Nils Hille
Architekturbücher haben schnell den Preis von drei Kleinwagen. Rund 30 000 bis 40 000 Euro kann ein umfassendes Werk mit Texten, Zeichnungen und Bildern kosten. Trotz dieser enormen finanziellen Aufwendung bleiben die Anfragen von Architekturbüros an die Verlage konstant. Argumente hierfür lassen sich viele finden. Frank Peter Jäger, der von Berlin aus Bücherproduktionen für Architekturbüros koordiniert: „Dieses Medium hält sich erstaunlich langlebig und zeitlos. Viele Büros wollen ihre Arbeit dokumentieren, ihr eine dauerhafte und würdige Form geben.“
Auch Jan Esche, der jahrelang für Büros wie gmp und Ingenhoven die Kommunikation gesteuert hat und jetzt selbstständig Architekturmarketing betreibt, unterstreicht die Wirkung nach innen: „Die Bücher sind ein wichtiger Teil des unternehmerischen Selbstverständnisses. Sie fördern das Image und dienen zur Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber. Außerdem können sie ganz einfach nachgucken, wie ein erfolgreiches Projekt vor ein paar Jahren angegangen wurde.“
Die Außenwirkung spielt aber mindestens eine genauso wichtige Rolle für die Entscheidung, ein Buch zu produzieren, sagt Daniel Fuhrhop, Geschäftsführer des Berliner Stadtwandel Verlags: „Jeder will gerne zeigen, was er leisten kann. Die Gebäude, die der Architekt geplant hat, kann er zu einem Gespräch nicht mitnehmen, das Buch schon.“ Projektdatenblätter gehen schnell verloren, Broschüren sammeln sich auf Stapeln an und verschwinden über kurz oder lang im Altpapier – ein Buch hingegen wirft niemand achtlos weg. Marketingexperte Esche: „Das Alleinstellungsmerkmal ist eindeutig der bleibende Charakter.“
Wie Blei im Regal
Um mit dem Buch einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen, muss aber auch der Inhalt stimmen. So liegen Monographien, außer von sehr bekannten Büros, oft wie Blei in den Regalen der Buchhandlungen. Das bestätigt auch Ulrich Schmidt, Cheflektor des Birkhäuser Verlags: „Monographien sind gegenüber thematischen Büchern nur bedingt im Handel gefragt. Die wenigstens müssen nachgedruckt werden.“ Der Schweizer Verlag erhöht deren Anzahl im Programm schon länger nicht mehr.
Doch was muss ein Buch beinhalten, mit dem Architekten auch eine erfolgreiche Außenwirkung bei Kunden und in Läden erzielen? Frank Peter Jäger: „Es ist nur dann als PR-Maßnahme sinnvoll, wenn es auf einem guten Konzept fußt. Architekten müssen sich fragen, welche Ziele verfolgt und welche Zielgruppen damit angesprochen werden sollen. Ohne gedanklichen roten Faden hat es auf dem Markt keine Chance.“ Mit einfach aneinandergereihten Projektdarstellungen erreicht ein Büro also nicht das Ziel. Jan Esche: „Text, Bild, Zeichnung – die Qualität aller Elemente ist entscheidend. Mit ihrer Zusammenstellung sollte der Leser die Entwicklung von Gebäuden wirklich nachvollziehen können, vom ersten Modell bis zur Fertigstellung.“ Zusätzlich sollten gelungene Details, zum Beispiel eine besondere Fassadengestaltung, auch in Einzelheiten dargestellt werden. Das bilde individuelle Kompetenzen ab.
Um das eigene Buch auf dem Markt positionieren zu können, sollten Architekturbüros immer auf die Unterstützung von Experten zurückgreifen. Lektor Schmidt: „Architekten haben oft die Vorstellung, da sie tagtäglich Objekte gestalten, können sie das auch mit Büchern. Doch das ist ein anderes Terrain.“ Die Verlage arbeiten mit freien Fachautoren oder -journalisten zusammen. Jan Esche: „Autoren sind Korrektive, stellen Fragen und polieren die Texte.“ Verleger Fuhrhop: „Diese schreibenden Architekturexperten formulieren ihre Texte auch für den Laien verständlich.“
Geringe Auflagen, hohe Kosten
Trotzdem erreichen auch die meisten Buchprojekte, bei denen alle Regeln beherzigt wurden, keine Massenauflagen. Ein zu großes Angebot und eine zu beschränkte Nachfrage grenzen den quantitativen Erfolg stark ein. Lektor Schmidt: „Die Büros überschätzen in der Regel die Nachfrage am Markt und unterschätzen den Aufwand.“ Die organisatorische Arbeit für ein qualitativ hochwertiges Architekturbuch ist um einiges höher als bei Belletristik und Fachliteratur. Wenn ein Buchprojekt für den Markt als sehr unsicher gilt, reichen es große Verlage wie Birkhäuser direkt an kleinere weiter. Nicht jeder Architekt hat somit die Möglichkeit, sein Werk bei einem renommierten Verlag zu veröffentlichen – auch wenn das Architekturbüro das Projekt finanziert.
Es ist also nicht unbedingt entscheidend, dass das Architekturbüro mit viel Geld an den Verlag herantritt. Vielmehr sollte es ein Netzwerk bieten, auf das beide Seiten zurückgreifen können. Wenn zum Beispiel Bauherren und beteiligte Firmen ebenfalls an dem Buch Interesse haben, verteilen sich die Kosten. Auch das Modell der indirekten Finanzierung kann das Erscheinen ermöglichen: In ihm sichern die Kooperationspartner zu, eine bestimmte Stückzahl abzunehmen. Manchmal reicht es schon, wenn die Bildrechte vom Architekturbüro geklärt sind und alle Darstellungen für den Druck vorbereitet vorliegen, so dass in diesem Bereich für den Verlag keine weiteren Kosten anfallen.
Eine andere Möglichkeit ergibt sich durch ein besonderes Konzept des Berliner Stadtwandel Verlags. Statt großformatiger Bände entstehen hier kleine Hefte zu nur jeweils einem Bauwerk. Viele Museen, wie das K20 in Düsseldorf oder das Stuttgarter Mercedes-Benz Museum, sind dabei. In deren Shops werden die kostengünstigen Architekturführer zu Preisen ab 2,50 Euro verkauft.
Internationale Zukunft
Größere Verlage wie Jovis und Birkhäuser setzen mittlerweile auf internationale Werke. Sie erscheinen in zwei Sprachen – in getrennten Bänden oder im selben Band – damit sie auch in den Buchhandlungen des europäischen Auslands verkäuflich sind. Hierfür müssen allerdings erst recht Kontakte zu den weit verstreuten Buchhändlern gepflegt werden.
Der flexible Einsatz des Mediums Buch scheint seine Zukunft als PR-Maßnahme auch national weiterhin zu sichern. Es sollte allerdings nie in Massenaktionen versendet, sondern als Geschenk bei einer persönlichen Übergabe präsentiert werden. Dadurch bietet es gleich einen Anlass zum Gespräch; auch junge Architekturbüros können es als Plattform zur Kontaktaufnahme nutzen. Marketingexperte Esche: „Das Buch als PR-Mittel wird Bestand haben, wenn es sich bescheidener, präziser und nachhaltiger präsentiert. Die Zeit der inhaltlichen wie formalen Überfrachtung ist hoffentlich bald vorbei.“