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Wir spielen Phyrrus

Wie bringt man Wettbewerbe zum Scheitern? Jurys kennen die Tricks.

01.09.20082 Min. Kommentar schreiben

Roland Stimpel

Die Jurys wichtiger Wettbewerbe befolgen eine eigene Variante von Kants kategorischem Imperativ: „Zeichne nur denjenigen Entwurf aus, von dem du zugleich wollen kannst, dass er kein allgemein anerkannter Bau werde.“ Oder kurz: Wähle einen Sieger, der dann bestimmt nicht bauen darf. Vorgeführt haben Jurys das in den letzten zwei Jahren unter anderem auf dem Hamburger Domplatz, dem Frankfurter Dom-Römer-Areal, dem Münchener Wiesenfeld, beim Dresdner Gewandhaus, beim Aachener „Bauhaus Europa“, der Galerie der Gegenwart in Saarbrücken und beim Saal der Staatsoper in Berlin.

Das Scheitern besorgen die Jurys ab und zu durch den planmäßigen Einbau eines Verfahrensfehlers. Das gilt aber als etwas piefig; lieber als von Gerichten und Vergabekammern lässt man den Siegerentwurf öffentlich abschlachten.

Damit das klappt, werden Fachpreisrichter nach ihrem Torero-Talent ausgewählt, die vor dem stierdummen Laienpöbel ein ganzes Bündel roter Tüchlein schwenken: eine gewagte Proportionierung (massiv in kleinteiliger Umgebung), reizende Materialien (Glas! Stahl!! Sichtbeton!!!) und natürlich eine möglichst global-futuristische Architektursprache als Kontrast zum spießigen Altbaumilieu ringsum. Gut tut auch, vertraute Ansichten und Perspektiven zuzustellen, und am besten ist ein Abriss. Der Vorgängerbau muss aber mindestens hundert Jahre alt sein oder so aussehen.

Auf in den Kampf! Ziel ist hier, dass die Toreros selbst auf den Hörnern landen. Denn es geht nicht um einen Bau, sondern um den eigenen Status: Man verschafft sich selbst und dem vorläufigen Sieger Opfer-Aura, hebt sich vom verblödeten Volk ab und beweist den eigenen Bildungs- und Geschmacksvorsprung. Man kommt ins Feuilleton und sogar dahin, wo Zeitungen gelesen werden: ins Lokale und in die ­Leserbriefspalten.

Und man demonstriert den aufrechten Gang, kein voreiliges, ­populistisches Buckeln vor dem, was den Leuten gefallen könnte. Schließlich ist es ein Akt der Gerechtigkeit unter den Wettbewerbsteilnehmern: Wenn schon von 200 eingereichten Entwürfen 199 sowieso nicht gebaut werden, warum soll es dem letzten besser gehen?

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