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[ Gewerbe und Energie ]

Effizienz statt heißer Luft

Industrie-, Logistik- und Handelsbauten fressen viel Energie – aber das muss nicht sein

Gas und Glas: Das Produktionsgebäude der SMA Solar Technology in Kassel (beide Bilder) hat hochgedämmte Fassaden und Gläser, ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk und Fotovoltaik auf dem Dach.

Von Rosa Grewe

Das Erreichen von Energieeffizienz im Gewerbebau ist erstens besonders kompliziert und zweitens besonders chancenreich. Kompliziert ist es, weil sich mehr als bei jeder anderen Bauaufgabe die Energietechnik des Gebäudes und diejenige für seine Funktionen miteinander verflechten. Der Bau und die in ihm stattfindenden Prozesse beeinflussen sich wechselseitig. Und gerade darum gibt es hier für den rationellen Energieeinsatz besondere Chancen, das Zusammenspiel zwischen Gebäude und dem Geschehen in seinem Inneren zum Sparen von Energie zu nutzen. Das gilt für den gesamten Weg eines Produkts: von seiner Produktion über das Lagern und Verteilen bis hin zum Verkaufen.

Energiesparen in der Produktion

Die meiste Energie in der Produktion verbraucht die Prozesswärme, gefolgt von Elektromotoren und Druckluftkompressoren. In die Produktion können Architekten nicht direkt eingreifen – aber beispielsweise den Einbau effizienter Wärmepumpen mit Wärmerückgewinnung propagieren, die die Abwärme von Maschinen wieder in den Produktionsprozess leiten oder zum Heizen nutzen. Uwe Hemminger vom Stuttgarter Ingenieurbüro egs-plan sieht aber einen anderen Schwerpunkt: „Bei neuen Produktionsgebäuden mit energetisch optimierten Gebäudehüllen ist die Kühlung der Werkräume das große Thema. Mittels Absorptionskältemaschinen und Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung kann man aber mit Abwärme Kälte erzeugen.“

Auch die Bioabfälle einer Produktion, wie die Holzspäne in einer Schreinerei, können als Brennmaterial für Öfen und Heizkessel dienen und Energie erzeugen. Oft lohnt die Umrüstung von Anlagen, etwa von Elektromotoren und Druckluftkompressoren. Diese Umrüstung hat Konsequenzen für das Gebäude: Die Anforderungen an Gebäudehülle, Trennwände und Raumzonierungen ändern sich und haben ihrerseits Einfluss auf die Produktion. Zum Beispiel braucht eine effiziente Lackieranlage eine hochgedämmte Trocknungskabine, damit die Wärmerückgewinnung funktioniert. Ein anderes Beispiel ist das Blockheizkraftwerk, das Wärme oder Kälte und Strom zugleich liefert. Hemminger: „Diese Form der Energieerzeugung lohnt sich in mittleren und größeren Industriebetrieben fast immer.“

Auf ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk setzen auch die Architekten Hegger, Hegger-Luhnen, Schleiff zusammen mit den TGA-Planern von egs-plan bei einem Produktionsgebäude für die SMA Solar Technology AG in Kassel. Das Kraftwerk liefert Wärme für die Gebäudebeheizung und Strom für die Produktion. Das Stahl-Stahlbeton-Bauwerk hat eine hochdämmende Fassade und eine Dreischeibenisolierverglasung. Zusatzstrom erzeugen große Flächen mit Solarzellen. Insgesamt 1,2 MWp werden dort generiert, der errechnete Primärenergiebedarf liegt bei nur 500 kWh/m²a.

Energiesparen bei der Lagerung

Die Ware wandert weiter – von der Produktion ins das Verteilzentrum. Die Herausforderung hier ist vor allem die gleichmäßige Temperierung großer Hallen und die Reduzierung von Temperaturverlusten; rund 68 Prozent der Energie in konventionellen Hallen verbraucht die Heizung. Oft ist die Gebäudehülle unzureichend gedämmt und beim Verladen stehen die Anliefertore lange offen. Am Tor kann Energie mit Druckluftschleusen und schnellen Schließmechanismen gespart werden.

Auch die Art der Beheizung ist ein Problem: Herkömmliche Gasheizstrahler entsprechen nicht dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Viele neue Lagerhallen setzen daher auf eine Fußbodenheizung oder eine Aktivierung des Betonfußbodens, gekoppelt mit regenerativen Energiequellen, zum Beispiel Geothermie. Die großen Flachdächer ihrer Hallen nutzen viele Logistiker zusätzlich für Fotovoltaikmodule – jedoch nicht für den Eigenverbrauch, berichtet Dietrich Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Bautechnik: „Fotovoltaikanlagen in der Indus¬trie, in Gewerbe und Handel sind vor allem ein Investmentgeschäft.“ Uwe Hemminger von egs-plan ergänzt: „Die Fotovoltaikmodule dienen oft auch dazu, den in der EnEV geforderten Prozentsatz regenerativer Energien zu erfüllen.“

Stolz aufs Holz: Die Lagerhalle der Eine Welt Handel AG in Niklasdorf (Österreich) mit ihren Thermoholzpa neelen verbraucht weniger Energie als ein Passivhaus.

Eine außergewöhnliche Lagerhalle planten die Architekten Helmut Poppe und Andreas Prehal für die Eine Welt Handel AG im österreichischen Niklasdorf. Das sogenannte eco²building liegt mit einem Heizenergiebedarf von 10,4 kWh/m²a unter Passivhausniveau und beinhaltet neben 2 200 m² Lagerfläche auch 600 m² Büro-, Verkaufs- und Seminarflächen. Die Konstruktion des Gebäudes bilden modulare Fertigbauteile aus Thermoholz und speziell entwickelte Holzsandwichpaneele. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung temperiert den Lagerraum. Die Wärmeenergie dafür liefert ein mit Hackschnitzeln betriebener Heizkessel, der über eine Turbine auch Strom erzeugen kann. Tageslichteinfall in die Lagerräume reduziert den Energieaufwand für die Beleuchtung. Der Primärenergiebedarf des Gebäudes beträgt nur 64 kWh/m²a.

Energiesparen im Lebensmittelmarkt

Schließlich landet die Ware im Supermarkt. Hier suggerieren einige Prestigebauten eine Ökowelle. Die meisten deutschen Supermärkte sind nicht umgerüstet und verbrauchen bei einer Größe von durchschnittlich 1 500 Quadratmetern rund 900 bis 1 000 kWh/m²a, doppelt soviel wie energieeffiziente Märkte. Die Kühlung der Frisch- und Gefrierwaren benötigt den meisten Strom, dann kommen Beleuchtung und Lüftung. Energetisch weniger wiegt die Beheizung der Verkaufsräume.

Einsparungen sind besonders bei der Gewerbekälte schnell erzielt: Fest eingebaute Kühlmöbel mit Glastüren und mit einer Rückgewinnung der Abwärme zum Beheizen der Verkaufsräume oder zur Erzeugung des Warmwassers sparen an Strom und Heizenergie jeweils rund 40 Prozent. Bei neuen Kühlmöbeln liegt außerdem die Technik für Belüftung und LED-Beleuchtung energiesparend außerhalb der Kühlebene. Auch die Kühltechnik selbst ist im Wandel: Anstelle herkömmlicher Fluorkohlenwasserstoffe dient zunehmend CO2 als Kältemittel.

Ein Renommierbau ist die Rewe-Filiale in Berlin-Rudow, geplant von Koch Architekten aus Düsseldorf. Nicht nur effiziente Kühlmöbel mit Glastüren und CO2-Kühlmittel brachten dem Bau ein DGNB-Zertifikat in Gold und einen Green Building Award 2009 ein. Auch die Synergien aus Gebäude- und Anlagentechnik sind fortschrittlich: Fassadenintegrierte PV-Zellen spenden Strom und verschatten gleichzeitig die Verkaufsräume. Eine Wärmepumpe mit Wärmerückgewinnung nutzt die Abwärme und beheizt die Verkaufsräume, Geothermie dient als zusätzliche Energiequelle.

Die Architektur selbst ist eine Konstruktion aus Leimholzrahmenbinder und Holzsandwichpaneelen mit Verglasungen in Fassade und Dach, die Tageslicht in die Verkaufsräume leiten. Die zusätzliche Beleuchtung erfolgt tageslichtabhängig und sensorgesteuert. Fotovoltaikmodule in der Fassade und auf dem Dach erzeugen zwar nur wenig Strom, dienen aber dem Marketing. Der Primärenergieverbrauch inklusive Gewerbekälte liegt bei nur 500 kWh/m²a. Die Planer der Filiale beweisen, dass in Supermärkten Energieeinsparungen von bis zu 50 Prozent möglich sind.

Energiesparen im übrigen Handel

Nach dem Lebensmittelhandel sind die übrigen Geschäfte die zweitgrößten Energieverbraucher im Gewerbesektor, noch vor den Bürobauten. Besonders Einkaufszentren ereifern die Gemüter. Ihr größter Verbrauchsposten ist die Beleuchtung, gefolgt von der Raumkühlung. Dietrich Schmidt von der Fraunhofer-Gesellschaft erklärt den Zusammenhang: „Die Lampen in den Läden haben teilweise eine sehr hohe Wärmestrahlung. Das bedeutet einen hohen Stromverbrauch und enorme Kühllasten. Ein energieeffizientes Beleuchtungskonzept lassen sich die Betreiber der einzelnen Läden aber oft nicht vorschreiben.“

Dabei gibt es Alternativen: energiesparende oder fluoreszierende Leuchtmittel, Reflektoren, Dimmer, Zeitschaltungen oder tageslichtabhängige Lichtsteuerungen. Für große Flächen eignen sich T5-Leuchtstoffröhren und Halogendampflampen. Adaptersysteme helfen, herkömmliche Röhren durch elektronisch vorgeschaltete Dreibandenröhren zu ersetzen, ohne die komplette Leuchte auszutauschen. Auch LEDs beleuchten immer mehr Verkaufsräume. Eine maximale Tageslichtausbeute ist nicht immer sinnvoll: Ein kontrastarmes Zusammenspiel von Tages- und Kunstlicht entsteht nur, wenn die Kunstbeleuchtung an die Helligkeit des Tageslichtes herankommt, was bei viel Tageslicht auch viel Kunstlicht bedeutet.

Prima fürs Klima? Die ErnstAugustGalerie in Hannover hat Fotovoltaik und Grün auf dem Dach, sensorgesteuerte Beleuchtung und keine Zentralkühlung. Doch 20 Läden haben ihre eigenen Aggregate eingebaut.

Die Kühlung der Einkaufszentren ist die zweite große Herausforderung. Hemminger erklärt: „In unseren Gebäuden bevorzugen wir immer eine Flächenaktivierung des Fußbodens gekoppelt an regenerative Energien, denn eine Kühlung über Lüftungsanlagen verbraucht mehr.“ Ganz ohne elektronische Kühlung kommt nach Angaben der ECE deren Ernst-August-Galerie in Hannover aus (Planung: ECE und die Architekten Venneberg und Zech, TGA: Grabe Ingenieure). Tatsächlich aber finden sich in den einzelnen Läden 20 Teilklimaanlagen, die die Luftzufuhr herunterkühlen. Dennoch erhielt das Einkaufszentrum 2009 ein DGNB-Zertifikat in Gold, auch weil die Beleuchtung sich sensorgesteuert je nach Tageslichteinfall und Tageszeit regelt, LEDs die Fassade erhellen und schließlich die Rolltreppen bedarfsgesteuert sind und sich nachts auf Stand-by schalten. In das Dach ist eine Fotovoltaikanlage integriert, die Strom in das Netz einspeist. Die Begrünung der restlichen Dachfläche verringert das Abwasser. Ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit von Einkaufszentren ist schließlich die Lage, die Autoverkehr eher vermindern als anregen soll. Auch hier punktet die Ernst-August-Galerie: Sie liegt direkt neben Hannovers Hauptbahnhof.

Leistungsphase 10

Ob bei Produktion, Lager und Verkauf: Auf die Ökobilanz in Gewerbebauten nehmen Architekten erheblichen Einfluss. Es geht fast immer um die Kühlung von Innenräumen und die Vernetzung von Anlage- und Gebäudetechnik. Es geht aber auch um eine Art Leistungsphase 10, wie Uwe Hemminger ausführt: „Die Techniken werden immer komplexer und vernetzter. Fachplaner und Architekten müssen den Bauherrn und die Haustechniker auch nach der Leistungsphase 9 weiterberaten, Steuerungen ständig an Prozesse anpassen und die Techniker vor Ort beim Handling unterstützen, damit das gesamte System dauerhaft energieeffizient bleibt.“

Rosa Grewe hat Architektur studiert und betreibt das Fachpressebüro quer-streifen in Darmstadt und Barcelona.

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