Von Angelika Schlansky
Auf einem Teil der Bremer Weserhalbinsel Stadtwerder entsteht Wohnbebauung in exklusiver Lage, mitten im Grünen und doch innenstadtnah. Das für die Bebauung vorgesehene ehemalige Wasserwerksgelände von 10 Hektar ist vor gut zwölf Jahren von den damaligen Stadtwerken an die Stadt verkauft worden. Markanter Mittelpunkt des Areals ist der denkmalgeschützte Wasserturm von 43 Metern Höhe, ein Klinkerbau, der von den Bremern wegen seiner Form „umgedrehte Kommode“ genannt wird.
Für das Gelände wurde bis 2009 ein städtebaulicher Rahmenplan erstellt, auf dessen Grundlage dann Wettbewerbe für kompakte, drei- bis fünfstöckige Gebäude ausgelobt wurden. Aus einem dieser Wettbewerbe für bauträgerfreie dreistöckige Einzelgebäude auf einem Gebiet von knapp 15.000 Quadratmetern gingen zehn Architekturbüros als Sieger hervor. Auf der Basis der Entwürfe wurde im Auftrag der PGS – Projektgesellschaft Stadtwerder von Spengler Wiescholek Architekten und Stadtplaner aus Hamburg bis Juni 2010 eine Gestaltungsfibel (Dateigröße: 9,4 MB) entwickelt. Sie hatte das Ziel, individuelle Entwurfsvielfalt mit einer klaren architektonischen Quartiersidentität in Einklang zu bringen. Deren Regeln werden als Grunddienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen und garantieren langfristig eine städtebauliche Qualität, die den Verkauf der Grundstücke erleichtern soll.
Freistehende Stadthäuser sind in Bremen bisher nur in den reicheren Stadtteilen wie Schwachhausen üblich. Ein „Villenviertel“ auf dem Gebiet zwischen Weser und Kleiner Weser war in der ansonsten eher bescheidenen Neustadt anfangs von der dort lebenden Bevölkerung nicht erwünscht und löste Widerstände aus. Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet. Auch aus fachlicher Sicht hatte es zunächst Vorbehalte gegen eine Einzelhausbebauung in der Stadt gegeben: Weder „Wildschweinsiedlungen“ (jeder baut, wie er will) noch monotone Einfamilienhaussiedlungen nach Art amerikanischer Suburbs waren gewollt.
Die am Wettbewerb beteiligten Architekten hatten die Aufgabe, zwei Entwürfe zu erstellen: je einen für ein mittelgroßes Gebäude mit einer Wohnfläche von etwa 150 bis 200 Quadratmetern auf einer Grundstücksfläche von ca. 550 Quadratmetern sowie einen für ein sehr große Wohngebäude von 300 bis 400 Quadratmetern auf einer Grundstückfläche von ca. 1.000 Quadratmetern. Es war vorgegeben, dass die Gebäude aus einem 3-stöckigen kubischen Baukörper mit integrierter Garage bestehen sollen. Die städtebauliche Wirkung der Bebauung im Sinne eines Beitrages zur Kultivierung des öffentlichen Raums war zu beachten (Näheres hier).
Ergebnisse des Wettbewerbs: Klar und kompakt
Peter Bastian Architekten aus Münster entwarfen kompakte Baukörper, die in Länge und Ausrichtung ein zur Weser hin durchlässiges städtebauliches Netz bilden. Die Gebäude sind so ausgerichtet, dass aus Gründen des Sichtschutzes geschossweise jeweils eine Fensterfront einer geschlossenen Fassade des Nachbargebäudes gegenüber steht. Statt Hecken kann sich der Architekt auch Mauern als Grundstücksbegrenzung zur Haupterschließungsstraße hin vorstellen. Bewusst bekennt er sich zur „schlichten Kiste“ mit Räumen, die die Grenzen zwischen außen und innen aufheben.
Clemens Bonnen (Bremen/Berlin) entwarf Gebäude in monolithischer Bauweise, aus wärmedämmendem Infraleichtbeton erstellt. Der Einsatz unterschiedlicher plastischer Elemente im Erdgeschoss, verschiedener Öffnungen in der Fassadenoberfläche und Betoneinfärbungen sollen eine Varianz im Ausdruck ermöglichen. Im Inneren zeichnen sich seine Gebäude durch räumliche Anpassungsfähigkeit aus, auch über die Geschosse hinweg.
Die Gruppe GME (Architekten und Designer, Achim/Bremen) entwarf Stadtvillen mit repräsentativem Äußeren. Zur Wahrung der Privatsphäre gibt es ein Wechselspiel zwischen geschlossenen und transparenten Fassaden. Großzügige bodentiefe Verglasungen ermöglichen auch innerhalb der Villa ein intensives Erleben der Landschaft am Stadtwerder. Die Organisation der Grundrisse gewährleistet ein großzügiges „offenes“ Wohnen, auch über zwei Geschosse. Für die Fassaden sind Verblendmauerwerk, Aluminiumfenster und Holzbeläge auf den Terrassen und Balkonen vorgesehen. Auf jedem Grundstück soll mindestens ein Baum stehen.
Die LPR.Architektengemeinschaft (Bremen) hat sich „von außen“ der Aufgabe genähert. Bei der Ausrichtung der Baukörper werden bewusst die nord-östlichen Außenflächen mit geringem Öffnungsanteil versehen. Die dem Sonnenverlauf zugewandten Außenflächen des Baukörpers verfügen über einen höheren Öffnungsanteil, zur Begünstigung passiver Wärmegewinne aus der Sonnenenergie. Die transparenten Anteile der Fassade sind bezüglich der Anforderungen an Tageslicht/Blendschutz und Sonnenschutzfunktion optimiert. Durch das gesamte Gebäude führt ein Lichtschacht. Die in den Baukörper integrierte Garage hat ergänzend die Funktion eines Vordaches, Unterstandes, Abstellraums und Sichtschutz zum Garten.
Michael Ravens + Architekten (Bremen) verfolgt mit seinem Entwurf das Interesse, die Wohngebäude in ein besonderes Verhältnis zu den Erschließungswegen zu setzen, zur Begünstigung einer zwanglosen Kommunikation mit der Außenwelt. An der Nordostgrenze des Grundstücks, der dunklen Ecke also, ist eine Verlängerung der Nebenanlagen für Auto, Fahrrad, Müll, Garten- und Sportgeräte über den Baukörper hinaus vorgesehen. Davor befindet sich ein Eingangshof, z.B. für die Reparatur von Fahrrädern. Durch die nahezu geschlossene Nordostfassade der Häuser werden die Einblicke in die individuell gestaltbaren Privaträume minimiert. Die vertikale Erschließung liegt am Kopf des Hauses und ermöglicht eine, den unterschiedlichen Lebensumständen angepasste Separierung der Etagen Das städtebauliche Grundmodul eines dreigeschossigen Hauses bleibt wohnwegprägend erhalten und wird durch einen zweigeschossigen Anbau auf der Gartenseite ergänzt. Großzügige Verglasungen schaffen fließende Verbindungen zwischen innen und außen.
Die Entwürfe von Theis Janssen (Bremen) orientieren sich an der Gestalt des ehemaligen Wasserwerkes. Die Gebäude weisen eine dunkle Klinkerfläche auf, die in sich strukturiert ist durch verschiedene Mauerverbände und Vorsprünge; einzelne Klinker und die Umrahmung der Haustüre sind vergoldet. Als weiteres Material wird Holz in Form einer Lattenstruktur verwendet. Die Hauseingangstür ist sehr prägnant und einladend. Eine großzügige Treppenhalle, zum Teil mit Oberlicht und Luftraum, ist der erste Eindruck beim Betreten der Häuser und der interne Verteiler zu den Geschossen. Die „privaten“ Gartenfassaden sind offen und fangen die Südwest-Sonne ein.
Wacker/Zeiger/Architekten aus Hamburg haben Gebäude entworfen, die ebenfalls Klinkerfassaden aufweisen, allerdings sind hier Farbvariationen möglich. Die Häuser stellen sich als scharfkantige Mauerwerkskuben mit einer differenzierten Fassadengliederung dar. Haustüren und Fensterrahmen haben eine dunkle Lackierung. Die Fenster sind teilweise über Eck angelegt, so haben die Räume einen möglichst engen Bezug zum Außenraum. Ziel ist, ausgewogen proportionierte, sorgsam detaillierte und materialisierte Häuser zu schaffen, die flexibel zu nutzen sind und schön altern können.
zweimeterzehn architekten aus Bremen entwarfen Gebäudevarianten, bei denen der kleinere Typ zugleich Teil des größeren ist, der aus zwei Gebäuden besteht. Bei der größeren Gebäudevariante befindet sich ein Pool zwischen den beiden Gebäuden. Sie sind schlicht und einfach in der Kubatur, ohne Vorsprünge, weisen dafür jedoch eingestanzte Loggien, Lufträume und Galerien auf. Die Stadthäuser erhalten ein helles, sandfarbenes Verblendmauerwerk im schmalen Dünnformat. Die Fassade wird über die außen sichtbaren Deckenstreifen aus sandfarben eingefärbtem Beton strukturiert. Durchgängige raumhohe Fassadenöffnungen wirken als ordnendes Element im Fassadenspiel.
Bremens Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing bescheinigte den Architekten, mit ihren Entwürfen dem Einfamilienhausbau in der Stadt wieder Würde zurückgegeben zu haben. Die „schlichten Kisten“ seien doch sehr komplex, merkte er an. Alle Entwürfe würden gut zusammen passen. Die Wettbewerbsergebnisse lassen erwarten, dass für die zukünftigen Bauherren bei der vorgesehenen Architektur und städtebaulichen Gestalt in dieser innerstädtischen Lage kein Wunsch offen bleiben dürfte, vorausgesetzt, sie können sich ein freistehendes Stadthaus leisten.
Angelika Schlansky ist Stadtplanerin in Bremen.