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[ Modernisierung von Einfamilienhäusern ]

Dynamik im Bestand

Die nachhaltige Modernisierung älterer Einfamilienhäuser bietet Chancen für Städte und Bauherren – und für Architekten besondere Herausforderungen

Dem bescheidenen Reihenendhaus aus dem Jahr 1962 (links) sieht man sein Alter nach dem Umbau (rechts) nicht mehr an.

Von Jürgen Mrosko

Sanierung, Modernisierung und Umgestaltung von Bestandsgebäuden gewinnen auch bei Einfamilienhäusern immer mehr Gewicht im Verhältnis zum Neubau. Gebrauchte Häuser sind oft besser gelegen; die Siedlungen weisen ­gewachsene soziale Strukturen auf und das Umfeld ist für Käufer viel besser einschätzbar als in einem unfertigen Neubaugebiet. Für die Gesellschaft hat dies ökonomische wie ökologische Vorteile: Flächen werden nicht versiegelt, ­Infrastruktur muss nicht geschaffen werden, eine Sanierung erspart den Abriss und damit die Belastung mit Bauschutt, der Lebenszyklus der vorhandenen Bauteile verlängert sich.

Die Motive von Bauherren für die Modernisierung eines Bestandsgebäudes sind vielschichtiger als die für den Bau eines neuen Einfamilienhauses. Dieses wird klassisch in der Familiengründungsphase oder nach einem Wohnortwechsel errichtet. Beides sind auch Anlässe für Modernisierungen – doch es gibt noch weit mehr: Nach dem Auszug der Kinder verändern sich Raumnutzungen und -bedarf; ein Haus soll altersgerecht werden, Bewohner wollen in Haustechnik und Erscheinungsbild auf den neuesten Stand kommen. Derzeit führen häufig auch Fördermittel zu der Entscheidung, nicht nur eine marode Heizung auszutauschen, sondern gleich das Gebäude mitzudämmen, neue Fenster einzubauen und vielleicht auch noch einen Wintergarten mit anzubauen.

Aus Alt mach Neu: Das funktioniert sogar bei Plattenbauten, wie das Beispiel eines Einfamilienhauses von Thomas Hillig zeigt.

Große Räume in kleinen Häusern

Die Altbausanierung erfordert von Architekten mehr Wissen und mehr Leistungen als der Neubau. Für Letzteren erfasst man die Bedürfnisse der Nutzer, stimmt diese mit dem Baurecht ab und wird innerhalb dieser Parameter eine optimale Grundrissgestaltung umsetzen. Wenn eine exponierte Außenwirkung gewünscht ist, so kann man sie leicht verwirklichen. Dies führt dann meist zu den heterogenen Neubausiedlungen, wie sie sich heute an vielen Stadträndern finden.

Das Bauen im Bestand beginnt dagegen mit einer genauen Analyse des Gebäudes und seiner Umgebung. Es setzt natürlich ein profundes Wissen über die unterschiedlichen Bautechniken der entsprechenden Jahrgänge voraus. Der Befund ist sorgfältig zu ermitteln und dem Bauherrn detailliert zu dokumentieren. Gerade bei knappem Budget sollten Prioritäten gesetzt und empfohlen werden – vor allem natürlich im Hinblick auf Maßnahmen, die Schäden am Gebäude beheben.

Wenn Fördermittel in Anspruch genommen werden, sind vorab detaillierte Nachweise zur Energieeinsparung darzulegen. Dämmstärken, unterschiedliche Materialien, neue Heiztechnik, Lüftungsanlagen und neue Fenstergläser sind in Abhängigkeit zu setzen und vor der Vergabe rechnerisch nachzuweisen. Hier sollte ein Energieberater mit eingeschaltet werden. Aber auch für Architekten ist es sehr hilfreich, wenn sie sich in den Förderprogrammen auskennen und den Bauherren zumindest beratend zur Seite stehen können.

Loft-Living in Omas klein‘ Häuschen: Oft werden im Zuge einer Modernisierung ganze Bereiche des Hauses  umstrukturiert oder neu definiert.

Unabhängig von den technischen Sanierungsarbeiten wird meist auch der Um- und Anbau von Räumen gewünscht. Das Wohnverhalten hat sich im Laufe der Generationen verändert. Bei älteren Häusern ist die „gute Stube“ in der Regel von der nicht einsehbaren Küche getrennt. Ein großes Elternschlafzimmer und mehrere kleine Kinderzimmer waren Standard im Obergeschoss. Die Bäder waren klein, die Ausstattung war auf das Notwendigste beschränkt. Im Garten lag der Schwerpunkt auf Nutzpflanzen.

Verborgene Talente: Wer hätte gedacht, dass dieses großzügige, offene Erdgeschoss in einem schlichten Reihenhaus der Nachkriegszeit steckt.

Heute wird die Küche nicht mehr versteckt, sondern ist das Zentrum des Hauses und der Kommunikation. Die Übergänge zum Wohnbereich und in den Garten sind fließend und meist offen. Auch wenn heute immer weniger oder einfacher gekocht wird, so ist der Stellenwert der Küche hoch. Nicht selten wird mit einer teuren Einbauküche sozialer ­Status repräsentiert. Bäder werden mehr zum Wohlfühlbereich und das WC oft davon abgetrennt; auch wird oft ein kleines Duschbad für Kinder oder Gäste eingebaut. Schrankzimmer und Einbauschränke in Nischen ersetzen den alten Kleiderschrank. Der Standort von Waschmaschine und Trockner heißt neudeutsch „Utility-Bereich“ und findet sich oft anstelle der alten Speisekammer. Die Fenstergrößen orientierten sich in Altbauten meist an den damals technisch möglichen Glasgrößen. Hier gibt es heute fast keine Einschränkungen mehr.

Wer in das bauliche Gefüge eingreift, muss das statische System verstehen. Wandabtragungen müssen oft durch Unterzüge ersetzt werden; neue Dachlasten durch Dämmung und Aufbau erfordern Verstärkungen im Dach und weiteren lastabtragenden Bauteilen. Bei Anbauten ist zu berücksichtigen, dass der Bauraum des ursprünglichen Gebäudes meist nicht tragfähig ist und man bis zum Fundament des Bestandsgebäudes gründen muss. Bei Erweiterungen sind auch baurechtliche Einschränkungen zu beachten.

Altbau in Aspik: Das historische Landhaus wurde vollständig in einen modernen Neubau integriert.

Projekte akquirieren – Honorar kalkulieren

Viele Bauherren mit Bestandsgebäuden unterschätzen die Komplexität ihres Projekts, glauben, mit Handwerkern oder Baumarkt-Material und ohne eine Architekten auskommen zu können. Aufklärungsarbeit über den Wert guter Architektur leisten hier Referenzbeispiele (es müssen nicht zwingend eigene sein!), Präsentationen wie etwa am Tag der Architektur oder in kleineren Orten auch Hinweise an die Lokalzeitung, die oft gern Artikel zu Themen wie „Neues Leben in traditionsreicher Siedlung“ druckt. Beratungsangebote für potenzielle Hauskäufer sind nicht nur eine eigene Verdienstquelle, sondern können auch der Akquisition von Planungsaufträgen dienen. Im Vorfeld kann man den Käufern Baumängel oder Sanierungsbedarf nennen, aber auch versteckte Potenziale der Immobilie zeigen – und sich damit schon als künftiger Baupartner ins Gespräch bringen.

Die Honorare sind schon beim Neubau von Einfamilienhäusern oft kaum auskömmlich – und erst recht nicht im Bestand. In der aktuellen HOAI sind keine Kosten mehr für den Gebäudebestand anzusetzen; diese sind ausschließlich über den Umbauzuschlag abzurechnen. Problematisch ist auch die Vereinbarung des Honorars auf Grundlage der ­Kostenschätzung, also vor den Bauarbeiten. Eine exakte Bestandsaufnahme wird häufig erst nach Beginn dieser ­respektive der Rückbauarbeiten erfolgen können. Deshalb sollte die Kostenschätzung immer eine Position mit „Unvorhergesehenem“ beinhalten, in der Höhe mit etwa zehn bis 15 Prozent der kalkulierten Baukosten. Dies ermöglicht einen Puffer für das Planungshonorar, aber auch für die Finanzierung des Projekts durch den Bauherrn.

Wenn Bauherren Eigenleistungen einbringen wollen, sind diese für das Honorar entsprechend den üblichen Baukosten anzusetzen. Der Architekt muss oft auch diese Arbeiten planen und ist als Bauleiter dafür verantwortlich, dass sie fachgerecht umgesetzt werden. Somit ist hier ein besonders sorgfältiges Überwachen der Bauleistungen notwendig. Wegen der geringen Wirtschaftlichkeit sind es meist kleine Büros, die sich auf dieses Segment spezialisieren. Häufig handelt es sich hier auch um die ersten Aufträge für Berufsanfänger. Letztere sollten jedoch die zwangsläufig mangelnde Erfahrung durch die Hinzuziehung versierter Fachplaner kompensieren.

>Jürgen Mrosko ist Architekt und Autor in München.


Mehr zu Eigenheiten der Modernisierung je nach Bau-Epoche des Hauses hier

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