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[ HOAI ]

HOAI: kein Dumping per Baukosten-Vereinbarung

Seit der HOAI 2009 konnten Architektenhonorare auf der Grundlage einer Baukostenvereinbarung berechnet werden. Dies erklärte jetzt der Bundesgerichtshof für unzulässig. Betroffene Honorarverträge können nachgebessert werden

Text: Holger Matuschak

Mit der HOAI-Novelle 2009 wurde eine völlig neue Regelung eingeführt: Abweichend von der regulären Honorarermittlung sollte es zulässig sein, schriftlich bei Auftragserteilung zu vereinbaren, das Honorar auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten einer Baukostenvereinbarung zu berechnen. Dabei sollten nachprüfbare Baukosten einvernehmlich festgelegt werden. Die betreffende Norm des § 6 Abs. 2 wurde in die aktuell gültige HOAI 2013, und zwar in § 6 Abs. 3, unverändert übernommen. Mit Urteil vom 24.04.2014 hat der Bundesgerichtshof (BGH) dieses sogenannte Baukostenvereinbarungsmodell überprüft und festgestellt, dass es von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt und damit unwirksam sei (VII ZR 164/13).
Im vorliegenden Fall war auf der Grundlage geschätzter Baukosten für die Objektplanung und Tragwerksplanung im Jahr 2009 ein Honorar vereinbart worden. Von den damals geschätzten Baukosten wich aber die im Rahmen der Vertragserfüllung erstellte Kostenberechnung deutlich ab. Der Auftraggeber weigerte sich später, das über die ursprüngliche Vereinbarung hinausgehende Honorar, das der Architekt nach dem Mindestsatz mithilfe der Kostenberechnung ermittelte, nachzuzahlen. Der Architekt klagte sein Mehrhonorar ein.
Der BGH gibt dem Architekten recht und stellt fest, dass ihm ein gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung erhöhter Honoraranspruch zumindest dem Grunde nach zustehe. Preisrechtlich entscheidender Maßstab sei § 6 Abs. 1 HOAI 2009, wonach das verordnungsgemäße Honorar zwingend auf der Basis einer vorliegenden Kostenberechnung zu ermitteln sei. Auf dieser Grundlage seien auch die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze preisrechtlich zu ermitteln. Mit der Regelung in § 6 Abs. 2 HOAI 2009 verstoße der Verordnungsgeber nach Auffassung des BGH gegen die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage – den Artikel 10 § 1 Abs. 2 Satz 1 und § 2 Abs. 2 Satz 1 des sogenannten Mietrechtsverbesserungsgesetzes, auf dem die HOAI beruht. Diese Ermächtigungsgrundlage enthalte die Vorgaben, nach denen für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Honorarordnung Mindest- und Höchstsätze verbindlich festzulegen seien. Die fragliche Regelung (§ 6 Abs. 2 HOAI 2009) aber gebe den Parteien die Möglichkeit, das Honorar auch auf der Grundlage einer einvernehmlichen Festlegung von Baukosten unterhalb der Mindestsätze und oberhalb der Höchstsätze zu vereinbaren, sodass durch eine derartige Abrede die Unterschreitung von Mindestsätzen ohne Vorliegen eines Ausnahmefalles (siehe § 7 Abs. 3 HOAI 2009/2013) möglich werde.

Schranke gegen die Unterschreitung

Die gesetzliche Regelung über den verbindlichen Mindestsatz habe hingegen den Zweck, zum Schutz des Berufsstandes der Architekten und Ingenieure eine wirksame Schranke gegen eine Unterschreitung der Mindestsätze zu schaffen. Die Mindestsätze sollen laut BGH insbesondere dazu dienen, den vom Gesetzgeber gewollten Qualitätswettbewerb zu fördern und einen ungezügelten, ruinösen Preiswettbewerb zu unterbinden. Durch diesen würde nämlich die wirtschaftliche Situation für Architekten und Ingenieure beeinträchtigt und damit auch die Qualität der Planung und die unabhängige Stellung des Planers zwischen Bauherrn und Unternehmer.
Eine solche Vorgabe in der HOAI-Ermächtigungsgrundlage sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die Sicherung und die Verbesserung der Qualität der Tätigkeit eines Architekten oder Ingenieurs ein legitimes gesetzgeberisches Ziel darstellten. Zu dessen Herbeiführung seien die verbindlichen Mindestsätze der HOAI geeignet, weil sie den Architekten und Ingenieuren jenseits von Preiskonkurrenz den Freiraum schafften, hochwertige Arbeit zu erbringen, die sich im Leistungswettbewerb der Architekten und Ingenieure bewähren müsse (siehe dazu den vom BGH in Bezug genommenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in: Baurecht 2005, 1946).
Die entsprechende gesetzliche Ermächtigung – so der BGH in seiner Urteilsbegründung – zwinge daher den Verordnungsgeber, in der HOAI ein für Architekten und Ingenieure auskömmliches Mindesthonorar festzusetzen, das durch Vereinbarung lediglich in wenigen und bestimmten Ausnahmefällen unterschritten werden könne. Diese Ermächtigung lasse keine Regelung in der Honorarordnung zu, nach der das Honorar frei unterhalb des auskömmlichen Mindestsatzes vereinbart werden könne, obwohl gerade kein Ausnahmefall vorliege.
Ein Verstoß gegen die Ermächtigungsgrundlage liege aber nicht nur dann vor, wenn das Honorar ohne Weiteres frei unterhalb des Mindesthonorars verhandelt werden könne, sondern auch dann, wenn zumindest diejenigen Faktoren frei ausgehandelt werden könnten, welche die Berechnung des Mindesthonorars bestimmten. Denn es mache in der Sache keinen Unterschied, ob das Honorar ohne Rücksicht auf diese Honorarfaktoren unterhalb des Mindesthonorars vereinbart werde oder ob die Mindesthonorar-Unterschreitung dadurch bewirkt werde, dass innerhalb des in der HOAI vorzusehenden Berechnungssystems für die Ermittlung des Mindesthonorars freie Vereinbarungen getroffen werden könnten, die im Ergebnis schließlich zu einer Mindestsatzunterschreitung führten.
Mit der in § 6 Abs. 1 HOAI 2009 getroffenen Regelung habe der Verordnungsgeber die von der Ermächtigungsgrundlage geforderte Festsetzung der Mindest- und Höchstsätze vorgenommen. Er habe den Mindestsatz an eine Berechnung geknüpft, in der die anrechenbaren Kosten auf der Grundlage der Kostenberechnung, hilfsweise der Kostenschätzung, maßgebend seien. Er habe vorgesehen, dass die anrechenbaren Kosten in einer bestimmten Weise zu ermitteln seien (siehe § 4 HOAI 2009/2013). Auf diese Weise ergebe sich ein objektiv feststehendes Mindesthonorar für Architekten und Ingenieure, das ein auskömmliches Einkommen sichern solle. Der Verordnungsgeber sei aber nicht ermächtigt, seine Verpflichtung zur Festlegung grundsätzlich nicht verhandelbarer Mindestsätze – zumindest mittelbar – dadurch zu umgehen, dass er verbindliche Vereinbarungen über die einzelnen Faktoren des Honorars zulasse. Daher entspreche § 6 Abs. 2 HOAI 2009 nicht der Ermächtigungsgrundlage und sei infolgedessen unwirksam. In der Entscheidung stellt der BGH auch ausdrücklich die Übereinstimmung der betreffenden Regelung in der HOAI 2009 mit derjenigen in der HOAI 2013 fest. Deshalb ist davon auszugehen, dass der BGH den aktuell gültigen § 6 Abs. 3 HOAI 2013 gleichermaßen für unwirksam erachtet.
Der BGH bestätigt mit seinem Urteil eine wiederholt geäußerte Auffassung auch der Architektenkammern, dass das Baukostenvereinbarungsmodell der HOAI mit der Ermächtigungsgrundlage nicht übereinstimme. Tatsächlich hat es sich in vielen Fällen zu einer „beliebten“ Methode entwickelt, frühzeitig Honorarvereinbarungen zu treffen, die fast regelmäßig im Ergebnis zu einer Unterschreitung der jeweiligen HOAI-Mindestsätze führten. In vielen Vertragsmustern der öffentlichen Hand und auch von professionellen Auftraggebern finden sich seit der Änderung der HOAI 2009 entsprechende Vertragsklauseln, welche die Vermutung des BGH stützen, das Honorarvereinbarungsmodell diene letztlich einer Unterschreitung der Mindestsätze oder fördere sie jedenfalls in beträchtlichem Umfang. Denn – so der BGH – die einschränkende Bedingung in § 6 Abs. 2 HOAI 2009 (genauso wie in § 6 Abs. 3 HOAI 2013), dass für dieses Honorarmodell „noch keine Planungen als Voraussetzung für eine Kostenschätzung oder Kostenberechnung vorliegen“, eröffne gerade bei Vertragsschluss einen weiten Beurteilungs- und Verhandlungsspielraum. Dieser werde auch durch das honorarrechtliche Erfordernis „nachprüfbare Baukosten“ nicht wirklich eingeschränkt.

Werkvertragliche Vereinbarung

Zu unterscheiden ist – worauf auch der BGH ausdrücklich hinweist – die rechtliche Beurteilung des HOAI-Baukosten­vereinbarungsmodells von den werkvertraglichen Folgen der Festlegung einer Bausumme als sogenannter Beschaffenheitsvereinbarung. Denn immer dann, wenn die Vertragsparteien eine bestimmte Bausumme als Beschaffenheit des geschuldeten Werkes vereinbaren, steht dem Architekten – ungeachtet der tatsächlichen Baukosten – ein Honorar nur maximal in der Höhe zu, wie es sich auf der Grundlage der einvernehmlich vereinbarten Baukostenobergrenze ergibt.
Dieses hatte der BGH schon 2003 festgestellt (VII UR 362/01, siehe DAB-Ausgabe 5/2003, Seite 47). Auf diese Weise werden nämlich die Mindestsätze der HOAI nicht preisrechtlich außer Kraft gesetzt, sondern es handelt sich um eine reine vertragsrechtliche Konsequenz daraus, dass der Architekt die von ihm vertraglich akzeptierte Obergrenze der Baukosten überschreitet. Ursache eines solcherart reduzierten Honorars ist dann nicht eine in der HOAI vorgegebene, letztlich jedoch unwirksame Honorarregelung, sondern ein „Werkmangel“ der Architektenleistung im Hinblick auf die vom Architekten vertraglich versprochene Einhaltung einer Kostenobergrenze. (Zu den Risiken einer derartigen Kostenvereinbarung siehe DAB-Ausgabe 9/2012, Seite 36, zu finden auch hier).

In seiner aktuellen Entscheidung weist der BGH abschließend noch darauf hin, dass trotz der von ihm festgestellten Unwirksamkeit von § 6 Abs. 2 HOAI 2009 die Vertragsparteien eine Honorarvereinbarung im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze wirksam treffen könnten, in der anrechenbare Kosten oder die ihnen zugrunde liegenden Faktoren abweichend im Vertrag festgelegt werden. Eine solche Vereinbarung ist und bleibt allerdings nur dann wirksam, wenn sie nicht dazu führt, dass im Ergebnis die Mindestsätze der HOAI unterschritten oder die Höchstsätze überschritten werden (§ 7 Abs. 1 HOAI 2009/2013). Dies gilt für jegliche Art von Vereinbarung, die von den Prinzipien der HOAI abweicht, also auch für eine Übereinkunft, wonach das Honorar auf der Grundlage des – vom aktuellen Urteil des BGH betroffenen – Baukostenvereinbarungsmodells nach § 6 Abs. 2 HOAI 2009 beziehungsweise § 6 Abs. 3 HOAI 2013 ermittelt werden soll.
Dementsprechend muss immer dann, wenn mit einer Honorarvereinbarung die Honorarbemessungsgrundlagen der HOAI verlassen werden oder diese sogar ganz außer Kraft gesetzt werden sollen, geprüft werden, ob die Honorarvereinbarung den verbindlichen Rahmen der Mindest- und Höchstsätze verlässt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung – wie hier – im Nachgang von einem Vertragspartner bestritten wird. Insoweit ist eine Vergleichsrechnung notwendig. Dabei hat eine Honorarermittlung unter Berücksichtigung sämtlicher Honorarparameter der HOAI zu erfolgen.
Stellt sich im Zuge der Vergleichsrechnung heraus, dass sich die Honorarvereinbarung an den einschlägigen Mindest- und Höchstsatzrahmen hält, bleibt sie wirksam. Ist hingegen festzustellen, dass sie den Mindestsatz unterschreitet oder den Höchstsatz überschreitet, ist die Vereinbarung unwirksam. Dann ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der HOAI und des Willens der Vertragsparteien herauszufinden, welches Honorar als vereinbart anzusehen ist. Infolgedessen kann auch ein Architekt in der Regel immer dann, wenn er in der Vergangenheit mit seinem Auftraggeber eine Honorarvereinbarung nach dem jetzt für unwirksam erklärten § 6 Abs. 2 HOAI 2009 oder dem identischen § 6 Abs. 3 HOAI 2013 getroffen hatte, sein ihm gegebenenfalls zustehendes Mehrhonorar geltend machen – nötigenfalls auch gerichtlich. Nur sehr selten, nämlich in von der Rechtsprechung eng begrenzten Ausnahmefällen, kann es sein, dass der Auftraggeber insoweit nach dem Grundsatz von Treu und Glauben schutzwürdig ist und sich der Nachforderung erwehren kann.
Das Urteil des BGH vom 24.04.2014 beseitigt nicht nur ein honorarrechtliches „Ärgernis“ für Architekten und Ingenieure, sondern betont noch einmal ausdrücklich eines der wichtigsten Ziele des Honorarrechts: dessen qualitätssichernde und die Unabhängigkeit der Berufsausübung von Architekten und Ingenieuren fördernde Wirkung.

Dr. Holger Matuschak ist Rechtsanwalt, Justiziar der Hamburgischen Architektenkammer und Vorsitzender des BAK-Rechtsausschusses.

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