Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Gebäudetyp-e – endlich einfach!“ im Deutschen Architektenblatt 10.2024 erschienen.
„Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Dieses Zitat von Victor Hugo bestätigte sich wieder einmal, als Bundesbauministerin Klara Geywitz im letzten Jahr erstmals die von der Bayerischen Architektenkammer entwickelte und auf Bundesebene von der Bundesarchitektenkammer vorangetriebene Idee des Gebäudetyps-e für das einfache, experimentelle Bauen öffentlich aufgegriffen hat.
Nur selten hört die Politik auf eine Berufsvertretung
Wie sich gezeigt hat, ist das von der Ampel-Koalition ausgegebene überaus ehrgeizige Ziel, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, aktuell nicht zu erreichen. Um hier voranzukommen, bedarf es neuer, innovativer Instrumente. Der Gebäudetyp-e ist eines davon: als Bestandteil des 14-Punkte-Plans des Wohngipfels im Bundeskanzleramt.
Es ist keineswegs übertrieben, von einem historischen Erfolg unseres Berufsstandes zu sprechen. Selten wird ein proaktiver Vorschlag aus dem Kreis der Berufsvertretenden in dieser Form von der Politik aufgegriffen und umgesetzt.
Ohne den Zusammenhalt der Architektenkammern und die Unterstützung der Ingenieurkammern sowie der beteiligten Verbände wäre das nicht möglich gewesen. Bei aller Euphorie stellt sich aber auch die Frage: Ist das jetzt endlich der dringend benötigte Strategiewechsel, um die Krise beim Wohnungsbau zu bewältigen?
Ein echter Durchbruch für einfacheres Bauen
Der Gebäudetyp-e könnte die vielzitierte Zeitenwende auch beim Bauen einläuten – im positiven Sinne. Die Architekten haben geliefert, die Politik hat nachgezogen, damit Planer und Bauherren die Spielräume, die der Gebäudetyp-e ermöglicht, rechtssicher nutzen können: eine Reform des Bau- und Architektenvertragsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Im Juli hat Bundesjustizminister Marco Buschmann einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen Paradigmenwechsel darstellt. Erstmals soll es eine gesetzliche Vermutung geben, was überhaupt eine anerkannte Regel der Technik ist: nämlich nur sicherheitsrelevante Normen, die keine reinen Komfortstandards betreffen.
Und von solchen Normen können Planer und fachkundige Bauherren künftig auch ohne umfassende Aufklärung Abweichungen vertraglich vereinbaren. Man weicht also von der Norm ab, nicht aber vom Ziel: So kann das Planen und Bauen auf ein für die Bauwerkssicherheit unverzichtbares Maß, zum Beispiel beim Brandschutz und bei der Standsicherheit, reduziert werden.
Das ist ein echter Durchbruch für das einfachere, schnellere und kostengünstigere und damit moderne, zeitgemäße Bauen.
Gebäudetyp-e muss angewandt werden
Wenn das reformierte BGB – hoffentlich – im Frühjahr 2025 in Kraft tritt, liegt der Ball im Feld der „fachkundigen Unternehmen“, wie es im Gesetzentwurf heißt, also bei den fachkundigen Bauherren und bei uns Planerinnen und Planern.
Der öffentliche Bauherr, der Staat ebenso wie die Kommunen, und nicht zuletzt die Wohnungsbaugesellschaften haben es dann in der Hand, gemeinsam mit uns den Gebäudetyp-e mit Leben zu füllen.
Denn es reicht nicht, immer nur von der Politik Reformwillen zu fordern, auch die Gesellschaft selbst muss ihn zeigen und so einen wichtigen Beitrag zum notwendigen gesellschaftlichen Umdenken leisten.
Dauerhaftes Erfolgsmodell
Einfaches Bauen bedeutet nicht, billig und hässlich zu bauen. Einfaches Bauen heißt, einem modernen Planungsansatz mehr als nur eine Chance zu geben: Es ist ein echter Durchbruch für ein entbürokratisiertes, schnelleres und kostengünstigeres Bauen, das allerdings nicht auf Kosten der gestalterischen Qualität gehen darf.
Jetzt gilt es, daraus ein dauerhaftes Erfolgsmodell zu entwickeln. Die Architektinnen und Architekten sind dabei als Vordenker beim Planen und Bauen und Partner ihrer Bauherren besonders gefordert, um sich der Politik auch künftig als kompetente Ansprechpartner zu empfehlen. Diese Chance müssen wir nutzen!
Lydia Haack, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer
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