Dieses Interview ist unter dem Titel „Expertise einholen, Strategien festlegen, Mehrheiten organisieren“ im Deutschen Architektenblatt 10.2024 erschienen.
Frau Gebhard, Berufspolitik findet oft im Hintergrund statt, wahrgenommen wird dann erst das Ergebnis. Dem voraus geht ja aber ein häufig jahrelanger Prozess. Wie läuft dieser bei einem so komplexen Thema wie dem Gebäudetyp-e ab?
Für jeden berufspolitischen Prozess braucht man Geduld und Beharrlichkeit. Denn es sind so viele Menschen und Interessengruppen beteiligt, dass man nach dem Prinzip „Schritt für Schritt“ vorgehen und gleichzeitig immer wieder das große Ganze herausstellen muss.
Im Falle des Gebäudetyps-e sind zwei Ministerien involviert: das Bauministerium und das Justizministerium. Mit beiden Häusern sind wir ausgiebig in Kontakt. Neben den wichtigen persönlichen Gesprächen mit Ministerin und Minister sind die regelmäßigen Abstimmungen mit den Arbeitsebenen der Häuser ganz entscheidend. Denn dort werden die Details verfasst.
Was heißt das für die tägliche Arbeit?
Tagesgeschäft bedeutet: Expertise aus der Praxis und bei Fachleuten einholen, Strategien festlegen, Mehrheiten organisieren – und alles immer wieder regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Habe ich mit den richtigen Leuten gesprochen? Hakt es irgendwo oder blockiert jemand? Dann muss man genauer hinschauen: Gibt es Missverständnisse oder Argumentationsstränge, die wir noch nicht bedacht haben? Gerade bei juristischen Themen müssen wir sorgfältig prüfen, wo Stolpersteine liegen.
Wie arbeiten die Kammern zusammen?
Länderkammern und Bundesarchitektenkammer entwickeln haupt- und ehrenamtlich gemeinsam die Inhalte und die Vorgehensweisen. Für notwendige Vertiefungen beziehen wir die BAK-Ausschüsse ein oder gründen temporäre Arbeitsgruppen. Die erarbeiten dann Empfehlungen.
Auch beim Gebäudetyp-e greifen Bundes- und Landesebene wie Zahnräder ineinander: Die angekündigten Anpassungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu den Allgemeinen Regeln der Technik und zu Haftungsfragen sind die eine Ebene. Dazu gehören auch die Prozessempfehlungen und Leitlinien des Bauministeriums für eine praktische Umsetzung. Die BAK ist da intensiv an der inhaltlichen Ausarbeitung beteiligt. Und die Länderkammern können wiederum auf ihre Regierungen einwirken, die Bauordnungen anzupassen, Pilotprojekte zu fördern und Wissen zusammenzutragen.
Läuft das immer reibungslos?
Es ist aufregend, diese Prozesse über Jahre zu begleiten und zu erfahren, was für eine starke Gemeinschaft wir Kammern sind. Natürlich wird auch diskutiert und gerungen. Politik ist Management von Interessenkonflikten. Man darf nicht vergessen, dass die 16 Länderkammern zum Teil ganz unterschiedlichen Herausforderungen gegenüberstehen. Flächenländer mit schwindenden Bevölkerungszahlen und Fachkräftemangel positionieren sich bei manchen Themen anders als Bundesländer, die von überteuerten Metropolen geprägt sind.
Beim Gebäudetyp-e waren sich alle Kammern schnell einig. Diese Geschlossenheit und unsere fundierte Argumentation kamen bei den politischen Gesprächspartnern gut an.
Wie geht es jetzt mit dem Gebäudetyp-e weiter, was sind die nächsten Schritte?
Den Referentenentwurf aus dem Justizministerium zur Anpassung des BGB haben wir bereits kommentiert. Wir denken, dass sich das Parlament noch in diesem Jahr mit der Gesetzesänderung beschäftigen kann. Sicherlich werden auch die Ausschüsse des Bundestags die Vorschläge vertiefend prüfen. In Ministerin Geywitz und Minister Buschmann haben wir starke Fürsprecher.
Außerdem wollen wir in den kommenden Wochen mit Abgeordneten sprechen, die sich für eine Bauwende engagieren. Ich bin sehr optimistisch, dass wir schon bald ganz neue Beispiele für mehr Einfachheit und Innovation sehen werden.
Hintergrundinformationen und aktuelle Entwicklungen zum Gebäudetyp-e finden Sie hier!
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