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[ Wettbewerb ]

Lehrreiche Pleite

Deutschlands größter Wettbewerb im Jahr 2007 scheiterte kläglich – aber das spricht für mehr offene Verfahren, nicht für weniger.

Gesiegt und gescheitert: Entwurf von Hochberg + Neff für die Galerie der Gegenwart Saarbrücken (beige: Bestand)

Roland Stimpel

Bei Architektenwettbewerben schlägt sich das Saarland wacker. Immerhin vier beschränkt offene Wettbewerbe wurden 2006 veranstaltet, eine beachtliche Zahl für ein eher wirtschaftsschwaches Flächenland, das gerade einmal die Einwohnerzahl Kölns aufweist. 2007 lief hier sogar der größte offene Wettbewerb Deutschlands mit 350 Teilnehmern, die Entwürfe für das Museum der Gegenwart in Saarbrücken einreichten. Aber ausgerechnet dieser Wettbewerb ging auf tragische Weise schief: Die vom Preisgericht erkorenen Gewinner durften am Ende nicht Gewinner sein; viele andere Teilnehmer fühlten sich getäuscht. Und was nun gebaut wird, ist völlig ungewiss.

Tragisch auch: Vordergründig scheinen Pannen und Pleiten der Saarbrücker Veranstaltung gegen offene Wettbewerbe zu sprechen und könnten auf Auslober eher abschreckend wirken. Dabei zeigt ein exakter Blick genau das ­Gegenteil: wie förderlich ein solches Verfahren für die Baukultur und die Beteiligten sein kann. Und wie gut eine ­größere Zahl offener Wettbewerbe tun würde, um einzelne Unglücke wie das von Saarbrücken zu vermeiden.

Problem: Planung eines innen großen und von außen maßvoll wirkenden Baukörpers

Doch der Reihe nach, anfangend im Jahr 1968. Da wurde die Moderne Galerie des Saarland-Museums fertiggestellt, entworfen von Hanns Schönecker als Ketten von quadratischen Pavillonbauten, nach Art der Zeit in einen großzügigen Wiesenraum zwischen der Saar und dem Innenstadtquartier St. Johann gestellt. Der Bau erhielt einen BDA-Preis, genießt Denkmalschutz und ist inzwischen längst zu klein. Die landeseigene Stiftung Saarländischer Kulturbesitz wollte und will ihn um ein Museum der Gegenwart erweitern. Erst sah sie einen Einladungswettbewerb vor; auf Anregung der saarländischen Architektenkammer entschloss sie sich zu einem offenen. Ihre Vorgaben waren diffizil: Auf der einen Seite stand ein überaus ehrgeiziges Raumprogramm für das eng bemessene Grundstück. Da drohe ein Klotz oder ein Turm, warnten schon früh Experten und engagierte Bürger. Aber hohe oder massige Baukörper waren in dem Stadtlandschaftssaum zwischen Fluss und Innenstadtblöcken nicht erwünscht.

Doch die Stiftung startete mit diesen Vorgaben den Wettbewerb, ihren ersten seit Jahrzehnten. Sie ließ ihn von einem Büro für Umweltplanung managen, in dem keine ­Architekten arbeiteten. Mehr als 600 Interessenten forderten Unterlagen an, aber nur 350 von ihnen reichten später Entwürfe ein. Viele andere sahen offenbar keine Lösung für die Aufgabe, einen innen großen und von außen maßvoll wirkenden Baukörper hinzustellen.

Die es trotzdem versuchten, hatten eine Flut von Rückfragen an den Auslober. Für das Kolloquium hätte ein nicht ganz kleiner Saal gemietet werden müssen, vielleicht gar mit Videoübertragung ins Foyer wie beim Wettbewerb für die Bremer Kunsthalle im Jahr 2005. Stattdessen gab es Fragen und Antworten schriftlich und zum Studium im Internet.

Respektvolle Anbindung an den Bestand: Andere Entwürfe ­gingen weit darüber hinaus.

Gewagte Grenzüberschreitung

Besonders dringend war vielen die Frage: Kann man das Baufeld nicht erweitern? Schließlich gibt es auch östlich des vorgesehenen Gebiets noch eine unbebaute Fläche. Doch die Antwort war deutlich: Nein. Erstens gehört diese Fläche nicht der Stiftung, sondern der Stadt. Zweitens müsste man hier sehr nah ans Baudenkmal heranrücken und es zumindest optisch zur Stadt hin abriegeln.

Die meisten Teilnehmer akzeptierten das seufzend, einige nicht – wie das bei Wettbewerben immer wieder vorkommt. Entsprechend freier und lockerer konnten sie agieren. Und auch die Vorprüfer sahen das Thema nicht so streng, da sie das Flächendilemma in Hunderten Entwürfen vor Augen hatten. Also blieben die Grenzüberschreiter im Wettbewerb. Nur einen Warnhinweis zu ihren Entwürfen gaben die Vorprüfer dem Preisgericht.

Die kompetent besetzte Jury unter Vorsitz von H. G. Merz fühlte sich frei, das Beste zu wählen. Das kam vom jungen Darmstädter Büro Hochberg Neff – ein langer, mehrfach geknickter und im Modell eher zierlich wirkender Riegel. Das Preisgericht lobte, dass die „skulpturale und irreguläre Form das vorhandene Gebäude hervorragend begleitet und den umgebenden Raum städtebaulich einbindet und akzentuiert“. Es sah „respektvolle Anbindung an den Bestand“ und drinnen „höchst spannende Raumerlebnisse und optimale Voraussetzungen für die Präsentation der Kunstwerke“. Kurz: Es werde „ein architektonisches und museales Glanzlicht“.

Höhen-Entwicklung: Im Siegerentwurf war der Neubau (unten links) ein Geschoss ­höher als der Bestand.

Der Entwurf hatte nur ein Manko: Er ragte ins falsche Grundstück hinein. Das aber schien dem Preisgericht der geringste aller Nachteile und das Grundstück verfügbar – Saarbrückens seinerzeitiger Baudezernent Dieter Ehrmanntraut saß in der Jury. Auch dem Auslober war es jetzt sehr recht. Und selbst Teilnehmer, die die Vorgaben akzeptiert hatten, konnten die Entscheidung der Preisrichter verstehen. So sagt der Saarbrücker Architekt Peter Alt: „Ich fand das verständlich. Sie haben einen formalen Fehler im Sinn der richtigen Sache in Kauf genommen.“ Die Preisrichter sahen das noch nicht einmal als Fehler. Der Preisrichter und saarländische Architektenkammerpräsident Helmut Kiefer: „Dass die Auslober eine Erweiterung des Baufelds zwingend ausgeschlossen hatten, war uns nicht bewusst.“

Andere Wettbewerbsteilnehmer aber fühlten sich bestraft für ihre Korrektheit und für ihr Vertrauen in die Kolloquiumsauskunft. Der saarländische BDA forderte „die Annulierung des Wettbewerbsverfahrens und dessen Wiederholung unter vernünftigen Vorgaben.“ Gleich 16 Büros rügten in einer koordinierten Aktion das Verfahren. Die Vergabekammer wies die Einsprüche derer zurück, die auf hinteren Rängen gelandet waren – mit dem plausiblen Argument, dass auch ein symbolisches Hochrücken ihnen in diesem Verfahren nichts mehr nützen würde. Doch auch die Zweit- bis Viertplatzierten hatten geklagt. Und am 22. Februar annullierte die Vergabekammer das Juryvotum und verpflichtete die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, nunmehr mit diesen dreien zu verhandeln.

Extrem tragisch war das für das vormalige Siegerbüro Hochberg Neff: viel gewagt, den prestigeträchtigen Großauftrag vor Augen und das Preisgeld von 25 000 Euro schon fast auf dem Konto – und dann doch alles verloren, gar ­wegen Nichteinhaltens der verkündeten Regeln aus dem Verfahren ausgeschlossen. Nicht einmal ein Sonderankauf ist deshalb noch drin, der schöne Entwurf für den Müll.

Tief-Gang: Lauer Architekten (zunächst 3. Preis) ­versuchten, das Raumproblem teilweise unter der Erde zu lösen.

Zeit zum Stillhalten

Das schafft auch den späten Siegern nicht gerade Be­hagen. Zumal völlig unklar ist, wie es jetzt weitergeht. Das Dilemma zwischen Innenfläche und Außenraum ist erst recht offenkundig; zaubern konnten auch die drei nach vorn Gesetzten nicht. Einer behalf sich sogar mit unter­irdischen Räumen, und das nahe der überflutungsträchtigen Saar.

Überdies bebte nur einen Tag nach dem Einsturz des Wettbewerbs im Saarland die vom Bergbau perforierte Erde. Dem Land droht eine Krise, in der an einem umstrittenen, zerplanten Museumsneubau zuerst gespart werden dürfte. Das Projekt „Moderne Galerie“ ist der ­Realisierung heute ferner als vor dem offenen Wettbewerb. Der hat viel gekostet – und hat er nicht mehr Schaden als Nutzen gebracht? Für viele Teilnehmer auf jeden Fall. Für die gestürzten Sieger, aber auch für diejenigen, die ins Wechselbad von Korrektheit, Reinfall und einer letztlich nutzlosen Genugtuung getaucht wurden. Auch den Ruf des Projekts und der ­Verfahrensart hat das Ganze nicht gestärkt. Doch vielleicht gibt es jetzt eine neue Runde, an deren Anfang die nötige Städtebaudiskussion steht.

„Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb“, stellen der frühere Landeskonservator Johann-Peter Lüth und der ­Architekt Alois Peitz lapidar fest. Sie propagieren „eine Stillhaltezeit, in der ­alternative städtebauliche Planstudien des größeren Umfelds zu erstellen wären“. Bringt dies ­eine Lösung, dann hat sich die Extraschleife für die Stadt auf Dauer gelohnt. Und weil diese Diskussion auf direktem Weg nicht zu ­bekommen war, spricht sie für den offenen Wettbewerb, der dann eine brutale, doch nötige und wirksame Offen­legungsinstanz war.

Das ist nicht das einzige Argument, das sich aus dem Fall für mehr offene Wettbewerbe ableiten lässt. Ein zweites: Mehr Verfahrensroutine muss her, damit Pannen wie in Saarbrücken unwahrscheinlicher oder wenigstens rascher erkannt werden. Und das dritte: Gibt es mehr Wettbewerbe, dann hat jeder einzelne weniger Teilnehmer.

Das Saarbrücker Problem hatte ja auch mit der nicht ­bewältigten Masse zu tun; ein Gesprächskolloquium hätte in der einen oder anderen Richtung allen Klarheit bringen können. Nach allen Erfahrungen sagt Preisrichter und Kammerpräsident Herbert Kiefer über offene Wettbewerbe: „Jetzt erst recht.“

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