißen. Dasselbe kann passieren, wenn Sie Mühe haben, sich auf einem unübersichtlichen Platz ohne Orientierungshinweise zurechtzufinden. Bestimmte Delikte können leider überall und ortsunabhängig passieren, insbesondere Affekttaten. Plötzliche Gewaltexzesse unter Alkoholeinfluss z. B. werden auch durch Videoüberwachung des betreffenden Ortes oder durch die Anwesenheit von Zeugen nicht unbedingt verhindert.

Lassen sich solche allgemein verbindlichen Kriterien auch für Gebäude formulieren?

Vielfach ergeben sich Sicherheitsrisiken aus der Gebäudegeometrie, die ungewollte Versteckmöglichkeiten für potentielle Täter anbietet: durch Rücksprünge, Mauern, Nischen oder verwinkelte Flure. So sollten Hauseingänge grundsätzlich nischenfrei und möglichst transparent gestaltet werden. Einbrüche im Erdgeschoss werden oft erleichtert, weil hohe Sträucher vor den Fenstern den potentiellen Tätern guten Sichtschutz bieten. Doch grundsätzlich gilt: Jede Situation muss individuell betrachtet werden. Wie ist die jeweilige Lage vor Ort? Gibt es Auffälligkeiten in punkto Kriminalität? Wenn ja, lassen diese sich mit den konkreten räumlichen Bedingungen in Verbindung bringen? Welche Einflussfaktoren gibt es im Umfeld? Mit welchen konkreten baulich-gestalterischen Veränderungen kann man den Prinzipien der städtebaulichen Kriminalprävention gerecht werden? Wie lässt sich soziale Kontrolle herstellen? Wer muss in den Planungsprozess einbezogen werden? Partizipation ist dabei ein wichtiger Punkt: Städtebauliche Kriminalprävention ist auf Netzwerkarbeit und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Informelle soziale Kontrolle entsteht und funktioniert dann, wenn die Anwohnerschaft bzw. die Nutzerinnen und Nutzer sich durch Teilnahme an der Planung mit ihrem Wohnumfeld identifizieren und deshalb bereit sind, sich zu engagieren und Verantwortung dafür zu übernehmen.

Wohin können sich Planer mit speziellen Fragen zu Kriminalitätsprävention und Sicherheit wenden?

Die Polizei bietet allen, die planen und bauen sowie raum- und baubezogene Konzepte entwickeln, eine kostenlose Beratung an. Sinnvollerweise sollte dieses polizeiliche Erfahrungswissen bereits in der Phase der Vorplanung einbezogen, wenn nicht sogar schon zum Bestandteil der Grundlagenermittlung gemacht werden. In Berlin kann man sich an den Bereich Städtebauliche Kriminalprävention der Zentralstelle für Prävention beim Landeskriminalamt wenden. Wir bieten Ortsbegehungen an und beraten bei konkreten Problemlagen, beteiligen uns an Planungsverfahren, Runden Tischen und Verwaltungsrunden und nehmen Stellung zur Bauleitplanung sowie im Rahmen von Wettbewerbsverfahren. In den anderen Bundesländern sind die Strukturen unterschiedlich, aber es gibt überall polizeiliche Ansprechpartner/innen für diese Form der Prävention.

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